BFH Beschluss v. - I B 8/02, I S 13/01

Gründe

1. Der Senat hat für zweckmäßig gehalten, die Verfahren zur Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe —PKH— (I S 13/01) und die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (I B 8/02) gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH war abzulehnen.

Nach § 142 FGO i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH u.a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. etwa , BFH/NV 2000, 882).

Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Vorentscheidung, auf die der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) zur Begründung seines Antrages auf PKH verweist, bietet nach diesen Grundsätzen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mit der Beschwerde kann der Kläger die Zulassung der Revision nicht erreichen, da er zwar einen Verfahrensmangel des Finanzgerichts (FG) rügt, jedoch einen solchen, auf dem die Vorentscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), nicht dargelegt hat. Insoweit wird auf die Gründe unter 3. b verwiesen.

Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.

3. a) Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist zulässig. Allerdings hat der Kläger bei Einlegung der Beschwerde mit Schriftsatz vom gebeten, ”die Beschwerdeschrift erst nach Bewilligung der PKH in den Geschäftsgang zu nehmen”. Diese Erklärung hat der Kläger im Schriftsatz vom jedoch nicht aufrechterhalten, wenn er dort ”die fristgemäß am eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision” begründet. Der Senat wertet daher die Beschwerde nicht als bedingt eingelegtes und daher unzulässiges Rechtsmittel. Auch bei der Auslegung von Prozesshandlungen sind die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze entsprechend anwendbar. Es ist daher analog § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks der Parteierklärungen zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln (, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374; vgl. auch , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1976, 70; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Anm. 18).

b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das FG verfahrensfehlerhaft gehandelt hat. Zwar liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, wenn das FG ein bestehendes Feststellungsinteresse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO verkennt (, BFHE 100, 288, BStBl II 1970, 873; vom VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860). Auch genügt für ein berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Die begehrte Feststellung muss jedoch geeignet sein, in einem der genannten Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen (, BFH/NV 1993, 46; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Anm. 60). Diese Voraussetzung ist vom Beschwerdeführer substantiiert darzulegen (BFH-Beschlüsse vom VII B 221/99, BFH/NV 2000, 1229; vom VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458). Daran fehlt es im Streitfall.

Das Vorbringen des Klägers, die Festsetzung seiner Einkommensteuer 1992 auf 0 DM sei im Zuge einer ”Schattenveranlagung” aufgrund einer Verrechnung seiner positiven Einkünfte mit Verlustvorträgen aus den Vorjahren erfolgt, weshalb der Streit über die Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung nicht ausgeräumt sei, lässt kein berechtigtes Feststellungsinteresse rechtlicher Art erkennen. Mit der Festsetzung der Steuer auf 0 DM hat sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt. Nachdem Streitgegenstand des Klageverfahrens die Höhe der festzusetzenden Steuer ist, besteht regelmäßig kein darüber hinausgehendes berechtigtes Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO an der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder an der Entscheidung bestimmter Rechtsfragen (vgl. etwa , BFH/NV 1986, 196; vom VII R 42/76, BFHE 123, 75, BStBl II 1977, 767; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Anm. 63).

Der Kläger hat auch kein hinreichendes wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung dargelegt. Zwar kann ein anerkennungswürdiges Interesse darin begründet sein, dass ein Beteiligter wegen der Behandlung seines Begehrens durch die Behörde einen Schadensersatzanspruch im Prozesswege geltend machen will. Dazu ist aber substantiiert darzulegen, dass ein Schadensersatzprozess anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, im Übrigen die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO dafür nicht unerheblich und der Schadensersatzprozess nicht offenbar aussichtslos ist (, BFH/NV 1995, 322; vom VII R 72/97, BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750, m.w.N.; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 458). Der bloße Hinweis auf einen möglichen Schadensersatzprozess genügt nicht (vgl. , BFHE 116, 459, BStBl II 1975, 857; , BFH/NV 2001, 1530). Da ein derartiger Vortrag fehlte, war das FG auch nicht zur weiteren Sachaufklärung hinsichtlich des Schadensumfangs veranlasst.

Im Übrigen fehlen Darlegungen des Klägers dazu, warum ein Interesse an einer zusätzlichen Entscheidung des FG gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO speziell für das Streitjahr 1992 besteht, da vorliegend bereits gerichtliche Parallelentscheidungen des FG für andere Streitjahre zu Gunsten des Klägers vorliegen.

Schließlich hat der Kläger auch kein hinreichendes ideelles ”Rehabilitationsinteresse” geltend gemacht. Die von ihm genannten Beeinträchtigungen seiner privaten und beruflichen Situation vermögen ein solches nicht zu begründen. Voraussetzung hierfür wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre (, BFH/NV 1995, 737), der etwa vorliegt, wenn der erledigte Verwaltungsakt —anders als im Streitfall— den Vorwurf der Steuerhinterziehung beinhaltet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322). Dem Vortrag des Klägers ist auch kein ähnlich diskriminierender, den Kläger persönlich herabsetzender Vorwurf des erledigten Verwaltungsakts (vgl. dazu , BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; vom VII R 62/74, BFHE 124, 553, m.w.N.) zu entnehmen. Auch ein tiefgreifender Grundrechtseingriff ist nicht zu erkennen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1530).

Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1317 Nr. 10
DAAAA-68086