IWB Nr. 21 vom Seite 1

Wo Fairness draufsteht, sollte Legalität drin sein

Nils Henrik Feddersen | Verantw. Redakteur | iwb-redaktion@nwb.de

[i]„Fairness Tax“ in Belgien gilt für Geschäftsjahre mit Abschlussstichtag ab dem 31.12.2013Mit der Fairness von Steuern ist es ja so eine Sache. Das ist eine lange traurige Geschichte, in der die Gerechtigkeit oft auf der Strecke blieb. Ein weiteres Kapitel schlug 2013 der belgische Gesetzgeber mit der „Fairness Tax“ auf. Mit ihr will er verhindern, dass ausgeschüttete Gewinne, die aufgrund der Notional Interest Deduction oder über Verlustvorträge keiner Besteuerung in Belgien unterliegen, steuerfrei ausgeschüttet werden können.

Die Voraussetzungen der Steuer sind im Prinzip einfach: das Unternehmen darf kein „kleines“ sein und es muss mehr Dividenden ausschütten als Steuern zahlen. Dann wird der pauschale Steuersatz von 5,15 % (zuzüglich 3 % Krisenzuschlag) im Rahmen einer separaten Veranlagung festgesetzt. Gesetzestechnisch war dies ein Novum, das Züge der Körperschaftsteuer mit einer Dividendenquellensteuer verband.

[i]Diese Mindeststeuer für große Unternehmen verstößt gegen EuroparechtDie Kritik entzündete sich an der De-facto-Mindeststeuer unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des steuerpflichtigen Unternehmens. Außerdem ist das Verfahren in der Praxis sehr anspruchsvoll. Die „Fairness Tax“ ist damit nicht nur schlecht kalkulierbar, sie gilt auch als ein Investitionshindernis.

Der Weg der Steuer führte vor den EuGH und das belgische Verfassungsgericht. Ersterer urteilte im Mai 2017, dass die Steuer mit der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht vereinbar ist. Auch ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung in steuerlichen Belangen steht erkennbar im Raum (s.  De Wolf ab S. 814). Im Rahmen der jüngst beschlossenen Unternehmensteuerreform wird die „Fairness Tax“ nur abgemildert, nicht aber ganz beseitigt. Leider, denn unter dem Strich war sie von Anfang an ein Paradebeispiel für schlechte Gesetzgebung.

[i]Auch § 50d Abs. 3 EStG n. F. verstößt wohl gegen UnionsrechtZu gerne möchte man sagen: Kommt vor, aber nicht bei uns. Dass leider aus deutscher Sicht kein Anlass zum Hochmut besteht, belegt die Besprechung von Linn/Pignot ab S. 826. Sie befassen sich mit dem nachgebesserten Missbrauchstatbestand des § 50d Abs. 3 EStG i. d. F. des JStG 2012. Nachdem das FG Köln bereits zwei EuGH-Vorlagen zur alten Fassung beschlossen hatte, machte das Finanzgericht im Mai einen dritten Anlauf zur aktuellen Fassung. Nach Ansicht der Autoren blieb die Norm ohne die Zulässigkeit eines Gegenbeweises für den Steuerpflichtigen europarechtswidrig. Zudem verstößt, das Verbot der Merkmalsübertragung in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG wohl ebenfalls gegen Europarecht. Dies wird der EuGH in der Rechtssache „GS“ (C-440/17) noch beurteilen. Das Ergebnis scheint angesichts der bisherigen Rechtsprechung vorgezeichnet.

Ich wünsche Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse

Nils Henrik Feddersen

Fundstelle(n):
IWB 21 / 2017 Seite 1
PAAAG-61078