Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einer bewirtschafteten Fläche von ca. 130 ha. Auf seinen Antrag erteilte ihm die Bauaufsichtsbehörde durch Bescheid vom eine ”Baugenehmigung” für Erdauffüllungen (122 460 cbm) auf einem ca. 5,5 ha großen, zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Gelände. Neben Auflagen, die u.a. die Qualität des aufzubringenden Bodens betreffen, enthält die Genehmigung den Hinweis, dass entgegen der im Rekultivierungsplan aufgeführten Ackernutzung auf der aufgeschütteten Fläche die Anlage einer Streuobstwiese erfolgen soll. Später teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger mit, dass keine Bedenken bestünden, auf der Auffüllungsfläche eine Ackerfläche wieder herzustellen, sofern die Streuobstwiese an einem anderen Ort realisiert werde.
Der Kläger wies in der nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgenommenen Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1993/94 300 301,94 DM und für das Wirtschaftsjahr 1994/95 324 522,14 DM Gewinne aus ”Erdaufschüttungen” aus. Ohne diese Positionen hätten die Gewinnermittlungen jeweils einen Verlust ausgewiesen. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1993) ging der Kläger davon aus, dass auch diese Umsätze —wie die übrigen vom ihm ausgeführten Umsätze— der Besteuerung nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) unterliegen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Auffüllungen als gewerblich betriebene Erddeponie an, die einen selbständig neben dem Betrieb der Landwirtschaft bestehenden Gewerbebetrieb darstelle. Das FA hielt deshalb insoweit eine Besteuerung nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 UStG für ausgeschlossen. Es setzte entsprechend einer von dem Kläger vorgelegten Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben für das Streitjahr die Umsätze mit 75 529 DM und die Vorsteuer mit 1 142,95 DM an, so dass sich eine Umsatzsteuer von 10 186 DM ergab.
Einspruch und Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1993 hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter als unbegründet ab. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus:
Die Ablagerung von Erdaushub in größeren Mengen gegen Entgelt auf zuvor landwirtschaftlich genutzten Flächen zähle nicht mehr zur landwirtschaftlichen Tätigkeit, weil sie nicht der Erzeugung von Pflanzen und Pflanzenteilen mit Hilfe der Naturkräfte, ihrer Veredelung, ihrer Veräußerung und ihrem Verbrauch diene. Sie erfülle vielmehr die Merkmale eines Gewerbebetriebs. Der im Streitfall zwischen dieser gewerblichen Tätigkeit und dem Betrieb der Landwirtschaft bestehende wirtschaftliche Zusammenhang führe nicht dazu, dass die betriebene Erddeponie als Nebenbetrieb der Landwirtschaft angesehen werden könne. Denn sie sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse dem Betrieb der Landwirtschaft nicht zu dienen bestimmt, da sie dessen Interessen nicht untergeordnet sei.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 535 abgedruckt.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Umsätze aus der Ablagerung von Erdaushub seien seinem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen. Auf Grund der Hanglage seien die betreffenden Flächen mit Maschinen nur eingeschränkt zu bewirtschaften gewesen. Die Aufschüttung sei in erster Linie erfolgt, um Wirtschaftserschwernisse zu beseitigen. Die Verbindung zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb und den Umsätzen aus der Erdauffüllung sei nicht zufällig, sondern Voraussetzung für die Erdauffüllung. Ohne das Betreiben eines landwirtschaftlichen Betriebes wäre —so der Kläger— die Genehmigung nicht erteilt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1993 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Es ist der Auffassung, die Begründungsvoraussetzungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO a.F.) seien nicht erfüllt, weil sich der Kläger nicht mit den Erwägungen des FG auseinander gesetzt habe.
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Anforderungen an die Begründung einer Revision gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO a.F. sind —entgegen der Ansicht des FA— erfüllt. Die Revision ist aber unbegründet.
1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG kommt die Durchschnittsatzbesteuerung nur für ”die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze” in Betracht. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 u.a. die Landwirtschaft. Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UStG).
2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Ablagerung von Erdaushub im Streitfall nicht (mehr) zur landwirtschaftlichen Tätigkeit gerechnet werden kann. Es hat —ausgehend von den Feststellungen des Sachverständigen in dessen Gutachten— im Einzelnen dargelegt, dass die vorgenommene Aufschüttung in Teilbereichen über das Maß dessen hinausging, was zur Beseitigung der vom Kläger geltend gemachten Bearbeitungserschwernisse notwendig gewesen wäre. Es hat ferner zutreffend ausgeführt, auch die Höhe der vom Kläger durch die Erdauffüllungen erzielten Einnahmen spreche gegen eine Einstufung als Nebenbetrieb der Landwirtschaft. Sie stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen, die durch eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche zu erzielen gewesen wäre; auch bezogen auf die gesamte Tätigkeit des Klägers sei das wirtschaftliche Gewicht der Erddeponie derart gravierend, dass bei einer Gesamtbetrachtung von einer dienenden Funktion gegenüber dem ertragsschwächeren Betrieb der Landwirtschaft nicht die Rede sein könne.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruhen im Wesentlichen auf der Würdigung der im Streitfall festgestellten Tatsachen und weichen insbesondere nicht von dem (BFH/NV 1986, 85) ab, wonach unter bestimmten Voraussetzungen ”Kippgebühren” zu den Einkünften des Grundeigentümers aus Land- und Forstwirtschaft gehören ”können”. Überdies wäre die ertragsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts für die Umsatzsteuer nicht bindend.
3. Das vom FG gefundene Ergebnis steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.
§ 24 UStG beruht auf Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG —Richtlinie 77/388/EWG— (so ausdrücklich BTDrucks 8/1779, S. 49). Die darin vorgesehene Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger (Art. 25 Abs. 1, 3 der Richtlinie 77/388/EWG) ist u.a. auf den Preis der in Art. 25 Abs. 5 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten ”landwirtschaftlichen Dienstleistungen” anzuwenden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten gemäß Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG die in Anhang B bezeichneten Dienstleistungen. Als solche gelten Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen.
Die Duldung von Erdaufschüttungen auf Grundstücken eines landwirtschaftlichen Betriebes gegen Entgelt ist in der Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen gemäß Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG nicht aufgeführt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 680 Nr. 5
UR 2002 S. 235 Nr. 5
YAAAA-68510