BFH Beschluss v. - X B 155/01

Gründe

I. Gegenüber den Antragstellern und Beschwerdeführern (Beschwerdeführer), Ehegatten, die im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, hatte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) u.a. für das Streitjahr Vorauszahlungen zur Einkommensteuer festgesetzt und diese —auf entsprechende Angaben des Beschwerdeführers zu seinen gewerblichen Einkünften— mit Bescheid vom erhöht. Dieser Bescheid blieb zwar unangefochten, Vorauszahlungen wurden jedoch nicht geleistet.

Nachdem die Beschwerdeführer in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1999 ausschließlich (gewerbliche) Einkünfte der Beschwerdeführerin erklärt hatten, setzte das FA im Bescheid vom nicht nur die Einkommensteuerschuld für das Streitjahr entsprechend, sondern —wegen der nicht entrichteten Vorauszahlungen— auch Säumniszuschläge in Höhe von 11 994 DM fest. Am beantragten die Beschwerdeführer über ihren steuerlichen Berater, ihren Bevollmächtigten auch in diesem Verfahren, die festgesetzte ”Einkommensteuer nebst Säumniszuschläge des Jahres 1999” nach den §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) aufzuteilen. Daraufhin erließ das FA am gegenüber beiden Beschwerdeführern getrennte Aufteilungsbescheide, denen zufolge die rückständigen Abgabenschulden für 1999, einschließlich der Säumniszuschläge, allein auf die Beschwerdeführerin entfielen. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Einspruch mit dem Begehren, die Säumniszuschläge ausschließlich dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Über diesen Rechtsbehelf hat das FA noch nicht entschieden; den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hat es abgelehnt.

Den daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellten AdV-Antrag der Beschwerdeführer hat dieses durch Beschluss vom als unzulässig abgelehnt. Durch die abschließende Regelung des § 277 AO 1977 sei ausreichender vorläufiger Rechtsschutz für das mit dem Aufteilungsantrag bekundete Interesse an der Beschränkung der Vollstreckung gewährleistet; ob Aufteilungsbescheide überhaupt eine vollziehbare Regelung enthielten, könne daher dahingestellt bleiben.

Die Beschwerde gegen seine Entscheidung hat das FG unter Berufung auf § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der seit geltenden neuen Fassung (n.F.) zugelassen, allerdings ausdrücklich beschränkt auf die Beschwerdeführerin.

Gegen den FG-Beschluss haben beide Beschwerdeführer Beschwerde mit der Begründung eingelegt, ausreichender Rechtsschutz sei nach § 277 AO 1977 nicht gegeben: Das FA habe am eine Vollstreckungsankündigung herausgeschickt. Diese sei zwar dann im Hinblick auf das AdV-Begehren ”zunächst eingestellt worden”, werde aber im Falle der Erfolglosigkeit weiter verfolgt werden, wenn auch nach § 277 AO 1977 möglicherweise nur zum Zwecke der Sicherheit. Die Aufteilung der Säumniszuschläge sei wegen deren Zuordnung allein an die Beschwerdeführerin fehlerhaft: Der Beschwerdeführer habe keine Vorauszahlungen geleistet, weil er sein Gewerbe zum abgemeldet und keine eigenen Einkünfte mehr bezogen habe, die Beschwerdeführerin habe keine Vorauszahlungen geleistet, weil ihr gegenüber keine festgesetzt worden seien.

Die Beschwerdeführer erstreben weiterhin AdV der angefochtenen Aufteilungsbescheide.

Das FA beantragt unter Berufung auf den angefochtenen Beschluss, die Beschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig zu verwerfen, die der Beschwerdeführerin als unbegründet zurückzuweisen.

II. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist unzulässig, das der Beschwerdeführerin unbegründet.

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist unzulässig, weil

- sie nicht zugelassen war (§ 128 Abs. 3 FGO),

- eine Rechtsbeeinträchtigung insoweit nicht erkennbar ist.

2. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist unbegründet: Das FG hat —ebenso wie das FA— den AdV-Antrag zu Recht abgelehnt.

Auf welche Weise bis zur endgültigen Entscheidung über den Aufteilungsantrag vorläufiger Rechtsschutz in Betracht kommt, ist speziell und abschließend in § 277 AO 1977 geregelt, wonach in diesem Zeitraum Vollstreckungsmaßnahmen nur insoweit durchgeführt werden dürfen, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Insoweit ist kein Raum für vorläufigen Rechtsschutz nach den §§ 361 AO 1977, 69 oder 114 FGO (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 1997, 897; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., 1995, § 279 AO 1977 Anm. 4; Maas in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 279 AO 1977 Rz. 4; Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 279 AO 1977 Rz. 10; Schwarz, Abgabenordnung, § 279 Rz. 9 a; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 279 AO 1977 Rz. 8 und § 69 FGO Rz. 24). Die Gegenmeinung (vor allem Wüllenkemper, Deutsche Steuer-Zeitung 1991, 36 f.; s. auch Beschluss des Hessischen , EFG 1997, 90; Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 7. Aufl., 2000, § 279 Rz. 2; Szymczak in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., 1996, § 279 Rz. 6) überzeugt nicht: Der durch § 277 AO 1977 garantierte vorläufige Rechtsschutz ist umfassender und, weil unmittelbar aus dem Gesetz folgend, für die Betroffenen einfacher verfügbar. Sollte sich das FA an die gesetzliche Vollstreckungsbeschränkung nicht halten —das heißt im Wesentlichen: irreparable Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen (, BFH/NV 1994, 525, 526)—, müsste hiergegen vorgegangen und dann u.U. insoweit AdV beantragt werden. Ein solcher Fall aber ist hier nicht konkret vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 476 Nr. 4
IAAAA-67808