BFH Beschluss v. - I R 59/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in der Sache um die Beurteilung einer umsatzabhängigen Vergütung an den Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Die Klage gegen die angefochtenen Steuerbescheide des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1235 abgedruckt.

Die Klägerin hat gegen das ihr am zugestellte Urteil des FG am Revision eingelegt. Deren Begründung ging am und damit nach Ablauf der antragsgemäß wegen einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten wiederholt —zuletzt bis zum — verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Am hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Geschäftsstelle des erkennenden Senats angerufen, und zwar —nach einem Aktenvermerk des Geschäftsstellenbeamten—, um über eine weitere Fristverlängerung zu sprechen. Er habe dabei bemerkt, dass die Frist bereits am abgelaufen war. Der Beamte wies ihn auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin.

Die Klägerin beantragt, wegen eines Büroversehens ihres Prozessbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Prozessbevollmächtigte, ein Steuerberater, trägt vor, er habe während seiner Erkrankung das Büro der X-Steuerberatungsgesellschaft mit der Fristenkontrolle und Überwachung beauftragt, und zwar durch den Mitarbeiter S, einer zuverlässigen und geschulten Fachkraft, die die Fristenkontrolle seit über sieben Jahre fehlerfrei ausgeführt habe. Wegen der beabsichtigten Ergänzung und Überarbeitung der von einem Mitarbeiter bis zum bereits erstellten Revisionsbegründung sei eine weitere Fristverlängerung bis zum beantragt worden. Nachdem diesem Antrag entsprochen worden sei, habe er S angewiesen, die neue Frist im Kalender zu vermerken. Die Frist sei überdies in seinem eigenen privaten Kalender eingetragen worden. Es sei ihm erst am bei Zurückblättern der Akte aufgefallen, dass S irrtümlich den notiert habe. S hat dies eidesstattlich versichert.

In der Sache beantragt die Klägerin sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide jeweils ohne Berücksichtigung der vGA festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).

Die Revision ist verspätet begründet worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann wegen des der Klägerin zuzurechnenden Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten nicht gewährt werden.

1. Die Frist zur Begründung der Revision (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO) war von dem Vorsitzenden des erkennenden Senats auf jeweils vor Fristablauf gestellte Anträge wiederholt, zuletzt bis zum verlängert worden (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Tatsächlich ging der Schriftsatz mit der Begründung erst am und damit verspätet beim BFH ein.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Beschwerdefrist kann nach § 56 Abs. 1 FGO nicht gewährt werden.

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter ohne Verschulden gehindert waren, die Begründungsfrist einzuhalten und die dafür erheblichen Tatsachen spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schlüssig dargetan werden. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist den Klägern nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO zuzurechnen.

b) Es kann offen bleiben, ob der Prozessbevollmächtigte die Voraussetzungen für ein unverschuldetes Büroversehen des Büroangestellten S hinreichend dargetan hat. Denn ungeachtet eines möglichen unverschuldeten Büroversehens bleibt der Prozessbevollmächtigte stets verpflichtet, den Fristablauf eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Handlung vorgelegt wird (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom IV B 81/98, BFH/NV 1999, 1614; vom III B 51/99, BFH/NV 2000, 575). Dies gilt gleichermaßen, wenn ihm die Akte bei der Bearbeitung der Sache nicht vorgelegen hat (BFH-Beschlüsse vom II R 73/91, BFH/NV 1992, 829, 830, m.w.N.).

Im Streitfall trägt der Prozessbevollmächtigte vor, die Revisionsbegründung sei bereits zum von einem damit beauftragten Mitarbeiter erstellt worden; anschließend sei es ihm nur noch darum gegangen, diese Begründung zu ergänzen und zu überarbeiten. Nur deswegen sei am nochmals Fristverlängerung bis zum beantragt worden. Das deckt sich mit der Begründung des Fristverlängerungsantrages vom , wonach der vorgelegte Schriftsatz mit dem Entwurf der Revisionsbegründung nicht den Vorstellungen des Prozessbevollmächtigten entsprach und dieser ”über Ostern” —also am 31. März/— begonnen hatte, den Schriftsatz zu überarbeiten; der Fristverlängerung bedürfe es, weil er es nicht mehr schaffe, die Überarbeitung im Laufe des fertigzustellen. Die Sache war also bereits im Zeitpunkt dieser erneuten Antragstellung mit der Aktenvorlage zur Erstellung der Revisionsbegründung, spätestens aber mit der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Übernahme der abschließenden Bearbeitung der Sache durch den Prozessbevollmächtigten selbst, in das Stadium der Fachbearbeitung eingetreten. Spätestens von diesem Zeitpunkt an traf den Prozessbevollmächtigten deshalb die volle Verantwortung für die fristgerechte Bearbeitung der Sache. Er musste selbst prüfen, wann die Begründungsfrist ablief (vgl. z.B. , BFHE 73, 499, BStBl III 1961, 447; Beschluss in BFH/NV 1999, 1614, m.w.N.).

Der Umstand der erneuten Fristverlängerung auf den ändert daran nichts. Die Sache befand sich dessen ungeachtet nach wie vor in der Fachbearbeitung. Der Prozessbevollmächtigte durfte den Vorgang zwar gleichwohl wieder in den normalen Bürobetrieb gelangen lassen. Er konnte sich aber nicht damit begnügen, nach Kenntnisnahme der Fristverlängerung auf den durch das Schreiben der Senats-Geschäftsstelle vom den Mitarbeiter S damit zu beauftragen, die ”neue Frist im Kalender zu vermerken”. Vielmehr hätte er eine fortlaufende eigene Fristensicherung vornehmen müssen. Wäre eine solche erfolgt, hätte er das von ihm dargelegte Büroversehen rechtzeitig aufdecken und fristwahrend tätig werden können.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 181
BFH/NV 2003 S. 181 Nr. 2
DStRE 2003 S. 59 Nr. 1
VAAAA-68122