Bayerisches Landesamt für Steuern - S 0353.1.1-2/3 St 42

Anpassung von Folgebescheiden an Grundlagenbescheide

1. Allgemeines

Grundlagenbescheide i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte. Auch Verwaltungsakte von Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein.

Folgebescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an die Grundlagenbescheide anzupassen, denn diese sind im Umfang der in ihnen getroffenen Feststellungen für Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO).

Wirksame Grundlagenbescheide sind im Umfang der in ihnen getroffenen – positiven wie negativen Feststellungen – für die Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 AO). Wirksam ist der Grundlagenbescheid, wenn er ordnungsgemäß adressiert und bekannt gegeben wurde und wenn er nicht nichtig ist (, BFH/NV 1994 S. 75). Ob dies der Fall ist, kann im Folgebescheidverfahren überprüft werden (, BFH/NV 1996 S. 592). Das Folge-Finanzamt ist dazu jedoch nur bei akuten Zweifeln hinsichtlich der Wirksamkeit verpflichtet. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Grundlagenbescheid unanfechtbar ist (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Er ist auch dann bindend, wenn er unrichtig und damit rechtswidrig ist (u. a. , BStBl 2001 II S. 381, m. w. N.).

Die Bindungswirkung hat zur Folge, dass nicht durch den Folgebescheid geregelt werden darf, was durch Grundlagenbescheid geregelt ist und umkehrt. Es ist deshalb erforderlich, Folgebescheide in dem vom Gesetz gezogenen Rahmen an die Grundlagenbescheide anzupassen. Die Anpassung steht nicht im Ermessen des Folge-Finanzamts. Soweit die Bindung reicht, ist der Folgebescheid ohne neue sachliche Prüfung an die Feststellungen im Grundlagenbescheid anzupassen.

2. Hemmung der Verjährung und Auswertung der Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen (§ 171 Abs. 10 AO)

2.1. Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO

Durch § 171 Abs. 10 Satz 1 AO wird die Änderungsbefugnis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO über die normale Festsetzungsfrist (§§ 169, 170 AO) hinaus erweitert. Danach endet die Festsetzungsfrist beim Folgebescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, soweit dieser für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist. Die Zwei-Jahres-Frist wird bei jeder Änderung des Grundlagenbescheids erneut in Gang gesetzt.

Die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 AO beginnt mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids, nicht mit dem Zugang der verwaltungsinternen Mitteilungen, mit denen die für den Erlass der Folgebescheide zuständigen Finanzämter über die getroffenen Feststellungen unterrichtet werden.

Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung eines Grundlagenbescheids (auch ohne dessen sachliche Änderung) steht dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids gleich (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO) und setzt daher die Zwei-Jahresfrist in Lauf (vgl. , BFH/NV 1995 S. 943).

Auch die Änderung eines Grundlagenbescheids durch Einspruchsentscheidung oder Gerichtsentscheidung setzt die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO in Lauf. Wird allerdings durch eine Einspruchs- oder Gerichtsentscheidung der Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, beginnt keine neue Zwei-Jahresfrist (vgl. , BStBl 2000 II S. 173).

Gleiches gilt bei Ergehen eines geänderten Grundlagenbescheids, der mehrere gesonderte Feststellungen umfasst. Jede einzelne festgestellte Besteuerungsgrundlage hat hierbei einen eigenständigen Regelungsgehalt. Der Feststellungsbescheid ist eine Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen. Dementsprechend wird die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 10 AO in den Fällen von geänderten Grundlagenbescheiden lediglich bezüglich der geänderten Feststellungen erneut ausgelöst ( BFH/NV 2006 S. 227).

Beispiel:

Mit Feststellungsbescheid vom wurde für den Veranlagungszeitraum 01 dem Steuerpflichtigen ein Anteil am laufenden Gewinn der Y-KG in Höhe von 25.000 € und ein Veräußerungsgewinn von 90.000 € zugewiesen. Im ESt-Bescheid des Steuerpflichtigen vom setzte das Wohnsitzfinanzamt zwar den ihm mitgeteilten Anteil am laufenden Gewinn, nicht aber den Veräußerungsgewinn als Besteuerungsgrundlage an. Mit geänderten Feststellungsbescheid vom wurde nunmehr ein Anteil des Steuerpflichtigen am laufenden Gewinn der Y-KG in Höhe von 32.000 € und ein unveränderter Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 € festgestellt.

Lösung:

Der festgestellte Anteil am laufenden Gewinn und der festgestellte Veräußerungsgewinn stellen jeweils eigenständige Feststellungen dar, die lediglich in einem Feststellungsbescheid zusammengefasst sind. Die Bekanntgabe des geänderten Feststellungsbescheids vom löst eine erneute Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO lediglich bezüglich des festgestellten Anteils am laufenden Gewinn der Y-KG aus, da insoweit eine geänderte Feststellung erfolgte. Die bloße Wiederholung des Veräußerungsgewinns im Feststellungsbescheid bewirkt dagegen hinsichtlich dieser Besteuerungsgrundlage keine erneute Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO.

2.2. Zeitnahe Auswertung der Mitteilung über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen

Das für den Grundlagenbescheid zuständige Finanzamt hat dafür Sorge zu tragen, dass die Mitteilungen über die festgestellten Besteuerungsgrundlagen möglichst gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids oder eines/einer die Feststellung ändernden Bescheids oder Einspruchsentscheidung an die für den Erlass der Folgebescheide zuständigen Finanzämter abgesandt werden.

Die Auswertung der eingehenden Mitteilungen ist von den für die Folgebescheide zuständigen Finanzämtern grundsätzlich unverzüglich vorzunehmen. Zuständig hierfür sind die Veranlagungsstellen.

Ist ersichtlich, dass der Steuerpflichtige an mehreren Personengesellschaften und/oder Gemeinschaften beteiligt ist, kann es aus arbeitsökonomischen Gründen sinnvoll sein, Mitteilungen mit steuerlich nicht erheblichen Auswirkungen zurückzustellen und zur gemeinsamen Auswertung zu sammeln. In diesen Fällen ist jedoch durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherzustellen, dass die Mitteilungen noch innerhalb der „normalen” Festsetzungsfrist ausgewertet werden.

Daher sind eingehende Mitteilungen grundsätzlich in den festsetzungsnahen Daten (FnD) unter dem Thema „Beteiligungen” zu erfassen. Im Rahmen der maschinellen Auswertung von Mitteilungen in den FnD wird geprüft, ob eine verjährungsbedroht Mitteilung vorliegt. Wird eine solche Mitteilung erkannt, ist die Festsetzungsfrist dieser Mitteilung personell zu prüfen und die Mitteilung -soweit noch zulässig- umgehend auszuwerten. Auf die und Tz. VI.1.2 der DA-Org. wird hingewiesen.

Sofern eine Erfassung in den festsetzungsnahen Daten nicht erfolgen kann, ist die Überwachung der Festsetzungsverjährung durch andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen (z. B. augenfälliger Vermerk auf der Mitteilung bzw. in der Steuerakte, Wiedervorlage).

Ist die „normale” Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, sind die Mitteilungen stets unverzüglich auszuwerten.

2.3. Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 2 AO in Fällen mit Außenprüfungen

Durch § 171 Abs. 10 Satz 2 AO umfasst die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO infolge einer Außenprüfung auch die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den ein Grundlagenbescheid bindend ist und dessen Besteuerungsgrundlagen nicht mitgeprüft werden.

Mitteilungen, die nach Erlass der Prüfungsanordnung beim Finanzamt eingehen, sind von der Veranlagungs- bzw. Rechtsbehelfsstelle grundsätzlich ohne vorherige Auswertung der Außenprüfung zuzuleiten. Diese berücksichtigt die mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen bei Erstellung des Prüfungsberichts und macht dies auf den Mitteilungen durch einen Vermerk (z. B. „im BP-Bericht berücksichtigt”) kenntlich. Die Mitteilung ist nach Abschluss der Außenprüfung in den Steuerakten abzulegen. Die Berücksichtigung der Mitteilungen in den Steuerbescheiden erfolgt im Anschluss daran bei der Auswertung des Prüfungsberichts durch die Veranlagungsstellen. Es ist darauf zu achten, dass jede Mitteilung nur einmal im Folgebescheid berücksichtigt wird. Führt die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen, sind die Mitteilungen zur Auswertung an die Veranlagungsstellen zurückzugeben.

In Ausnahmefällen (z. B. hohe Erstattung bzw. Nachzahlung) soll jedoch weiterhin die Auswertung vom Innendienst durch Erteilung von Änderungsbescheiden vorgenommen werden. Ein sich aus der Auswertung eventuell ergebender erstmaliger Verlustrücktrag bzw. -vortrag oder dessen Änderung ist in diesen Fällen ebenfalls noch durch den Innendienst zu erledigen.

Bei Auswertung durch die Veranlagungs- bzw. Rechtsbehelfsstelle ist die Mitteilung zusammen mit der Aktenausfertigung des Änderungsbescheids der Außenprüfung zuzuleiten.

3. Unterbliebene Änderung des Folgebescheids

Die Anpassung des Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid steht nicht im Ermessen des Finanzamts (vgl. , BStBl 1999 II S. 545). Ist die Anpassung eines Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid unterblieben, so kann sie, falls die Festsetzungsfrist beim Folgebescheid noch nicht abgelaufen oder die Frist gehemmt ist (s. Tz. 2.1), jederzeit nachgeholt werden (vgl. , BStBl 1984 II S. 86, , BStBl 1986 II S. 93 und , BStBl 1986 II S. 168). Das gilt auch, wenn der Grundlagenbescheid bereits bei Erlass eines früheren Steuerbescheids (Folgebescheids) hätte berücksichtigt werden können (vgl. , BStBl 1986 II S. 93 und , BStBl 1986 II S. 168).

Das versehentliche Übersehen eines Grundlagenbescheids (bzw. der Mitteilung über die getroffenen Feststellungen) stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar (vgl. , BStBl 2003 II S. 867). Dem entsprechend ist bei der Überprüfung der Verjährung in einem derartigen Fall auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 2 AO zu beachten.

Ist bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung die Auswertung der Mitteilung aufgrund innerorganisatorischer Mängel unterblieben, führt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben nicht zu einer Verpflichtung auf Bescheidänderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen (vgl. , BStBl 2000 II S. 330).

4. Unzutreffende Berücksichtigung des Grundlagenbescheids im Folgebescheid

Wurden die in einem Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen in einem Folgebescheid nicht zutreffend berücksichtigt (sog. Anpassungsfehler), so ist der Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (, BStBl 1988 II S. 711). Es liegt jedoch kein Anpassungsfehler vor, wenn Besteuerungsgrundlagen, die nicht Gegenstand des Grundlagenbescheids sind, anlässlich der Auswertung einer Mitteilung irrtümlich verändert oder weggelassen werden (, BFH/NV 1998 S. 1452).

Die Verpflichtung zur – vollen – Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid besteht auch dann noch, wenn der zunächst nicht oder fehlerhaft ausgewertete Grundlagenbescheid später geändert wird. In diesem Fall ist die Änderung des Folgebescheids zur Herbeiführung eines materiell-rechtlich richtigen Ergebnisses selbst dann geboten, wenn sie dazu dient, eine zuvor versäumte Anpassung des Folgebescheids nachzuholen. Ein „Verbrauch” der Möglichkeit, den Folgebescheid an den geänderten Grundlagenbescheid anzupassen, ist durch die zunächst unterbliebene Berücksichtigung des Grundlagenbescheids nicht eingetreten (, BFH/NV 1994 S. 1).

5. Aufhebung und Änderung von Grundlagebescheiden, negative Feststellungsbescheide

5.1. Aufhebung des Grundlagenbescheids aus formellen Gründen

5.1.1 Fehlende Feststellungsbefugnis

Wird ein Grundlagenbescheid ersatzlos aufgehoben, weil die Besteuerungsgrundlagen nicht im Rahmen der Feststellung zu erfassen sind (z. B. wegen des Nichtvorliegens von gemeinsam erzielten Einkünften, § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO), hat das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt den Sachverhalt, der bisher Gegenstand des Grundlagenbescheids war, in eigener Zuständigkeit zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, um aufgrund dessen den Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (, BStBl 1996 II S. 142). Das gilt auch, wenn eine beantragte Feststellung abgelehnt wird und deshalb ein sog. negativer Feststellungsbescheid ergeht.

Auch in Fällen, in denen nur einzelne Besteuerungsgrundlagen aus dem Feststellungsverfahren durch Änderung des Grundlagenbescheids ausgeschieden werden, hat das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt den nicht mehr in das Feststellungsverfahren einbezogenen Sachverhalt eigenständig zu ermitteln und zu werten, ohne an frühere Beurteilungen oder Berechnungen gebunden zu sein (, BFH/NV 1999 S. 513).

Wird ein Feststellungsbescheid aufgehoben, weil sich herausstellt, dass eine Feststellung nicht hätte durchgeführt werden dürfen (z. B. wegen fehlender Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO) kann das für den Erlass des „Folgebescheids” zuständige Finanzamt, welches nunmehr die Ermittlung und Wertung des Sachverhalts vorzunehmen hat, seinen Bescheid ohne Änderung aufrechterhalten, wenn es die aus dem zwischenzeitlich aufgehobenen Grundlagenbescheid entnommenen Besteuerungsgrundlagen für zutreffend hält. In einem solchen Fall bedarf es keiner Anpassung oder Änderung des Folgebescheides ( BStBl 1995 II S. 488).

Beispiel:

Aufgrund einer Außenprüfung erkennt das Betriebsfinanzamt eine Mitunternehmerschaft zwischen X und Y nicht an. Es hat deshalb den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aufgehoben und den Antrag auf Feststellung der Einkünfte abgelehnt (negativer Feststellungsbescheid).

Lösung:

Die für X und Y zuständigen Wohnsitz-Finanzämter haben nach der Aufhebung des Grundlagenbescheids jeweils selbständig zu prüfen, inwieweit X und Y Einkünfte erzielt haben. Anschließend sind die Folgebescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend zu ändern. Die Qualifikation des Betriebsfinanzamts, dass keine Mitunternehmerschaft vorliegt, ist für die Wohnsitzfinanzämter jedoch bindend.

5.1.2 Unwirksamkeit/Nichtigkeit des Feststellungsbescheids

Wird ein Feststellungsbescheid aufgehoben, weil er trotz Erfordernis eines Feststellungsverfahrens, z. B. mangels zutreffender Adressierung unwirksam ist oder nach Eintritt der Feststellungsverjährung, wobei § 182 Abs. 5 AO zu beachten ist, erlassen worden ist, verbleibt es bei der alleinigen Maßgeblichkeit des Feststellungsverfahrens, weil hierdurch die Ermittlungsbefugnis des Feststellungs-Finanzamts nicht auf das Folge-Finanzamt übergeht. War der aufgehobene Feststellungsbescheid schon ausgewertet worden, muss seine Auswertung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO rückgängig gemacht werden. Die an sich gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen können im Rahmen einer anderweitigen Änderung des Folgebescheides nicht nach § 177 AO saldiert werden (, BStBl 2007 II S. 76).

Stellt das Finanzamt durch Verwaltungsakt die Nichtigkeit eines Grundlagenbescheids fest, ist der Folgebescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (, BStBl 2015 II S. 109; vgl. AEAO zu § 125, Nr. 4). In diesem Fall geht die Ermittlungsbefugnis ebenfalls nicht auf das für den Erlass des Folgebescheids zuständige Finanzamt über (vgl. , BStBl 2007 II S. 76).

5.2. Aufhebung des Grundlagenbescheids aus materiell-rechtlichen Gründen

Die Aufhebung eines Feststellungsbescheids aus materiell-rechtlichen Gründen (z. B. in Fällen der Liebhaberei) führt nur dann zu einer unmittelbaren Beurteilung des Sachverhalts durch das Folge-Finanzamt, wenn der Bescheid auch als Erlass eines negativen Feststellungsbescheids zu werten ist (, BStBl 2007 II S. 76). Daher ist bei Aufhebungen von Feststellungsbescheiden auf deren Ursache (z. B. fehlende Einkunftserzielungsabsicht) hinzuweisen und zum Ausdruck zu bringen, dass es sich zugleich um einen negativen Feststellungsbescheid handelt. Dies ist insoweit von Bedeutung, als die Qualifizierung der Einkünfte als „Liebhaberei” im negativen Feststellungsbescheid Bindungswirkung für den Folgebescheid entfaltet. Im Folgebescheid dürfen Besteuerungsgrundlagen also nicht mehr angesetzt werden, deren Vorliegen in dem Verfahren über den Grundlagenbescheid bestandskräftig verneint worden ist.

Beispiel:

X und Y sind Gesellschafter der Z-GbR. Aufgrund einer Außenprüfung stellt das Betriebsfinanzamt fest, dass X und Y mangels Einkunftserzielungsabsicht (Liebhaberei) durch die Z-GbR keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielen. Es hat deshalb den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen aufgehoben und den Antrag auf Feststellung der Einkünfte abgelehnt (negativer Feststellungsbescheid).

Lösung:

Die für X und Y zuständigen Wohnsitzfinanzämter sind nach der Aufhebung des Grundlagenbescheids an die Feststellung, dass X und Y aus der Z-GbR keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielen, gebunden. Die Folgebescheide sind nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend zu ändern und Einkünfte aus der Z-GbR nicht mehr zu berücksichtigen. Für die Wohnsitzfinanzämter besteht auch keine Befugnis, Einkünfte von X und Y aus der Z-GbR aufgrund eigener Ermittlungen und steuerrechtlicher Prüfungen zu berücksichtigen.

6. Ausgleich von Rechtsfehlern (§ 177 AO)

Bei einer nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erforderlich werdenden Änderung eines Folgebescheids sind Rechtsfehler im Rahmen des § 177 AO zu berichtigen.

Die Verpflichtung zur Berichtigung von Amts wegen besteht sowohl bei Fehlern, die sich zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen ausgewirkt haben. Die Berichtigung ist auch dann vorzunehmen, wenn die Rechtsfehler selbst eine Korrekturmöglichkeit nach den §§ 172 ff. AO wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr eröffnen können (, BStBl 1992 II S. 504).

Sind die steuerlichen Auswirkungen eines „gegenläufigen” Rechtsfehlers gleich groß wie oder größer als diejenigen, die sich bei der Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergeben, unterbleibt eine Änderung des Folgebescheids (Saldierung nach § 177 AO: „soweit die Änderung reicht”). In diesem Fall ist aktenkundig zu machen, weshalb trotz Vorliegens der Mitteilung über Feststellungen in einem Grundlagenbescheid die Anpassung des Folgebescheids unterbleibt.

Beantragt der Steuerpflichtige die Änderung des Folgebescheides, muss sie aber aus den vorstehenden Gründen unterbleiben, so ist sie mit Bescheid abzulehnen. Damit wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, die Anwendung der Vorschrift des § 177 AO im Einspruchsverfahren überprüfen zu lassen.

7. Ablaufhemmungen nach § 171 Abs. 3 und Abs. 3a AO

Beantragt ein Steuerpflichtiger die Korrektur oder den Erlass eines Folgebescheids innerhalb der nach § 171 Abs. 10 AO gehemmten Festsetzungsfrist, so findet insoweit auch die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO Anwendung (, BStBl 2007 II, 76). Dementsprechend kann auch nach Ablauf der Änderungsfrist des § 171 Abs. 10 AO eine Auswertung des Grundlagenbescheids gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durchgeführt werden, da die Festsetzungsverjährung auf Grund des § 171 Abs. 3 AO bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Änderungsantrag gehemmt ist.

Stellt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des § 171 Abs. 10 AO einen Antrag auf Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wird der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nach § 171 Abs. 3 AO gehemmt (vgl. , BFH/NV 2014 S. 596).

Sofern der Steuerpflichtige zulässig Einspruch gegen den Folgebescheid eingelegt hat, umfasst die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO den gesamten Steueranspruch, so dass sie auch die gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen umfasst. Soweit die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO zeitlich weiter reicht als die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO, ist die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO maßgebend.

8. Änderung von Folgebescheiden für weit zurückliegende Veranlagungszeiträume

Ist dem Folge-Finanzamt bekannt, dass zu dem Feststellungsverfahren ein Einspruchsverfahren bzw. ein Klageverfahren anhängig ist, sind die für eine mögliche Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO relevanten Aktenteile nicht nach den Bestimmungen zur Aufbewahrung und Aussonderung von Schriftgut bei den Finanzämtern (Aufbew-Best-FÄ,) auszusondern, sondern weiterhin vorzuhalten (vgl. Abschnitt I Tz, 4 der Aufbew-Best-FÄ).

Liegen dem Finanzamt keine Unterlagen mehr vor, kann es nach dem , BStBl 2008 II S. 335 die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht mit der Begründung ablehnen, wegen Fehlens der Steuerakten bestünden Unklarheiten über die im ursprünglichen Folgebescheid angesetzten Besteuerungsgrundlagen, wenn die Ursachen für die Unklarheiten dem Grundlagen- oder dem Folge-Finanzamt zuzurechnen sind. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Folge-Finanzamt nicht über das Rechtsmittelverfahren unterrichtet wurde oder trotz Kenntnis des noch anhängigen Rechtsmittelverfahrens die relevanten Aktenteile aussondert.

9. Antragsveranlagungen

Das mit Fristablauf erlöschende Antragsrecht auf Durchführung der Einkommensteuer-Veranlagung steht einer späteren Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO entgegen (, BStBl II 1989, 196). Kommt eine Veranlagung des Steuerpflichtigen nach § 46 Abs. 2 EStG nicht in Betracht, können auch Grundlagenbescheide nicht über die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu einer solchen führen (, BStBl 2012 II S. 750). So kann z. B. ein Grundlagenbescheid, mit dem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich festgestellt werden, nicht zu einer Einkommensteuerveranlagung führen, wenn es sich um eine Antragsveranlagung handelt, der notwendige Antrag auf Veranlagung jedoch nicht fristgerecht gestellt wurde.

10. Besonderheiten bei der Berücksichtigung außensteuerlicher Grundlagenbescheide

10.1. Allgemeines

Folgende nicht abschließend aufgezählte Verwaltungsakte anderer Behörden sind als Grundlagenbescheide im Sinne der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO anzusehen:

Verwaltungsakte ressortfremder Behörden können je nach dem jeweils einschlägigen Verfahrensgesetz auch ohne Einhaltung von Fristen ergehen. Nach früherer Rechtsprechung konnten daher Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden auch für Steuerbescheide weit zurückliegender Veranlagungszeiträume eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO auslösen.

Durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (ZollkodexAnpG) vom (BStBl 2015 I S. 58) wurde § 171 Abs. 10 AO daraufhin um eine Regelung ergänzt, wonach Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht den Vorschriften der Feststellungsverjährung (§ 181 AO) unterliegen, die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nur auslösen, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheides bei der für den Grundlagenbescheid zuständigen Behörde beantragt wurden (§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO).

Unter die Regelung des § 171 Abs. 10 Satz 2 AO fallen neben Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden (z. B. Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG) auch Bescheide über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO, weil auch insoweit die Regelungen der §§ 179 ff. AO nicht gelten.

Die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid läuft in diesen Fällen nicht ab, solange über den Antrag auf Erlass des Grundlagenbescheides noch nicht unanfechtbar entschieden wurde. Erst mit Bekanntgabe des Grundlagenbescheides beginnt die zweijährige Anpassungsfrist nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (vgl. AEAO zu § 171, Nr. 6.4). Die Neuregelung gilt für alle Fälle, in denen die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid am noch nicht abgelaufen war. War die Festsetzungsfrist am bereits abgelaufen, ist die Vertrauensschutzregelung laut BStBl 2014 I S. 159, zu beachten. Vgl. dazu auch (BStBl 2016 II S. 828, Rz. 32).

10.2. Rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung

Die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 AO erstreckt sich bei den Bescheinigungen nach § 69 Abs. 1 SGB IX auf Art und Grad der festgestellten Behinderung (, BStBl 1988 II S. 436) sowie auf die zeitliche Geltung des Feststellungsbescheids. Die Feststellung der Behinderung wirkt im Regelfall ab Antragstellung; eine Rückwirkung kommt nur in Betracht, wenn diese ausdrücklich beantragt und festgestellt wurde.

Keine Grundlagenbescheide sind dagegen bloße Bescheinigungen über den Inhalt eines bereits ergangenen Feststellungsbescheides. Das gilt auch für einen nachträglich ausgestellten Schwerbehindertenausweis (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Er dient lediglich als Nachweis der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Pauschbetrages nach § 33b EStG (, BStBl 1990 II S. 60).

Enthält der Bescheid eine rückwirkende Feststellung des Grades der Behinderung, kommt eine Änderung nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass entweder die Regelfestsetzungsfrist (§§ 169, 170 AO) des betreffenden VZ oder die Zweijahresfrist des § 171 Abs. 10 AO (Ablaufhemmung) noch nicht abgelaufen ist. Dabei ist ausreichend, wenn der Steuerpflichtige seinen Änderungsantrag innerhalb der – ggf. nach § 171 Abs. 10 AO verlängerten – Festsetzungsfrist beim Finanzamt stellt. Durch den Änderungsantrag tritt dann ggf. gem. § 171 Abs. 3 AO eine weitere Ablaufhemmung ein.

Die Änderung ist für alle Kalenderjahre vorzunehmen, auf die sich der Grundlagenbescheid erstreckt (, BStBl 1991 II, 717). Dies gilt unabhängig davon, ob für diese Veranlagungszeiträume ein Antrag nach § 33b Abs. 1 EStG dem Grunde nach bereits gestellt worden ist. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die zu ändernden Einkommensteuerbescheide steht also einer Änderung nicht entgegen, wenn der Steuerpflichtige die Änderung innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe des entsprechenden Feststellungsbescheides beantragt.

Bayerisches Landesamt für Steuern v. - S 0353.1.1-2/3 St 42

Fundstelle(n):
JAAAG-59879