Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Im Jahre 1971 hatten sich die seinerzeitigen Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, verpflichtet, deren in 1969 und 1970 erlittene Verluste auszugleichen. Der hiernach in den Bilanzen als freie Rücklage ausgewiesene Betrag wurde nach dem bei der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) in das sog. EK 03 (§ 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG 1977—) eingestellt. Im Streitjahr 1984 wurde der Betrag aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom an die nunmehrigen Gesellschafter der Klägerin ausgezahlt; die freie Rücklage wurde aufgelöst.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) behandelte die Zahlung als Ausschüttung. Er stellte hierfür die Ausschüttungsbelastung gemäß §§ 27 ff. KStG 1977 her, wodurch sich im Ergebnis eine Erhöhung der Körperschaftsteuer ergab.
Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies sie mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1348 wiedergegebenen Gründen ab.
Mit ihrer dagegen gerichteten Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise abzuändern, dass bei der Körperschaftsteuerfestsetzung für 1984 die Ausschüttung in Höhe von 100 420 DM als Kapitalrückzahlung anzusehen ist und daher nicht zu einer Änderung der Körperschaftsteuer nach den §§ 27 bis 43 KStG 1977 führt und dass bei der Entwicklung des nach § 30 KStG 1977 zu gliedernden vEK zum die Rückzahlung in voller Höhe beim EK 03 abzuziehen ist.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Schüttet eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Gewinn aus, so mindert oder erhöht sich ihre Körperschaftsteuer gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 um den Unterschiedsbetrag zwischen der bei ihr eingetretenen Belastung des Eigenkapitals (Tarifbelastung), das nach § 28 KStG 1977 als für die Ausschüttung verwendet gilt, und der Belastung, die sich hierfür bei Anwendung eines Steuersatzes von 36 v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt (Ausschüttungsbelastung). Diese Vorschriften, die auch im Streitfall vom FA angewandt worden sind, gelten gemäß § 41 Abs. 1 KStG 1977 entsprechend, wenn eine Kapitalgesellschaft sonstige Leistungen bewirkt, die bei den Empfängern Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind.
2. Die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist hiernach auf die im Streitjahr zurückgezahlten Einlagen herzustellen, die die Gesellschafter der Klägerin im Jahre 1971 zum Verlustausgleich geleistet haben. Dabei kann dahinstehen, ob die §§ 27 ff. KStG 1977 unmittelbar anzuwenden sind, weil die Rückzahlung der Einlagen als Gewinnausschüttung anzusehen ist, oder ob —wie die Vorinstanz angenommen hat— eine entsprechende Anwendung dieser Regelungen über § 41 Abs. 1 KStG 1977 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorzuziehen ist. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche.
a) Gemäß § 27 Abs. 2 KStG 1977 ist nur die nach dem Systemwechsel zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zum entstandene Körperschaftsteuer als Tarifbelastung mit Körperschaftsteuer anzusehen. Infolgedessen ist nach § 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 KStG 1977 das bis zum Ende des vor dem abgelaufenen Wirtschaftsjahrs entstandene vEK als das sog. Altkapital in einem Teilbetrag zusammenzufassen: Dieses EK 03 weist in einem kumulierten Betrag sowohl Gewinne aus den bezeichneten Wirtschaftsjahren als auch steuerfreie Vermögensmehrungen und Einlagen der Anteilseigner, die aus diesen Wirtschaftsjahren stammen, aus. Der Gesetzgeber unterscheidet sonach nicht, inwieweit in diesem Kapital tatsächlich mit Körperschaftsteuer belastete EK-Teile enthalten sind, oder ob darin enthaltene EK-Teile aus steuerfreien Vermögensmehrungen resultieren, ob das Altkapital also aus besteuerten oder unbesteuerten Gewinnen oder aus vor dem Systemwechsel geleisteten Einlagen der Anteilseigner gebildet worden ist. Er geht in § 27 Abs. 2 KStG 1977 vielmehr typisierend davon aus, dass Körperschaftsteuerbelastungen aus der Zeit vor dem Systemwechsel keine Tarifbelastung mit inländischer Körperschaftsteuer darstellen.
b) Das hat zur Folge, dass sich im Falle der Ausschüttung solcher EK-Teile die Körperschaftsteuerbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG 1977 auch dann erhöht, wenn das Altkapital bereits vor dem mit Körperschaftsteuer belastet worden war. Diese Belastung bleibt definitiv. Der Gesetzgeber nimmt in Kauf, dass entsprechende Einkommensteile ggf. doppelt steuerbelastet werden. Eine Regelungslücke liegt darin nicht. Zwar mag es sein, dass es konsequent gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber das bei der erstmaligen EK-Gliederung nach dem Systemwechsel vorhandene Altkapital nicht insgesamt dem EK 03 zugeordnet hätte, vielmehr in jenem Umfang, in dem es nicht auf das Nennkapital geleistet wurde, dem EK 04 (so. z.B. Brezing in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 19. Aufl., —123. Ergänzungslieferung Mai 1978—, § 5 KapErhG Rz. 10; Berger, Der Betrieb —DB— 1982, 2487). Eine solche Trennung wurde indes nicht vorgenommen, letzten Endes aus Gründen der Vereinfachung, weil vor dem Systemwechsel gebildete Einlagen im Einzelnen oftmals nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres feststellbar waren (BTDrucks 7/1470, S. 369 f.). Überdies konnten entsprechende Doppelbelastungen bereits vor dem Systemwechsel nach dem vor 1977 anzuwendenden Körperschaftsteuerrecht eintreten: Einlagenrückzahlungen gehörten danach grundsätzlich zum steuerpflichtigen Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zu einer Änderung kam es erst mit Neueinführung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens: Seitdem werden Einlagen der Anteilseigner im EK 04 (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977) als selbständiger Teilbetrag erfasst, für den die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist; umgekehrt unterfallen zurückgewährte Einlagen seitdem beim Anteilseigner nicht mehr der Einkommensbesteuerung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) und lösen bei diesem keine Anrechnung von Körperschaftsteuer aus (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Für das Altkapital hat der Gesetzgeber indes ungeachtet dessen an der Mehrfachbelastung festgehalten und sich nicht veranlasst gesehen, daran etwas zu ändern (ebenso Brezing, ebenda).
Die prinzipielle Unterscheidung zwischen der Ausschüttung solcher EK-Teile, die aus Gewinnkapital und solcher EK-Teile, die aus Gesellschaftereinlagen stammen, kommt nach der gesetzlichen Konzeption für Altkapital sonach grundsätzlich und ausnahmslos nicht zum Tragen. Nach ihr ist deshalb auch dann zu verfahren, wenn sich die Bestandteile des EK 03 nachweisbar und zweifelsfrei auf einen Einlagevorgang zurückverfolgen lassen. In Anbetracht der klaren Regelungslage kann dem entgegen der Revision nicht mit den Mitteln der richterlichen Rechtsfortbildung im Wege der Gesetzesauslegung oder -analogie abgeholfen werden (Brezing, ebenda).
c) Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf eine verfassungskonforme ”Gleichbehandlung” mit der Verwaltungspraxis zur Rückzahlung von Nachschusskapital i.S. von § 26, § 30 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung berufen. Danach soll in derartigen Fällen zwar eine Ausnahme von der Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG 1977 zugelassen werden und eine Ausschüttungsbelastung auch bei Verwendung von Eigenkapital aus dem EK 03 nicht herzustellen sein (vgl. Abschn. 95 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien; Finanzministerium Niedersachsen, Erlass vom , DB 1982, 1849; Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 41 Rz. 37; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz. 34, jeweils mit Nachweisen; vgl. auch Senatsurteil vom I R 41/87, BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588). Betroffen hiervon sind aber nur Anwendungsfälle der Einzahlung von Nachschusskapital i.S. des § 272 Abs. 2 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs. Um einen solchen Sachverhalt geht es im Streitfall nicht. Infolgedessen kann unbeantwortet bleiben, ob der besagten Verwaltungspraxis zu folgen ist (ablehnend Dötsch, a.a.O., § 27 KStG Rz. 39, § 28 KStG Rz. 32; Sender, Die Steuerwarte 1993, 228). Forderungen nach einer entsprechenden Sachbehandlung auch für die vorliegend gegebene Situation der Rückzahlung von zuvor in eine notleidende GmbH geleisteten Gesellschaftereinlagen finden im Gesetz jedenfalls keine Stütze (zutreffend Dötsch und Sender, jeweils a.a.O.; a.A. Kerssenbrock, DB 1987, 1658).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 539 Nr. 4
DStRE 2002 S. 451 Nr. 7
SAAAA-68110