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Online-Nachricht - Mittwoch, 03.01.2018

Einkommensteuer | Grundsatz der Akzessorietät für die Nachforderung von KapESt (BFH)

Wird der Entrichtungsschuldner von Kapitalertragsteuer im Wege des Nachforderungsbescheids in Anspruch genommen, ist wegen des materiell-rechtlichen Haftungscharakters des Nachforderungsanspruchs der Grundsatz der Akzessorietät der Entrichtungsschuld zur zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld des Gläubigers der Kapitalerträge zu beachten. § 174 Abs. 4 Satz 3 AO kann in diesem Fall sowohl zur Unbeachtlichkeit der Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld als auch zur Unbeachtlichkeit der Festsetzungsverjährung der zugrunde liegenden Kapitalertragsteuerschuld als Primärschuld führen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, gegen die das FA wegen einer nicht angemeldeten Sachausschüttung Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nachfordert. Die Gesellschafter der GmbH beschlossen 2003 die Abspaltung einer Gesamtheit von Vermögenspositionen auf die neu gegründete M-GmbH (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG). Das FA versagte die Fortführung der Buchwerte, da keine Teilbetriebe i.S. des § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UmwStG a.F. vorlägen. Im Rahmen des Klageverfahrens bestätigte der BFH das Fehlen von Teilbetrieben und führte zusätzlich aus, die auf die M-GmbH abgespaltenen Wirtschaftsgüter seien als Sachausschüttung an die Gesellschafter der GmbH anzusehen. Das FA erließ daraufhin gegenüber der GmbH einen Bescheid über die Nachforderung der durch die Sachausschüttung entstandenen Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlags für 2003. Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens stellte sich heraus, dass die Abspaltung erst in 2004 in das Handelsregister eingetragen worden war. Daraufhin hob das FA den ersten Nachforderungsbescheid auf und erließ unter Berufung auf § 174 Abs. 4 AO einen neuen Nachforderungsbescheid gegenüber der GmbH für 2004.

Als über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, meldete das FA seine Forderungen zur Insolvenztabelle an. Der Kläger hatte diese Forderungen bestritten und das Verfahren aufgenommen. Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Inanspruchnahme der GmbH sei rechtswidrig, da ihr kein grobes Verschulden i.S. des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG vorzuwerfen sei. Darüber hinaus verletze das FG-Urteil § 191 Abs. 5 Satz 1 AO. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Nachforderungsbescheids sei bei den Empfängern der Sachausschüttung, die Schuldner der Kapitalertragsteuer seien, Festsetzungsverjährung eingetreten.

Der BFH führte hierzu u.a. aus:

  • Das FA durfte die GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge und Entrichtungsschuldnerin der hierauf anfallenden Kapitalertragsteuer gemäß § 174 Abs. 4 AO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO und §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG in Anspruch nehmen.

  • Die Exkulpation gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG setzt den Nachweis voraus, dass der Entrichtungsschuldner die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Ein solcher Nachweis ist im Streitfall nicht erbracht worden.

  • Der für Haftungsansprüche geltende Grundsatz der Akzessorietät der Haftungsschuld zur zugrunde liegenden Steuerschuld (Primärschuld) ist auch bei Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners der Kapitalertragsteuer durch Nachforderungsbescheid zu beachten.

  • Zwar gilt § 191 Abs. 5 AO, der Ausdruck dieser Akzessorietät ist, nur für Haftungs- und nicht für Steuerbescheide. Im Fall eines Nachforderungsbescheids für Kapitalertragsteuer ist der Grundsatz der Akzessorietät aber sinngemäß anzuwenden.

  • Die mit der Eintragung der Spaltung entstandene Kapitalertragsteuerschuld war zum Zeitpunkt des Erlasses des Nachforderungsbescheids festsetzungsverjährt.

  • Die Verletzung der Anmeldepflicht des § 45a Abs. 1 EStG durch die GmbH führte nicht nur für die Entrichtungsschuld der GmbH (§ 44 Abs. 1 Sätze 3 und 5 EStG), sondern auch für die Kapitalertragsteuerschuld der Gläubiger der Sachausschüttung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu einer Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

  • Eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Primärschuld gemäß § 171 Abs. 15 AO bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung der Entrichtungsschuld kommt nicht in Betracht.

  • Der Ablauf der Festsetzungsfrist der Primärschuld ist aber im Streitfall gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich. Denn der Nachforderungsbescheid ist innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des ursprünglichen Nachforderungsbescheids ergangen. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieses ursprünglichen Nachforderungsbescheids war noch keine Festsetzungsverjährung der Primärschuld eingetreten (§ 174 Abs. 4 Satz 4 AO).

Quelle: ; NWB Datenbank (Ls)

Fundstelle(n):
MAAAG-68976