Gründe
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die durch Aufhebung erledigten vier Pfändungsverfügungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) vom als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin zwei dieser Verfügungen nicht mit dem Einspruch angefochten und hinsichtlich der beiden anderen Verfügungen nach Auffassung des FG kein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage dargelegt hatte.
Das Urteil des FG ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt worden. Mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am eingegangenen Telefax-Schriftsatz hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil eingelegt. Mit Schreiben vom machte die Geschäftsstelle des Senats die Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf aufmerksam, dass die Beschwerde um einen Tag zu spät beim BFH eingegangen ist. Auf diese ihr am zugegangene Mitteilung beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit am beim BFH eingegangenen Telefax-Schriftsatz für ihre Mandantin unter nochmaliger Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
Zur Begründung bringt die Klägerin vor, die seit Jahren für Zustellungen im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten zuständige und bei dem Vermerk der Fristen fehlerfrei tätige Sachbearbeiterin habe die ”Zustellung” ”auf den ” datiert. Der im Büro der Prozessbevollmächtigten sachbearbeitende Rechtsanwalt habe davon ausgehen und sich darauf verlassen dürfen, dass eine erfahrene Sachbearbeiterin und Bürokraft den Zustellungszeitpunkt, d.h. den Ausgangszeitpunkt für die Fristberechnung, der sich regelmäßig aus dem angebrachten Eingangsstempel ergebe, richtig in das Fristenbuch übertrage. Dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt sei die Sache auch rechtzeitig wieder vorgelegt worden, so dass eine ordnungsgemäße Bearbeitung habe erfolgen und am letzten Tag der Rechtsmittelfrist das Rechtsmittel habe eingelegt werden können. Ein schuldhaftes Handeln des Berufsträgers der Prozessbevollmächtigten sei im Zusammenhang mit der Fristüberwachung nicht erkennbar, da die Frist zu jeder Zeit von einem Berufsträger überwacht worden sei und lediglich aufgrund der Erfahrenheit der Bürokraft nicht mehr überprüft worden sei, ob der Ausgangspunkt der Fristenberechnung richtig in das Fristenbuch eingetragen worden sei.
Mit der beim BFH fristgerecht eingegangenen Beschwerdebegründung macht die Klägerin den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend. Sie trägt vor, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es die zur Begründung des Feststellungsinteresses in der Klageschrift benannten Zeugen nicht gehört habe und sich die Notwendigkeit einer Beweisermittlung auch von Amts wegen aufgedrängt habe.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Es trägt vor, die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung weder einen entsprechend formulierten Beweisantrag gestellt noch das für sie erkennbare Übergehen der Beweisanträge aus der Klageschrift durch das FG gerügt.
Die Beschwerde der Klägerin ist, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann, als unzulässig zu verwerfen.
1. Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen. Im Streitfall ist diese Frist für das am zugestellte Urteil am abgelaufen (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung —ZPO—, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dadurch ist das angefochtene Urteil rechtskräftig geworden. Die erst am beim BFH eingegangene Beschwerde der Klägerin war mithin verspätet und konnte die Rechtskraft des angefochtenen Urteils nicht mehr hemmen (§ 116 Abs. 4 FGO).
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Beschwerdefrist kann der Klägerin nicht gewährt werden.
a) Eine solche Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (vgl. § 56 Abs. 2 FGO; ständige Rechtsprechung, s. z.B. , BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586; , BFH/NV 1993, 616, m.w.N.). Hiernach schließt jedes Verschulden —also auch eine einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (Senatsbeschluss vom VII R 113/97, BFH/NV 1998, 709). Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
b) Beruft sich ein durch einen Prozessbevollmächtigten vertretener Beteiliger —wie im Streitfall die Klägerin— auf ein (nicht zu vertretendes) Büroversehen, so muss er darlegen, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen dafür getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl. , BFH/NV 1999, 1221, m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte, der zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, er habe die Notierung und Kontrolle der maßgeblichen Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen, muss hiernach jedenfalls vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (vgl. , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 297). Dazu gehört auch der Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Ein Organisationsverschulden kann daher nicht ausgeschlossen werden.
c) Ferner fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung des von der Klägerin innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist vorgetragenen Sachverhalts. Die Klägerin hat insoweit nur Behauptungen aufgestellt, ohne diese durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen. Unter den vorgetragenen Umständen wäre zumindest eine Ablichtung aus dem Fristenkontrollbuch mit der Notierung der von der Bürokraft falsch eingetragenen Frist und eine diesbezügliche eidesstattliche Versicherung der betreffenden, namentlich zu benennenden Bürokraft erforderlich gewesen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 795 Nr. 6
PAAAA-68646