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Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern

1. Begriff

Ein Konsignationslager ist ein Warenlager, das ein Unternehmer bei einem Abnehmer unterhält und aus dem der Abnehmer bei Bedarf Waren entnehmen kann.

Ein „call-off-stock” stellt ebenfalls eine Form des Konsignationslagers dar. Von einem Konsignationslager unterscheidet es sich nach allgemeinem Verständnis dadurch, dass beim call-off-stock nur ein Kunde oder Abnehmer auf das Lager zugreifen darf, wohingegen beim Konsignationslager durchaus auch mehrere Abnehmer Zugriff auf die Waren haben können.

2. Grundsatz

Bei einem Konsignationslager bleibt der Lieferer (Konsignant) zivilrechtlicher Eigentümer der im Lager befindlichen Ware. Erst wenn der Abnehmer (Konsignatar) die Ware entnimmt, geht das Eigentum an dieser vom Konsignanten auf den Konsignatar über.

Hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung ist darauf abzustellen, wann dem Abnehmer die Verfügungsmacht im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG verschafft wird. Hierfür ist maßgeblich, ob der Abnehmer bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich feststand, denn eine Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG setzt die Beförderung oder Versendung an einen Abnehmer voraus (vgl. , BStBl 2017 II, 1076 und , BStBl 2017 II, 1079).

Von einem feststehenden Abnehmer ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat. Unschädlich ist, wenn die Ware zunächst in ein inländisches Lager des Lieferanten gebracht und erst nach Zahlung durch eine Freigabeerklärung an den Abnehmer herausgegeben wird. Gleiches gilt für die kurzzeitige Zwischenlagerung in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager, wenn der Abnehmer vertraglich ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware hat. Ein nur wahrscheinlicher Abnehmer ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung ist einem feststehenden Abnehmer nicht gleichzustellen (vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE).

Liefert ein Unternehmer Waren aus dem Drittland oder dem Gemeinschaftsgebiet in ein von ihm in Deutschland unterhaltenes Konsignationslager und der Abnehmer steht bei Beginn der Warenbewegung verbindlich fest, liegt eine Beförderungs- bzw. Versendungslieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG vor. Ort und Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht werden auf den Beginn der Beförderung oder Versendung und somit in das Drittland oder übrige Gemeinschaftsgebiet verlagert.

Steht hingegen bei Beginn der Beföderung oder Versendung noch nicht verbindlich fest, an wen die Ware geliefert wird, greift § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht. Die Verschaffung der Verfügungsmacht erfolgt dann erst im Zeitpunkt der Warenentnahme aus dem Konsignationslager. Gleichzeitig verwirklicht der Lieferant nach § 3 Abs. 6 UStG eine am Ort des Konsignationslagers steuerbare und steuerpflichtige Lieferung.

3. Konsignationslager mit Drittlandsware

Fertigt der Abnehmer der Konsignationslagerware diese zum zollrechtlich freien Verkehr ab, so wird er Schuldner der EUSt nach §§ 13a Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG i. V. m. Art. 201 Abs. 3 ZK (Zollkodex). Ob er befugt ist, die EUSt als Vorsteuer geltend zu machen, hängt davon ab, ob er im Zeitpunkt der Abfertigung die Verfügungsmacht an der Drittlandsware hatte. Der Übergang erfolgt – wie bereits unter Tz. 2. angeführt – abhängig davon, ob der Abnehmer bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich feststand. Ist die Verfügungsmacht bereits bei Beginn der Beförderung oder Versendung auf den Abnehmer übergegangen, kann der Abnehmer die EUSt (unter den weiteren Tatbestandsmerkmalen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) als Vorsteuer abziehen. Andernfalls kann der leistende Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die vom Abnehmer entrichtete EUSt als Vorsteuer geltend machen, sofern er im Besitz eines entsprechenden zollamtlichen Belegs (Einfuhrabgabenbescheid) oder eines zollamtlich bescheinigten Ersatzbelegs ist.

Steht der Abnehmer bei Beginn der Warenbewegung noch nicht fest, bewirkt der leistende Unternehmer mit Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung, denn zu diesem Zeitpunkt wird dem Abnehmer Verfügungsmacht an der Ware verschafft. Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 4b UStG ist nicht einschlägig, da die Lieferung der Einfuhr zeitlich nachgeht. Der Lieferant ist daher verpflichtet, sich für Umsatzsteuerzwecke in Deutschland registrieren zu lassen.

Sofern der Abnehmer feststeht und der leistende Unternehmer die Konsignationslagerware zum zollrechtlich freien Verkehr abfertigt, ist für die Lieferung die Ortsverlagerung in das Inland nach § 3 Abs. 8 UStG zu beachten. Dies hat ebenfalls eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung zur Folge.

4. Konsignationslager mit Waren aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet

Sofern der Abnehmer noch nicht feststeht, verwirklicht der liefernde Unternehmer mit dem Verbringen der Ware im Inland einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 Satz 1 UStG. Im Zeitpunkt der Entnahme durch den Leistungsempfänger aus dem Konsignationslager bewirkt der Unternehmer wiederum eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung. Dies hat zur Folge, dass der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer verpflichtet ist, sich in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren zu lassen.

Steht der Abnehmer bereits bei Beginn der Beförderung oder Versendung fest, liegt kein innergemeinschaftliches Verbringen, sondern eine Beförderungs- oder Versendungslieferung i. S. d. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG vor. Die Lieferung wird grundsätzlich bei Beginn der Beförderung oder Versendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt und unterliegt beim inländischen Abnehmer der Erwerbsbesteuerung nach § 1a UStG. (vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE)

Eine darüber hinaus gehende – von der MwStSystRL nicht abgedeckte – Verwaltungsregelung existiert in Deutschland nicht und ist auch nicht vorgesehen.

5. Konsignationslager in anderen Mitgliedsstaaten mit Waren aus Deutschland

Verbringt ein in Deutschland ansässiger Unternehmer Ware in sein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Konsignationslager, handelt es sich hierbei – je nachdem, ob der Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat bereits verbindlich feststeht – um eine innergemeinschaftliche Lieferung in Form des Verbringens (§§ 3 Abs. 1a und 6a Abs. 2 UStG) oder um eine innergemeinschaftliche Lieferung (§§ 3 Abs. 1 und 6a Abs. 1 UStG).

5.1 Die Vereinfachungsregelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten

Entgegen der MwStSystRL haben einige Mitgliedstaaten die Besteuerung der Lagergeschäfte vereinfacht. Die von der MwStSystRL abweichende Regelung besteht darin, dass diese Mitgliedstaaten bei der Warenverlagerung in ein Konsignationslager nicht von einem innergemeinschaftlichen Verbringen in das Lager ausgehen, sondern von einer innergemeinschaftlichen Lieferung an den dortigen Abnehmer im Zeitpunkt der Einlagerung oder Entnahme aus dem Lager.

Die Vereinfachungsregelung dieser Mitgliedstaaten hat zur Folge, dass nicht der liefernde deutsche Unternehmer, sondern sein Abnehmer die Erwerbsbesteuerung in dem Bestimmungsmitgliedstaat durchzuführen hat. Für den deutschen Unternehmer besteht daher in dem anderen Mitgliedstaat keine Registrierungspflicht, so dass er keine USt-IdNr. für seinen in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Unternehmensteil erhält. Dies führt dazu, dass der deutsche Lieferer nicht in der Lage ist, den für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erforderlichen Buchnachweis nach § 17c Abs. 3 UStDV zu erbringen.

Solange die EU-Kommission das Problem noch nicht aufgegriffen und gelöst hat, kann im Einzelfall zugelassen werden, dass der Unternehmer den Tatbestand der Warenentnahme aus dem ausländischen Konsignationslager – parallel zur Erwerbsbesteuerung des Leistungsempfängers im anderen Mitgliedstaat – als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Damit entfällt die umsatzsteuerliche Erfassung als innergemeinschaftliches Verbringen beim Transport der Ware in das Konsignationslager. Die „innergemeinschaftlichen Lieferungen” an den Abnehmer sind dementsprechend in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG anzugeben.

5.1.1 Keine Vereinfachung

Neben Deutschland kennen nach derzeitigen Kenntnisstand Bulgarien, Dänemark, Estland, Griechenland, Luxemburg, Malta, Portugal, Schweden, Spanien (mit Ausnahmen, vgl. Tz. 5.1.5) und Zypern keine Vereinfachungen und setzen die MwStSystRL damit zutreffend um.

Für die nicht erwähnten Länder (insbesondere die Erweiterungsstaaten) liegen keine Erkenntnisse vor. Die Nichterwähnung ist daher nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Fehlen oder dem Vorhandensein einer Vereinfachungsregelung.

5.1.2 Unbefristete Vereinfachung

Belgien, Finnland, Großbritannien, Irland, Lettland, die Niederlande, Polen, Rumänien, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn gehen nicht von einem innergemeinschaftlichen Verbringen aus, sondern von einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Zeitpunkt der Warenverlagerung an den dortigen inländischen Abnehmer. Die in dem anderen Mitgliedstaat zeitlich verzögerte Erwerbsbesteuerung ist nicht befristet.

5.1.3 Befristete Vereinfachung

Frankreich, Italien und Litauen haben Vereinfachungsregelungen mit zeitlich limitierter Verzögerung der Erwerbsbesteuerung.

  • Frankreich sieht einen Aufschub von drei Monaten,

  • Italien und Litauen sehen einen Aufschub von 12 Monaten vor.

5.1.4 Vereinfachung eigener Art

Österreich knüpft an die Vereinfachungsregelungen anderer Mitgliedstaaten an. Erfolgt die Warenlieferung in ein österreichisches Konsignationslager, gilt die in dem anderen Mitgliedstaat vorgesehene Vereinfachungsregelung mit einer befristeten Anwendbarkeit von sechs Monaten. Das bedeutet, dass für eine Warenlieferung aus Deutschland in ein österreichisches Konsignationslager nach den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen zu verfahren ist, weil die Vereinfachungsregelung für Deutschland nicht gilt.

5.1.5 Anwendung der Vereinfachungsregelung

Die Anwendung der Vereinfachungsregelung ist in den einzelnen Ländern oftmals von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig:

  • Nach rumänischem Recht ist die Vereinfachungsregelung nur anwendbar, wenn der Mitgliedstaat des Warenabgangs auf die Behandlung als innergemeinschaftliches Verbringen verzichtet oder eine der rumänischen Regelung vergleichbare Vereinfachungsregelung akzeptiert. Dies kann im Einzelfall durch ein offizielles Schreiben des zuständigen Finanzamts nachgewiesen werden. Für Lieferungen eines deutschen Unternehmers in ein Konsignationslager in Rumänien kann die Vereinfachungsregelung zugelassen werden.

  • Nach ungarischem Recht ist die Vereinfachungsregelung nur anwendbar für sog. „Call-Off-Stocks” auf einem Gelände des Abnehmers. Hier werden Gegenstände, die der Abnehmer für seine Produktion benötigt, eingelagert und bei Bedarf entnommen.

  • Nach polnischem Recht ist die Vereinfachungsregelung auf Waren beschränkt, die nach der Entnahme aus dem Lager für Zwecke der Produktion oder für die Erbringung von Dienstleistungen verwendet werden, nicht hingegen für Handelswaren. Weitere Voraussetzung ist u. a., dass der Lieferant in Polen nicht für umsatzsteuerliche Zwecke registriert sein darf.

  • Im spanischen Recht existiert keine gesetzlich verankerte Vereinfachungsregelung für Konsignationslagerfälle. Nach veröffentlichten Einzelfallentscheidungen der obersten spanischen Finanzbehörde Dirección General de Tributos (DGT) hat sich die DGT auf Anfragen ausländischer Unternehmer hin jedoch verbindlich geäußert, dass für die ausländischen Unternehmer eine Registrierung in Spanien nicht erforderlich ist. Soweit Unternehmer eine derartige Einzelfallentscheidung der DGT vorlegen, kann aus Vereinfachungsgründen in Deutschland von einer innergemeinschaftlichen Lieferung an den spanischen Abnehmer im Zeitpunkt des Verbringens ausgegangen werden.

Die Rdvfg. vom ist durch diese Rdvfg. überholt. Die Änderungen sind durch einen schwarzen Balken auf der rechten Seite gekennzeichnet.

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Fundstelle(n):
NAAAG-70009