NWB Nr. 51 vom Seite 3905

Neues von § 8c KStG

Dr. Ingmar Dörr | RA/StB | Hogan Lovells International LLP, München

Neues BMF-Schreiben zu § 8c KStG – Thema verfehlt!?

Advent kommt von „adventus“ und heißt „Ankunft“. Angekommen ist das überarbeitete BMF-Schreiben (vom NWB WAAAG-64116) zur Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften. Da dessen Entwurf aus dem Jahr 2014 datiert, hatte eigentlich keiner mehr damit gerechnet. Verwundert fragt man sich vielmehr, ob die neue Auslegungshilfe nicht eigentlich überflüssig ist.

Die Frage hat einen ernsten Hintergrund, der mit der Historie der Vorschrift zu tun hat. Diese stand unter keinem guten Stern: Die Norm erblickte mit Wirkung ab 2008 das Licht der Welt zur Gegenfinanzierung der Senkung des Körperschaftsteuersatzes. Um diesen Effekt zu verwirklichen, war sie von Anfang an nicht an spezifischen Missbrauchsfällen orientiert, sondern ließ Verluste alleine bei Änderungen auf der Gesellschafterebene entfallen. Schnell regte sich Widerstand gegen die extremen Rechtsfolgen, die das BMF in seinem Schreiben vom noch bestätigte. In der Finanzkrise wurden die vollen Auswirkungen der Vorschrift offenbar – Investitionen und Sanierungen waren steuerlich unattraktiv und unterblieben deshalb häufig. Der Steuergesetzgeber gab dem Druck der Wirtschaft schließlich nach und führte Ausnahmebestimmungen ein: die mittlerweile nicht mehr anwendbare Sanierungsklausel sowie mit Wirkung ab dem Jahr 2010 die Konzern- und die Stille-Reserven-Klausel. Bei all der Komplexität der Norm und seiner Ausnahmen überrascht kaum, dass § 8c KStG zu einem erheblichen Anstieg der Fallzahlen bei den Gerichten beiträgt. Praktisch von besonderer Bedeutung für frühere Sanierungserwerbe sind die derzeit noch beim EuGH anhängigen Verfahren zum europäischen Beihilferecht. Vorläufiger Höhepunkt war die Entscheidung des BVerfG aus dem März diesen Jahres: Der pro-rata-Verlustwegfall nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG bei schädlichen Beteiligungserwerben über 25 % und bis zu 50 % wurde für Zeiträume bis 2015 für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber ein Änderungsauftrag bis gegeben. Mit Beschluss vom hat erneut das FG Hamburg die Karlsruher Richter angerufen, da man auch den Totalverlustwegfall bei Anteilserwerben von mehr als 50 % nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG für verfassungswidrig hält.

Die Vorschrift des § 8c KStG ist daher nicht nur angeschossen, sondern steht auch weiterhin unter Feuer. In diese komplizierte Lage platzt nun ein BMF-Schreiben, das die Vorschrift kommentiert, als wenn es den Umsetzungsauftrag und das neue Verfahren des BVerfG nicht gäbe. Wurde hier an den Realitäten vorbei geschrieben? Sollte das BMF nicht längst an einer Gesetzesänderung arbeiten, die zum einen den (partiell wirkenden) Umsetzungsauftrag des BVerfG erfüllt, zum anderen aber die Vorschrift als Ganzes möglichst verfassungskonform neu fasst? Die ab 2016 eingeführte Vorschrift des § 8d KStG enthält – trotz vieler Auslegungsfragen, die bisher unbeantwortet sind – eine richtige Idee: Steuerliche Verlustvorträge müssen erhalten bleiben, solange kein missbräuchlicher Mantelkauf vorliegt!

Ingmar Doerr

Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 3905
KAAAG-67367