Gründe
I. Am schlossen die A-GmbH & Co. Verwaltungs KG (KG), vertreten durch ihre Komplementärin, die Antragstellerin, mit einer Erbengemeinschaft einen notariell beurkundeten ”Kauf- und Übertragungsvertrag betreffend Grundstückseigentum und Restitutionsansprüche” hinsichtlich mehrerer in X belegener Grundstücke, die dem Erblasser gehört hatten, diesem aber zugunsten einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft entzogen worden waren. Hinsichtlich dieser Grundstücke hatten die Erben Restitutionsansprüche geltend gemacht. Gemäß § 1 Nr. 1 und 2 des Vertrages verkauften die Erben an die KG die Grundstücke und die Restitutionsansprüche. Der vereinbarte Kaufpreis von ”vorläufig” 52 630 910 DM sollte in drei Raten entrichtet werden, und zwar zunächst eine erste Rate von 1 500 000 DM, eine zweite Rate von 9 500 000 DM nach positivem Ausgang des Restitutionsverfahrens und der Rest innerhalb von 10 Tagen nach Mitteilung des Notars, dass ein rechtskräftiger Bebauungsplan für das Gelände festgestellt ist.
Am schlossen dieselben Vertragsbeteiligten einen weiteren notariell beurkundeten Vertrag, wobei die Antragstellerin diesmal nicht nur im Namen der KG, sondern auch im eigenen Namen auftrat. Darin vereinbarten sie unter Bezugnahme auf den Vertrag vom , dass die Antragstellerin anstelle der KG ”mit Wirkung ex tunc” Käuferin sein solle. Die Bestimmungen über den Kauf und die Abtretung der Restitutionsansprüche wurde rückwirkend aufgehoben. Außerdem änderten sie den ursprünglichen Vertrag in einigen Punkten.
Am schlossen die Erben mit der KG und der Antragstellerin einen dritten notariell beurkundeten Vertrag, um dem zwischenzeitlich erfolgten Abschluss des Restitutionsverfahrens Rechnung zu tragen. Dabei war nur ein Teil der Grundstücke auf die Erben zurückübertragen worden. Zu Beginn des Vertrages bekräftigten die Erben, die Antragstellerin und die KG unter Beschränkung auf die den Erben zurückgegebenen Grundstücke die Wirksamkeit der vorangegangenen Verträge. Sodann erhöhten sie den Kaufpreis auf 58 078 810 DM. Die dritte Kaufpreisrate sollte nunmehr 47 078 810 DM betragen. Als neue vierte Rate hatte die Antragstellerin teilweise die Maklerkosten der Erben zu übernehmen, und zwar einen Betrag von 575 000 DM.
Nach Erhalt der beiden ersten Verträge erließ der Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) am gegen die Antragstellerin einen hinsichtlich der Gegenleistung vorläufigen Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem er die Steuer auf 1 052 618 DM festsetzte. Bei der Angabe des versteuerten Sachverhalts bezog sich das FA auf den ”Kaufvertrag vom ”. Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Mit der erst nach Vorlage auch des dritten Vertrages ergangenen Einspruchsentscheidung vom setzte das FA die Steuer nach vorheriger Ankündigung auf 1 173 076 DM herauf.
Mit der darauf erhobenen Klage machte die Antragstellerin geltend, da der angefochtene Bescheid lediglich den Vertrag vom betreffe, dürften die beiden späteren Verträge, durch die sowohl der Erwerber als auch der Erwerbsgegenstand ausgewechselt worden seien, nicht in dessen Überprüfung einbezogen werden. Bei näherem Hinsehen lägen zwei Erwerbsvorgänge vor, nämlich einer von den Erben auf die KG und ein weiterer von der KG auf die Antragstellerin. Der Bescheid richte sich somit gegen den falschen Erwerber. Der zweite Erwerb sei bislang nicht besteuert worden. Mittlerweile sei bezüglich beider Erwerbsvorgänge Festsetzungsverjährung eingetreten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1514 veröffentlichten Entscheidung ab. In der mündlichen Verhandlung vom hatte das FA die Steuerfestsetzung hinsichtlich der dritten Kaufpreisrate für vorläufig erklärt. Das FG war der Ansicht, da der Bescheid unmittelbar nach Anforderung des zweiten Vertrages ergangen sei, sei hinreichend deutlich, dass ein Erwerb der Antragstellerin aufgrund der damals bereits geschlossenen Verträge habe besteuert werden sollen. Der durch diese beiden Verträge bestimmte Lebenssachverhalt sei durch den dritten Vertrag lediglich modifiziert worden. Dass es sich um einen einzigen Lebenssachverhalt gehandelt habe, ergebe sich aus der jeweiligen Bezugnahme der Folgevereinbarungen auf die vorausgegangenen Verträge. Die Auswechselung der Käuferseite stehe dem nicht entgegen. Die Antragstellerin leite ihren Erwerb nicht von der KG ab, sondern von den Erben. Die Verträge seien dahin auszulegen, dass es unter Aufhebung des Kaufvertrages zwischen den Erben und der KG zu einem Neuabschluss zwischen der KG und der Antragstellerin gekommen sei.
Mit der dagegen eingelegten Revision rügt die Antragstellerin sinngemäß fehlerhafte Anwendung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1, 14 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).
Zugleich beantragt die Antragstellerin, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom , der den vorausgegangenen Bescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom in sich aufgenommen habe, auszusetzen.
Das FA ist dem Antrag entgegengetreten.
II. Der Antrag hat Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig; die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO genügt, wenn die Behörde die Aussetzung der Vollziehung (AdV) in einem früheren Verfahrensstadium abgelehnt hatte (Beschlüsse des , BFH/NV 1999, 926, sowie vom VII B 41/00, BFH/NV 2000, 1512). Dies ist im Streitfall geschehen. Das FA hatte die AdV im Klageverfahren abgelehnt.
2. Der Antrag ist auch begründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 121 i.V.m. § 69 Abs. 3 und 2 FGO.
Die notarielle Vereinbarung vom wirft die durch Auslegung zu klärende Frage auf, ob der Wechsel auf der Erwerberseite zu einer Vertragsübernahme durch die Antragstellerin oder zu einem Neuabschluss eines Grundstückskaufvertrages zwischen den Erben als Veräußerern und der Antragstellerin als Erwerberin geführt hat. Das FG ist von einem Neuabschluss des Kaufvertrages mit der Antragstellerin als neuer Erwerberin ausgegangen. Bei überschlägiger Prüfung sprechen aber gewichtige Gründe dafür, dass es sich dabei um eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Vertrages vom November 1992 handelt. Dafür spricht insbesondere, dass die Auswechselung der Erwerberseite den Hauptinhalt dieses Vertrages bildet und die übrigen Änderungen Nebenabreden betreffen. Die bedeutsameren Änderungen bezüglich des Kaufpreises sind erst in dem (dritten) Vertrag vom März 1994 enthalten. Die Frage, welche der beiden in Betracht kommenden Möglichkeiten im Streitfall anzunehmen ist, bedarf jedoch im Aussetzungsverfahren keiner abschließenden Klärung, weil für beide denkbaren Auslegungsergebnisse ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung bestehen.
a) Ergibt die Auslegung, dass eine Vertragsübernahme gewollt war, könnte dadurch ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983 zwischen der KG und der Antragstellerin zustande gekommen sein. Wäre dem so, schlösse dies grunderwerbsteuerrechtlich einen nochmaligen Rechtsträgerwechsel bezüglich derselben Grundstücke von den Erben auf die Antragstellerin —diesmal gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983— aus. Zwar führte die Vertragsübernahme dazu, dass die Antragstellerin die Grundstücke wie bei einem Neuabschluss des Kaufvertrages von den Erben als ursprünglichen Veräußerern übereignet bekäme; darin läge jedoch kein erneuter Rechtsträgerwechsel. Der Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983 zwischen der KG und der Antragstellerin wäre aber von der angefochtenen Steuerfestsetzung nicht erfasst, da sie einen angenommenen Erwerbsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 zwischen den Erben und der Antragstellerin betrifft. Die Steuerfestsetzung wäre aufzuheben, da ein solcher Erwerbsvorgang nicht stattgefunden hätte.
b) Ergibt die Auslegung, dass ein Neuabschluss des Grundstücksgeschäfts —diesmal zwischen den Erben und der Antragstellerin— gewollt war, wäre maßgebliches Rechtsgeschäft für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Änderungsvertrag vom . Da der geänderte Steuerbescheid vom , der in dem Änderungsbescheid vom aufgegangen ist, jedoch nur das Abschlussdatum des ursprünglichen Vertrages vom nennt, wäre ernstlich zweifelhaft, ob daraus mit der nach § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erforderlichen Deutlichkeit hervorgeht, dass der mit dem Neuabschluss bewirkte Erwerbsvorgang besteuert werden sollte. Fehlte es an der erforderlichen Bestimmtheit, wäre die angefochtene Steuerfestsetzung im Falle eines Neuabschlusses bereits aus diesem Grunde aufzuheben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1343 Nr. 10
KAAAA-68211