BFH Beschluss v. - IV B 32/01

Gründe

Zwischen den Beteiligten war vor dem Finanzgericht (FG) streitig, ob dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der zur Vorlage der Prozessvollmacht gesetzten Ausschlussfrist zu gewähren sei.

Die vom Vorsitzenden des Spruchkörpers gesetzte Ausschlussfrist lief am ab. Die mit Schriftsatz vom eingereichte, am ausgestellte Prozessvollmacht des Klägers ging am beim FG ein; sie wurde nach den Feststellungen des FG in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom auf den verspäteten Eingang der Vollmacht hingewiesen hatte, machten diese geltend, dass sie die Vollmacht bereits am an das FG übermittelt hätten. Mit Schriftsatz vom , beim FG am selben Tag eingegangen, beantragten sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trugen unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung einer Büroangestellten sowie einer Kopie des Postausgangsbuches vor, sie hätten das Schreiben vom nebst der Prozessvollmacht am Freitag, den , in den Briefkasten der Deutschen Post in A eingeworfen.

Das FG ”verwarf” die Klage als unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährte es nicht, weil der Vortrag des Klägers, mit dem er sein Versäumnis habe entschuldigen wollen, nicht zutreffend sei. Aufgrund des Briefumschlages sei zweifelsfrei erkennbar, dass das Schreiben vom durch einen Boten in den Bereich der Justizbehörden gelangt sei, und zwar erst am und damit verspätet. Auch die Klageschrift sei (schon) durch Boten übermittelt worden. Das Postausgangsbuch sei damit nicht ordnungsgemäß geführt worden. Letztlich seien die Gründe für den verspäteten Eingang der Vollmacht nicht aufgeklärt; das ginge aber zu Lasten des Klägers.

Die Revision ließ das FG nicht zu. Seine Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt.

Der Kläger macht mit der am beim FG und am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel. Er, der Kläger, habe die Gründe für den verspäteten Eingang der Vollmacht glaubhaft gemacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfe ihm eine Verzögerung bei der Postbeförderung nicht als Verschulden zugerechnet werden. Das FG führe lediglich aus, dass aufgrund des von ihm als erwiesen angesehenen Sachverhalts das Postausgangsbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden sein müsse und dass die Gründe für den verspäteten Eingang letztlich unaufgeklärt geblieben seien. Es verkenne damit die Reichweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Es führt u.a. aus: Zwar sei die Beschwerde nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim BFH eingegangen sei (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom , BGBl I 2000, 1757 —FGO n.F.—); das FG habe dem Kläger insoweit eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt. Der Kläger habe aber den gerügten Verfahrensmangel nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. genügenden Weise spezifiziert.

Der Senat lässt dahingestellt, ob die Beschwerde bereits unzulässig ist; sie ist jedenfalls unbegründet.

1. Nach inzwischen überwiegender Auffassung liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (a.F. und n.F.) auch dann vor, wenn das FG fehlerhaft statt eines Sachurteils ein Prozessurteil erlässt (s. hierzu z.B. die BFH-Beschlüsse vom VIII B 33/95, BFH/NV 1996, 559, und vom VIII B 4/96, BFH/NV 1997, 359; auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rdnr. 88). In diese Richtung geht der Vorwurf des Klägers in erster Linie. Er ist der Auffassung, das FG hätte hinsichtlich der Frist für die Vorlage der Prozessvollmacht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen und dann die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen; es hätte vielmehr eine sachliche Prüfung des Klagebegehrens vornehmen müssen.

Das FG hat aber dem Antrag auf Wiedereinsetzung —unabhängig von den Einwendungen des Klägers— zu Recht nicht entsprochen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO für die Antragstellung und den Vortrag der den Antrag stützenden Gründe nicht eingehalten. Ihnen war seit Erhalt des Schreibens des FA vom bekannt, dass die Prozessvollmacht bei der Geschäftsstelle des zuständigen FG-Senats bis zum Ablauf der für ihre Einreichung gesetzten Frist (am ) nicht eingegangen war. Diese Kenntnis hatten die Prozessbevollmächtigten spätestens seit dem , dem Tage, an dem sie dem FG —unter Bezugnahme auf das Schreiben des FA vom — mitteilten, dass sie die Prozessvollmacht mit Schriftsatz vom übermittelt und diesen Termin auch als Absendetag vermerkt hätten. Damit lief spätestens ab dem auch die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO; am , als der Antrag auf Wiedereinsetzung beim FG einging, war sie mithin jedenfalls schon mehrere Tage abgelaufen.

2. Die Rüge der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör genügt unter keinen Umständen den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO n.F. Der Kläger hat keinerlei Ausführungen dazu gemacht, was er bei —seiner Auffassung nach— ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. hierzu z.B. aus jüngerer Zeit den , BFH/NV 2000, 950).

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F. ab.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 927 Nr. 7
JAAAA-68340