BGH Beschluss v. - 4 StR 242/17

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Zusammenwirken eines psychischen Defekts mit einer bei Tatbegehung hinzutretenden alkoholischen Beeinflussung

Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 2 KLs 21/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Maßregelausspruch hat keinen Bestand.

3a) Das Landgericht stützt die Annahme einer erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der abgeurteilten Körperverletzungstat auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach das Tatverhalten „ausreichend kausal auf die psychosebedingte Impulskontrollstörung des Angeklagten bei zugleich enthemmendem Alkoholeinfluss zurückzuführen sei, so dass aus medizinischer Sicht eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit vorliege“. Zwar sei nicht auszuschließen, dass andere Einflussfaktoren, wie die dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung oder ein enthemmender Alkoholeinfluss, beim Entschluss zur Tatbegehung eine Rolle gespielt hätten, die Tat beruhe aber ausreichend kausal zumindest auch auf der Impulskontrollstörung, die wiederum aus der chronifizierten Psychose des Angeklagten resultiere. Auf der Grundlage der Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen ist die Strafkammer, die dem Angeklagten bei der Strafzumessung eine nicht unerhebliche Enthemmung aufgrund der Alkoholintoxikation zur Tatzeit zugutegehalten hat, im Rahmen ihrer Erwägungen zur Unterbringungsanordnung davon ausgegangen, dass die beim Angeklagten gegebene chronifizierte Psychose „zumindest teilkausal“ für die begangene Körperverletzungstat war.

4b) Diese Ausführungen belegen nicht die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB.

5Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2017, 203, 204 mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen länger andauernden Defekt, sondern erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere von Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der - ohne pathologisch zu sein - in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. , BGHSt 44, 338, 339 mwN; Beschluss vom - 2 StR 430/06, NStZ-RR 2007, 73). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt ferner dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. , NJW 2016, 341 f.; Beschlüsse vom - 4 StR 161/16, StV 2017, 588; vom - 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 [Ls]), wenn tragender Grund seines Zustands mithin die länger andauernde geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. , aaO).

6Das Landgericht hat weder tragfähig ausgeschlossen, dass die erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung nicht erst durch ein Zusammenwirken des psychischen Defektzustands des Angeklagten mit der im Tatzeitpunkt hinzutretenden alkoholischen Beeinflussung herbeigeführt worden ist, noch verhalten sich die Urteilsgründe zu den dargelegten weiteren Voraussetzungen, die in einer solchen Fallgestaltung für eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB erfüllt sein müssen.

7c) Der Maßregelausspruch bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist darauf hin, dass es auch bei der Verwertung früherer psychiatrischer Diagnosen im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung grundsätzlich erforderlich ist, die den jeweiligen Diagnosen zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen mitzuteilen. Der neue mit der Sache befasste Tatrichter wird gehalten sein, eingehendere Feststellungen als bisher zu dem Verlauf und den Ausprägungen der psychischen Erkrankung des Angeklagten zu treffen.

82. Wegen des inneren Zusammenhangs zwischen der bei Prüfung der Maßregelvoraussetzungen des § 63 StGB vorzunehmenden Gefahrenprognose einerseits und der Beurteilung der Kriminalprognose nach § 56 Abs. 1 StGB andererseits erstreckt der Senat die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch auf die an sich nicht zu beanstandende Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:081117B4STR242.17.0

Fundstelle(n):
CAAAG-70056