BGH Urteil v. - 2 StR 560/15

Strafurteil wegen Raubes: Vermögensschutz für nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel; Voraussetzungen straferschwerender Berücksichtigung einer Vorbelastung

Gesetze: § 46 StGB, § 249 StGB, § 253 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Gießen Az: 501 Js 15343/14 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit unerlaubtem Verschaffen von Betäubungsmitteln, die Angeklagten L.   und G.   ferner jeweils tateinheitlich wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe sowie den Angeklagten G.   darüber hinaus tatmehrheitlich wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen verurteilt. Es hat gegen die Angeklagte K.   drei Jahre Freiheitsstrafe, gegen den Angeklagten H.    eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, gegen den Angeklagten L.   eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, gegen den Angeklagten G.   eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie gegen den Angeklagten N.    unter Einbeziehung weiterer Urteile eine Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verhängt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

21. Die Angeklagten G.   , H.   und K.   planten, den Zeugen Kr.    „abzurippen“, um an Drogen zu kommen. Aus diesem Grund wandten sich die Angeklagten H.    und K.   an Kr.   und spiegelten ihm vor, einen Interessenten für einen Haschischdeal von 1.500 € zu haben. Dieser ließ sich auf das Geschäft ein, wenngleich er seinem neuen Kunden statt der vereinbarten 150 Gramm Marihuana lediglich 120 Gramm mitbringen wollte. G.   kümmerte sich um Verstärkung und nahm Kontakt zum Angeklagten N.    auf, mit dem er schon zuvor über eine solche Aktion gesprochen hatte. Dieser kam am Tattag mit L.   überein, sich zu beteiligen.

3Am Tattag, dem , fuhren alle Angeklagten in einem PKW zum Tatort, dem Parkplatz eines Lebensmitteldiscounters, und warteten dort auf das Eintreffen des Zeugen Kr.   . Dieser erschien gegen 20.30 Uhr mit zwei Begleitern und mit einer Plastiktüte in der Hand und wurde von den Angeklagten H.    und K.   mit Handschlag begrüßt, währenddessen L.   und N.    aus Verstecken hinzutraten. Als sich Kr.   erkundigte, wer das Geld habe, antwortete N.    mit einer Armbewegung „in Richtung Bauch“, es gebe kein Geld, Kr.   solle das „dope“ hergeben. Da er befürchtete, Kr.   könne sich verteidigen wollen, griff er nach dessen Arm und zog ihn zu Boden. In diesem Augenblick zogen G.   und L.   ihre mitgebrachten Schreckschusspistolen hervor. G.   richtete sie mit einem Abstand von einem Meter auf den Kopf von Kr.   , L.   hielt die Begleiter von Kr.   in Schach. Dieser wollte die Drogen in Sicherheit bringen und warf die Plastiktüte in Richtung seiner Begleiter. Der Angeklagte G.   ging dazwischen und nahm die Tüte an sich. Daraufhin rannten alle Angeklagten zurück zum Auto, N.    blieb kurz zurück und rief dem Zeugen Kr.   zu, er solle aufhören, in seinem Bereich zu dealen. Schließlich fuhren alle Angeklagten mit dem Auto davon und teilten das Marihuana auf.

42. Knapp zwei Wochen später hielt sich der Angeklagte G.   in einer Gartenhütte in O.    auf und trug in seiner Bauchtasche 24,3 Gramm Marihuana bei sich.

II.

51. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dies gilt auch, soweit das Landgericht die Angeklagten wegen schweren Raubes von Betäubungsmitteln verurteilt hat. Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fremde, bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes sein (vgl. zuletzt mit vielen Nachweisen BGH, NJW 2015, 2898, 2900; zur Begründung näher: BGH, NJW 2006, 72).

6Der Senat hatte mit Blick auf die im Anfragebeschluss vom im Verfahren 2 StR 335/15 geäußerte Rechtsansicht, wonach (illegale) Drogen nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen zählen (vgl. NStZ 2016, 596) im vorliegenden Verfahren aufgrund der Hauptverhandlung vom zwar beschlossen, auch hinsichtlich der Reichweite des Eigentumsschutzes bei Betäubungsmitteln ein Anfrageverfahren einzuleiten (vgl. zu den Bedenken gegen den Eigentumsschutz auch von Betäubungsmitteln Bechtel, JR 2017, 197 ff.). An dieser Anfrage aber hält der Senat nicht mehr fest, nachdem er mit Urteilen vom in den Verfahren 2 StR 335/15 und 2 StR 344/15 entschieden hat, nach Eingang der durchweg der Ansicht des Senats entgegentretenden Antworten der anderen Strafsenate des Bundesgerichtshofs das Verfahren nach § 132 Abs. 2 GVG hinsichtlich der Frage des Vermögensschutzes von Drogen nicht weiterzuverfolgen.

72. Auch der Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten H.   , G.   und K.   hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet er, soweit die Angeklagten L.   und N.    betroffen sind, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

8a) Das Landgericht hat sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung die „einschlägige Vorbelastung“ des Angeklagten L.   vom straferschwerend gewertet, die erst nach der verfahrensgegenständlichen Tat ergangen ist. Dies wäre zwar - ungeachtet der unzutreffenden Einordnung als „Vorbelastung“ dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindlichkeit, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen ließe (vgl. BGH NStZ 2007, 150). Ob dies der Fall ist, kann der Senat aber nicht abschließend beurteilen, da der dieser Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann. Da sich nicht ausschließen lässt, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles oder einer milderen Freiheitsstrafe gelangt wäre, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

9b) Hinsichtlich des Angeklagten N.    hat das Landgericht zwar rechtsfehlerfrei die Verhängung einer Jugendstrafe für erforderlich erachtet. Hingegen begegnen die Ausführungen zur Höhe der Jugendstrafe durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bis heute ein unreflektiertes Verhalten ohne belastbare Berufs- oder Lebensperspektive an den Tag lege, nachhaltige und bereits länger zurück reichende Änderungen in seinen persönlichen und vor allem auch beruflichen Lebensverhältnissen nicht zu verzeichnen seien, in der Hauptverhandlung bekundete Absichten, von künftigen Straftaten aus besserer Einsicht abzulassen, ersichtlich dem Verfahrensdruck geschuldet seien, der auf ihm gelastet habe, und es sich erst noch herausstellen müsse, ob der Angeklagte vor allem auch langfristig zu mehr als reinen Lippenbekenntnissen willens und in der Lage sei. Diese Erwägungen lassen besorgen, dass die Strafkammer bei dieser Würdigung die jüngste Entwicklung des Angeklagten nicht in genügendem Maße in den Blick genommen hat. Im Rahmen der Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten führt sie aus, der Angeklagte habe nur kurze Zeit nach der Tat monatliche Beratungsgespräche im Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe aufgenommen, habe sich Ende des Jahres 2014 dreieinhalb Wochen in stationärer Behandlung einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie befunden und sei schließlich am zur Durchführung einer stationären medizinischen Entwöhnungsbehandlung in einer Fachklinik aufgenommen worden, aus der er am entlassen werden sollte. Abschließend weist das Landgericht darauf hin, dass dem Angeklagten dort, bei negativen Drogentests, eine zuverlässige und sehr motivierte Mitarbeit bescheinigt werde. Angesichts der in diesen Ausführungen wiedergegebenen Entwicklung des Angeklagten, die nicht nur kurzfristiger Natur ist und belegt, dass der Angeklagte seit mehr als einem Jahr aktiv und offenbar nachhaltig Anstrengungen zur Bekämpfung seiner Drogenabhängigkeit unternommen hat, hält der Senat die Wertung des Landgerichts nicht für tragfähig, der Angeklagte lege bis heute ein „unreflektiertes“ Verhalten ohne belastbare Berufs- oder Lebensperspektive an den Tag und lasse „nachhaltige und bereits länger zurückliegende Änderungen in seinen persönlichen Lebensverhältnissen vermissen“. Die vom Angeklagten eingeleiteten Schritte gegen seine Drogensucht, wie sie sich den Urteilsgründen entnehmen lassen, weisen vielmehr darauf hin, dass er hiermit aus eigener Einsicht wesentliche Grundlagen seines bisherigen Lebens zu ändern in Angriff genommen hat.

10Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei fehlerfreier Würdigung zu einem geringeren Erziehungsbedarf des Angeklagten und damit zu einer niedrigeren Einheitsjugendstrafe gelangt wäre.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:230817U2STR560.15.0

Fundstelle(n):
OAAAG-70039