BVerwG Beschluss v. - 5 PKH 1/17 D

Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde

Gesetze: § 133 Abs 1 VwGO, § 84 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 84 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 84 Abs 3 VwGO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 4 A 4.16 Beschluss

Gründe

I

1Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom sowie den Gerichtsbescheid des Oberverwaltungsgerichts vom jeweils noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde, "Rechtsbeschwerde" und Revision.

2Der Kläger erhob am beim Oberverwaltungsgericht Klage auf Entschädigung wegen überlanger Dauer des unter dem Aktenzeichen VG 2 K 136.13 beim Verwaltungsgericht Berlin geführten Verfahrens und beantragte mit Schreiben vom für dieses Entschädigungsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das Oberverwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom abgelehnt und mit OVG 4 A 4.16 - die Entschädigungsklage abgewiesen sowie es abgelehnt, insoweit die Revision zuzulassen.

3Nach der Zustellung des Gerichtsbescheides stellte der Kläger mit Schreiben vom ein Ablehnungsgesuch gegen die an dem Gerichtsbescheid mitwirkenden Richter, einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und einen erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren über die Entschädigungsklage. Mit Beschluss vom hat das Oberverwaltungsgericht das Ablehnungsgesuch und den Antrag auf mündliche Verhandlung verworfen sowie den (erneuten) Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.

4Mit Schreiben vom hat der Kläger den streitgegenständlichen Prozesskostenhilfeantrag gestellt.

II

5Der Antrag des Klägers hat keinen Erfolg.

61. Die vom Kläger gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom beabsichtigte Rechtsverfolgung in Gestalt der Nichtzulassungsbeschwerde, Revision und Rechtsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

7a) Im Hinblick auf die gegen den Beschluss beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde ist zu differenzieren.

8Soweit sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die im Tenor des Beschlusses ausgesprochene Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs und die ausgesprochene Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags zu wenden beabsichtigt, sind die erforderlichen Erfolgsaussichten mangels Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zu verneinen. Denn das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ist nur gegeben, wenn die Zulassung der Revision gegen eine grundsätzlich revisionsfähige Entscheidung erstrebt wird. Der Revision unterliegen gemäß § 132 Abs. 1 VwGO nur Urteile und urteilsvertretende Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts. Um einen derartigen Beschluss handelt es sich bei dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht, soweit durch diesen das Ablehnungsgesuch des Klägers verworfen und dessen Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden sind. Diese Entscheidungen sind von Gesetzes wegen vielmehr unanfechtbar (vgl. § 146 Abs. 2, § 152 Abs. 1 VwGO).

9Soweit sich die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen die im Tenor des Beschlusses ausgesprochene Verwerfung des Antrags auf mündliche Verhandlung richten soll, kann offengelassen werden, ob die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung ausnahmsweise als statthaft anzusehen wäre. Dieses prozessrechtliche Prinzip betrifft vor allem die Wahl der falschen Entscheidungsform durch das Gericht. Es basiert auf der Überlegung, dass Fehler des Gerichts nicht zu Lasten der Beteiligten gehen dürfen. Insbesondere darf den Beteiligten nicht durch eine falsche Behandlung der Sache durch ein Gericht der Instanzenzug abgeschnitten werden (vgl. 3 C 26.89 - BVerwGE 89, 27 <29>; Beschluss vom - 3 C 32.97 - Buchholz 310 § 132 Abs. 1 VwGO Nr. 2 S. 2). Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Grundsatz hier anzuwenden ist, weil das Oberverwaltungsgericht den Weg in die Nichtzulassungsbeschwerde dadurch versperrt hat, dass es über den ohne Bevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO gestellten unzulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung möglicherweise zu Unrecht durch Beschluss entschieden hat (für eine Entscheidung durch Beschluss z.B.: - BFHE 103, 138 sowie Beschlüsse vom - VIII R 92/89 - BFH/NV 1996, 776 und vom - VII R 11/96 - NVwZ-RR 1998, 143; BS IV 135/97 - DVBl. 1998, 487; 34 X 163.02 - juris; VG Aachen, Beschluss vom - 4 K 1177/09 - juris; Geiger, in: Eyermann, 14. Aufl., 2014, § 84 Rn. 21; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl., 2014, § 84 Rn. 18; für eine Entscheidung durch Urteil z.B.: - BFHE 134, 216 und vom - V R 12/04 - BFHE 212, 411; - DÖV 1981, 639; - ESVGH 28, 220; .A - juris; - juris; M 4 K 07.2503 - juris; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2016, § 84 Rn. 43; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 84 Rn. 39). Denn die Nichtzulassungsbeschwerde wäre in jedem Fall deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil der Kläger - was erforderlich gewesen wäre - innerhalb der für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht wenigstens in groben Zügen dargelegt hat, welcher der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Gründe für eine Zulassung der Revision mit der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden soll (vgl. 5 PKH 12.15 D - juris Rn. 2 m.w.N.). Seine nicht näher erläuterte Behauptung, "über Klagen wird nach mündlicher Verhandlung, die beantragt war" entschieden, sowie der Verweis auf die von ihm zitierte Rechtsprechung genügen hierfür nicht.

10b) Die vom Kläger beabsichtigte Revision hat deshalb keine Erfolgsaussicht, weil der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, soweit mit ihm über das Ablehnungsgesuch und den Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden ist - wie dargelegt - bereits nicht zu den gemäß § 132 Abs. 1 VwGO revisionsfähigen Entscheidungen gehört. Die beabsichtigte Revision gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, den Antrag auf mündliche Verhandlung zu verwerfen, bietet ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es fehlt in jedem Fall an der erforderlichen Zulassung. Eine solche kommt aus den vorgenannten Gründen selbst dann nicht in Betracht, wenn sich die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde hier ausnahmsweise aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung herleiten ließe.

11c) Die gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beabsichtigte "Rechtsbeschwerde" bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil gegen Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe, die - wie die durch Beschluss vom getroffenen Entscheidungen - in allgemeinen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten erlassen werden, keine Rechtsbeschwerde statthaft ist.

122. Auch die vom Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Oberverwaltungsgerichts vom beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde, Revision und Rechtsbeschwerde haben keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

13a) Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Gerichtsbescheid des Oberverwaltungsgerichts wäre bereits deshalb unzulässig, weil eine solche gegen einen Gerichtsbescheid eines - im ersten Rechtszug entscheidenden - Oberverwaltungsgerichts nicht (mehr) statthaft ist, sobald der Gerichtsbescheid - wie hier - mangels eines rechtzeitig gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung als Urteil wirkt (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO) und das Verfahren rechtskräftig abschließt. Das ergibt sich aus § 84 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wonach die Beteiligten nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids wählen können, ob sie gegen diesen Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen (vgl. für die vergleichbare Konstellation im finanzgerichtlichen Verfahren - BFH/NV 2003, 336).

14b) Die Revision gegen den Gerichtsbescheid wäre schon deshalb unzulässig, weil sie weder vom Oberverwaltungsgericht im Gerichtsbescheid noch vom Bundesverwaltungsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zugelassen wurde. Letzteres ist aus den vorstehenden Gründen auch nicht mehr möglich.

15c) Bezüglich der beabsichtigten "Rechtsbeschwerde" wird auf die vorstehenden Ausführungen über ihre fehlenden Erfolgsaussichten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom verwiesen. Diese gelten bezüglich des Gerichtsbescheides entsprechend.

163. Für das Prozesskostenhilfeverfahren werden grundsätzlich keine Gerichtsgebühren erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:150817B5PKH1.17D0

Fundstelle(n):
WAAAG-57160