Voraussetzungen für den Verzicht auf
Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer
Leitsatz
1. Unter
dem Gesichtspunkt eines gerechten Ausgleichs zwischen den Geldnutzungsinteressen
des Steuergläubigers und denen des Steuerpflichtigen ist es für
den Regelfall angemessen, die Entscheidung über die Festsetzung
von Aussetzungszinsen als automatische Folge des Verfahrensausgangs
über die Steuerfestsetzung auszugestalten. Nur wenn die im Einzelfall
maßgebliche materielle Steuerrechtslage ausnahmsweise so beschaffen
ist, dass der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens nicht mehr als
Abbild der materiellen Rechtslage aufgefasst werden kann, ist der
vom Gesetz gedeckte Regelfall nicht mehr gegeben und eine Einzelfallkorrektur
geboten.
2. Die
Nachprüfung der Ablehnung des Verzichts auf Festsetzung von Aussetzungszinsen ist
auf die Prüfung beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem
eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Ebenso hat das Gericht
als Voraussetzung dieser Prüfung nachzuprüfen, ob das Finanzamt
den entscheidungserheblichen Sachverhalt einwandfrei und erschöpfend ermittelt
und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
3. Bei
Überprüfung der Ermessensentscheidung darf das Gericht die für die
Ausübung des Ermessens maßgeblichen Erwägungen, die vom Finanzamt
vorzunehmen sind, nicht durch eigene Erwägungen ersetzen. Für die
gerichtliche Überprüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen
sind diejenigen tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, die dem Finanzamt
im Zeitpunkt der letzten Ermessensausübung – hier bei Ergehen der
Einspruchsentscheidungen – bekannt waren oder bekannt sein mussten
4. Da
der Gesetzgeber sich des Umstandes bewusst war, dass aus den verschiedensten Gründen
Steuerforderungen verzinst wurden und werden (§§ 234 ff. AO), er
aber gleichwohl eine Vollverzinsung erst für nach dem
entstehende Ansprüche anordnete, läuft die Erhebung von Aussetzungszinsen
für bestimmte Veranlagungszeiträume auch dann nicht den gesetzlichen
Wertungen zuwider, wenn für andere Veranlagungszeiträume mangels
gesetzlicher Regelung keine Zinsen auf Erstattungsbeträge zu zahlen
sind.
5. Die
Verzinsung eines Steueranspruchs kann im Einzelfall unbillig sein,
wenn der Steuerschuldner in Kürze mit einer Steuererstattung rechnen
kann, ohne dass bereits eine Aufrechnungslage besteht. Eine Verrechnungsstundung
setzt voraus, dass der Steuerschuldner zur Zeit der Fälligkeit der
Steuerschuld seinen Gegenanspruch bereits nach Grund und Höhe rechtlich
und tatsächlich darlegt und dass dieser zeitnah fällig wird. Eine
ungewisse Aussicht auf eine Steuererstattung ist nicht ausreichend.
Der Steuererstattungsanspruch muss mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit alsbald entstehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): EFG 2018 S. 1 Nr. 1 LAAAG-64808
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Online-Dokument
Finanzgericht Nürnberg, Urteil v. 20.09.2017 - 5 K 1535/16
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