Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die —inzwischen geschiedenen— Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden für die Streitjahre 1987 bis 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger (Ehemann) schloss im Jahr 1987 mit der Firma Ambros S.A. (A) —einer Kapitalgesellschaft panamaischen Rechts, deren Verwaltungsrat seinen Sitz in Vaduz/ Liechtenstein hatte— zwei Verwaltungsverträge, aufgrund deren er der A Kapitalbeträge in Höhe von zusammen 50 000 DM überließ.
Die A stellte ihren Anlegern monatliche ”Renditen” von bis zu 6 % in Aussicht. In den Verwaltungsverträgen erklärten die Anleger, dass sie als Investoren dem Verwalter Eigenkapital in einer bestimmten Höhe zur Verfügung stellten und über den spekulativen Charakter der Kapitalanlagen einschließlich deren Risiken ausführlich aufgeklärt worden seien. Die Anleger hatten die Wahl zwischen einer monatlichen Wiederanlage der Gewinne und vierteljährlicher Gewinnausschüttung. In den zum Bestandteil der Verwaltungsverträge gewordenen —vorformulierten— Vertragsbedingungen heißt es u.a.:
”2.1 Der Verwalter kann die Anlagen mehrerer Investoren zu einheitlichen Transaktionen zusammenfassen, um Geschäfte an US-Börsen über einen oder mehrere Broker zu tätigen.
3.1 Getätigt werden überwiegend Stillhaltegeschäfte (z.T. folgt der Zusatz 'in Aktienindizes').
4.1 Die Anlagen haben spekulativen Charakter. Verluste können daher nicht ausgeschlossen werden ...
4.2 Das Kapital der Investoren wird mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verwaltet. Eine Garantie für die Erzielung eines bestimmten Anlageerfolges kann jedoch nicht übernommen werden.
5.2 Der Investor erhält 70 % des Netto-Wertzuwachses (z.T.: '80 % des Netto-Wertzuwachses').
7.2 Die Nettoergebnisse werden im monatlichen Kontoauszug mitgeteilt.
7.3 Eventuelle Verluste werden bis zu drei Monate vorgetragen.
8.1 Eine Kündigung ist vierteljährlich mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende möglich.
8.3 Das Guthaben wird per Scheck bis zum 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats an den Investor ausgezahlt.”
Aus den mit den gepoolten Kapitalbeträgen getätigten Spekulationsgeschäften erwirtschaftete die A zunächst —in der Zeit von Oktober 1986 bis September 1987— per Saldo Gewinne in Höhe von rd. 2 000 000 DM. Im Oktober 1987 verlor die A —in der Folge eines Börsencrashs— ihr gesamtes Anlagekapital (rd. 15 000 000 DM). Allein in diesem Monat erlitt die A einen Verlust in Höhe von rd. 19 000 000 DM. Dennoch wies sie auch für diesen Monat ihren Anlegern gegenüber eine ”Rendite” in Höhe von 3,8 % aus. In den Monaten November 1987 bis Juli 1988 gelang es der A sodann, per Saldo Gewinne in Höhe von ca. 35 000 000 DM zu erzielen, wodurch der Verlust des Monats Oktober 1987 ausgeglichen und darüber hinaus ein beträchtlicher Gewinn erwirtschaftet werden konnte. Auch in diesem Zeitabschnitt ergaben sich jedoch in einzelnen Monaten Verluste, die indessen wiederum gegenüber den Anlegern verheimlicht wurden. Nach außen wies die A stets positive Monatsergebnisse aus.
In der Folgezeit ging es dann stetig ”bergab”. In der Zeit von August 1988 bis zum Zusammenbruch der A im Januar 1991 wurden per Saldo Verluste in Höhe von insgesamt ca. 247 000 000 DM erzielt. Gleichwohl spiegelte die A den Anlegern stets Renditen vor, die —ebenso wie die angelegten Kapitalbeträge— auf Anforderung bzw. Kündigung bis zum prompt an die Anleger ausgezahlt wurden. Diese Auszahlungen wurden zunehmend im ”Schneeballsystem” aus den Kapitaleinlagen neu hinzugetretener Anleger bestritten. Zum Zusammenbruch des ”Schneeballsystems” kam es anlässlich des am erneut anstehenden Auszahlungstermins, zu dem rd. 78 000 000 DM benötigt wurden, jedoch nur noch ein Kapital von ca. 40 000 000 DM vorhanden war. Das Konkursverfahren über das (Inlands-)Vermögen der A wurde mangels Masse eingestellt.
Der Kläger erhielt auf seine Kapitaleinlagen in den Streitjahren ”Renditen” in Höhe von 6 588,17 DM (1987), 17 120,76 DM (1988) und 14 753,69 DM (1989) gutgeschrieben und ausgezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste die genannten Beträge in den Einkommensteueränderungsbescheiden 1987 bis 1989 vom als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Der Einspruch blieb erfolglos. Im anschließenden Klageverfahren erließ das FA betreffend die Streitjahre 1988 und 1989 erneute Einkommensteueränderungsbescheide, nachdem es erfahren hatte, dass auch der Klägerin (Ehefrau) aus zwei mit der A im Jahr 1988 geschlossenen Verwaltungsverträgen mit Kapitaleinlagen von zusammen 20 000 DM ”Renditen” in Höhe von 4 094 DM (1988) und 6 800 DM (1989) ausgezahlt worden sind. Diese erneuten Änderungsbescheide haben die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der die Kläger begehrten, die gesamten Ambros-"Renditen” von der Besteuerung auszunehmen, als unbegründet abgewiesen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1987 bis 1989 dahin gehend zu ändern, dass die zugeflossenen Ambros-"Renditen” nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, dass die von der A den Klägern in den Streitjahren gutgeschriebenen und ausgezahlten ”Renditen” als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen waren.
a) Die Rechtsverhältnisse zwischen der A und ihren Anlegern sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als typische stille Beteiligungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, erste Alternative EStG zu qualifizieren. Zur ausführlichen Begründung verweist der Senat auf seine Urteile vom VIII R 57/95 (BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, unter II. 1. a bis c der Gründe), VIII R 12/96 (BFHE 184, 34, BStBl II 1997, 761, unter II. 1. a bis c der Gründe) und VIII R 13/96 (BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 1. a bis c der Gründe).
b) Zu Unrecht meinen die Kläger, dass die streitigen ”Renditen” mangels Vorliegens von Einnahmen i.S. von § 8 Abs. 1 EStG und mangels deren Zuflusses i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen werden könnten.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) i.S. von § 11 Abs. 1 EStG dem Steuerpflichtigen zugeflossen, sobald dieser über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z.B. , BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen regelmäßig dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
bb) Im Streitfall hat das FG —für den erkennenden Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO)— festgestellt, dass sämtliche den Klägern in den Streitjahren gutgeschriebenen ”Renditen” im jeweils selben Jahr an die Kläger ausbezahlt wurden. Dann kann aber an einem Zufluss von Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG kein Zweifel bestehen (vgl. schon Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. a der Gründe).
cc) Der Zufluss von Einnahmen i.S. der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 EStG setzt allerdings voraus, dass beim Steuerpflichtigen eine Vermögensmehrung, d.h. eine objektive Bereicherung, eintritt (vgl. z.B. , BFH/NV 1988, 224, 225, m.w.N.). Auch dies trifft entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht im Streitfall zu. Durch die Auszahlung der ”Renditen” traten solche objektiven Bereicherungen der Kläger ein. Dem steht nicht entgegen, dass die A die in Rede stehenden Auszahlungen mit Mitteln bestritt, die ihr von anderen Anlegern oder gar von den Klägern selbst zur Verfügung gestellt worden waren. Woher die vom Schuldner zur Begleichung seiner (vermeintlichen) Verbindlichkeiten verwendeten, in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Geldmittel stammten, ist für die durch die Zahlung beim Empfänger eintretende objektive Bereicherung grundsätzlich ohne Belang (näher dazu Senatsurteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. b der Gründe, m.w.N.).
dd) Die in Rede stehenden ”Renditen” flossen den Klägern in den Streitjahren auch als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, erste Alternative EStG zu und bildeten nicht etwa nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen.
aaa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom VIII R 71/71 (BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848) entschieden hat, hängt die Frage, ob es sich bei der zu beurteilenden Leistung um eine Kapitalrückzahlung oder um ein Entgelt für die Kapitalüberlassung handelt, davon ab, bei welcher dieser Verpflichtungen der Leistungserfolg eingetreten ist. Diese Frage regelt das Steuerrecht nicht unmittelbar und muss mit Hilfe einer ergänzenden Heranziehung des bürgerlichen Rechts beantwortet werden. Danach steht das Leistungsbestimmungsrecht dem Schuldner zu (vgl. § 366 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Nach den Erklärungen der A sollten die streitigen Zahlungen auf die (vermeintlichen) Ansprüche der Kläger auf Gewinnbeteiligung geleistet werden, und so haben auch die Zahlungsempfänger die Leistungen tatsächlich aufgefasst.
bbb) Für die Zurechnung der zugeflossenen Beträge zu den steuerpflichtigen Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4, erste Alternative EStG ist ohne Belang, ob die A die an die Anleger ausgezahlten Renditen tatsächlich erwirtschaftet hatte und ob die Anleger einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf diese Gewinnanteile besaßen (vgl. schon Senatsurteil in BFH/NV 1988, 224, unter 2. a der Gründe). Entscheidend für die Besteuerung ist allein die wirtschaftliche Gestaltung, wie sie die Beteiligten unter sich gelten lassen (arg. § 41 der Abgabenordnung —AO 1977—; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848, unter 1. der Gründe; vom VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825, unter 2. der Gründe). Der Umstand, dass die A zur Zahlung der ”Renditen” mangels Erwirtschaftung von ”Nettowertzuwächsen” rechtlich nicht verpflichtet war, gewinnt allenfalls Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob die Anleger zivilrechtlich (vgl. § 812 Abs. 1 BGB) zur Rückzahlung der empfangenen Renditen angehalten werden konnten. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre (vgl. aber unten), würde dies dem Zufluss der ”Renditen” im Zeitpunkt ihrer Auszahlung auch dann nicht entgegengestanden haben, wenn es später tatsächlich zu einer Rückzahlung der Renditen gekommen wäre. Denn die Verwirklichung des Zuflusstatbestandes i.S. des § 11 Abs. 1 EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die Leistung (endgültig) behalten darf (statt vieler vgl. Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 11 EStG Rz. 18, m.w.N.). Vielmehr ist in solchen Fällen im Zeitpunkt der Rückzahlung eine negative Einnahme anzusetzen (vgl. z.B. Blümich/Glenk, a.a.O., § 11 EStG Rz. 22, m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Abgesehen davon hätte aber einem von der A auf § 812 Abs. 1 BGB gestützten Rückzahlungsbegehren § 814 BGB entgegengestanden, weil sie die ”Renditen” in bewusster Kenntnis ihrer Nichtschuld ausgezahlt hatte (vgl. dazu auch schon BFH-Urteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, unter II. 2. c, aa bis bb).
ee) Soweit die Kläger im Übrigen geltend machen, dass in der ”bloßen Ansammlung (sog. Thesaurierung) von Kapitalerträgen bei deren Schuldner” im Allgemeinen noch kein Zufluss gesehen werden könne und Entsprechendes auch dann gelte, wenn bei einer Gutschrift in den Büchern des Schuldners dieser ein (vertragliches) Leistungsverweigerungsrecht habe, kommt es darauf im Streitfall nicht an, weil —wie dargelegt— die gesamten ”Renditen” an die Kläger ausbezahlt wurden. Auch soweit sich die Kläger auf das (Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1124) berufen, vermag dies ihrem Begehren schon deswegen nicht zum Erfolg verhelfen, weil auch diese Entscheidung einen Fall betrifft, in dem —anders als im hier zu beurteilenden Sachverhalt— die Ambros-"Renditen” dem dortigen Kläger lediglich gutgeschrieben und von diesem ”stehen gelassen” und nicht von der A ausgezahlt wurden. Für den hier vorliegenden Fall der tatsächlichen Auszahlung der Scheinrenditen scheint auch das FG Nürnberg das Vorliegen von Einnahmen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht in Abrede stellen zu wollen. Falls dies dennoch zuträfe, könnte sich dem der Senat aus den dargelegten Gründen nicht anschließen. Abgesehen davon hat der erkennende Senat das zitierte Urteil des FG Nürnberg mit Urteil vom heutigen Tag VIII R 35/00 (Der Betrieb 2001, 1808) aufgehoben und die Klage des dortigen Klägers ebenfalls abgewiesen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1554 Nr. 12
OAAAA-67589