Umsatzsteuer | Vorsteuern aus Briefkastenrechnungen (EuGH)
Für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch den Empfänger von Gegenständen oder Dienstleistungen ist es nicht erforderlich, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist ( und C-375/16).
Sachverhalt und
Verfahrensgang: In dem Verfahren C- 374/16 fanden bei dem
Kläger Umsatzsteuer-Sonderprüfungen statt. Das FA erkannte daraufhin den
Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer Firma nicht an, weil es sich um eine
Scheinfirma handle, die unter ihrer Rechnungsanschrift keinen Sitz gehabt habe.
Der Kläger wandte sich hiergegen, da er davon ausging, dass die
„Anschrift“ i.S. von
§ 14 Abs. 4 S.1 Nr. 1 UStG der
Identifikation des Rechnungsstellers diene und nur postalische Erreichbarkeit
voraussetze.
Das FG stellte fest, dass es sich bei dem Sitz der
Firma um einen Briefkastensitz gehandelt habe. Die Gesellschaft habe unter
dieser Anschrift keine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt. Ein Vorsteuerabzug
könne nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach §§
163 und
227 AO
in Betracht kommen.
In der Rechtsache C-375/16 stellte
der Kläger zum Zweck des Vorsteuerabzugs Rechnungen über Ware aus, die vom
Unternehmen Z gekauft und weiterverkauft wurden. Die Ware wurde vom Kläger an
den Gesellschaftssitz des Z geliefert, auch wenn Z unter dieser Anschrift
keinen Handel betrieb. Das FA erkannte den Vorsteuerabzug nicht an, weil die in
den Rechnungen von Z ausgewiesene Anschrift des leistenden Unternehmers
unrichtig sei. Diese Anschrift diene nur als „Briefkastenadresse“.
Z habe im Inland keine Betriebsstätte.
Das FG gab der Klage
statt, da es davon ausging, dass die „Anschrift“ i.S. von
§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG nicht
erfordere, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfänden.
Hierzu führte der EuGH u.a. weiter aus:
In Art. 226 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sind die Angaben aufgeführt, die eine Rechnung enthalten muss. Nach Nr. 5 dieser Vorschrift sind insbesondere der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers anzugeben.
Die mit diesen Angaben verbundenen Verpflichtungen sind in dem Sinne eng auszulegen, dass die Mitgliedstaaten keine strengeren Verpflichtungen vorsehen dürfen als diejenigen, die sich aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ergeben.
Der Besitz einer Rechnung, die die in Art. 226 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Angaben enthält, stellt eine formelle Bedingung für das Recht auf Vorsteuerabzug dar. Sind die materiellen Anforderungen erfüllt, ist der Vorsteuerabzug zu gewähren, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt hat.
Daraus folgt, dass Modalitäten, die die Angabe der Anschrift des Rechnungsausstellers betreffen, für den Vorsteuerabzug nicht maßgeblich sein können.
Das heißt, dass es für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch den Leistungsempfänger nicht erforderlich ist, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist.
Lesen Sie hierzu auch unseren
Blog-Beitrag v.
15.11.2017.
Das Urteil ist auf der
Homepage des EuGH
abrufbar.
Quelle: und C-375/16 (Ls)
Fundstelle(n):
GAAAG-62293