BFH Beschluss v. - VIII B 22/00

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unzulässig, da die Klägerin einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend bezeichnet bzw. dargelegt hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

a) Macht ein Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so ist nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich, dass er die Rechtsfrage bezeichnet und des Weiteren substantiiert und konkret angibt, aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und klärungsfähig sein soll (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 114/98, BFH/NV 1999, 1313; vom X B 155/94, BFH/NV 1995, 708). Die Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von der Rechtsfrage abhängt und die Rechtsfrage damit für das Revisionsverfahren nicht von Bedeutung sein kann (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozess, 1986 Rz. 149).

b) Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft, ob eine von der Finanzverwaltung verursachte mehrjährige Verfahrensverzögerung zur Umkehr der Beweislast für den Nachweis von Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führe, wenn der Kläger und Hauptakteur sowie wichtige Zeugen zwischenzeitlich verstorben seien bzw. sich an einzelne Sachverhalte nicht mehr erinnern könnten, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage und an einer Darlegung des Allgemeininteresses an der Klärung dieser Rechtsfrage.

aa) Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, inwieweit im Revisionsverfahren die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage geklärt werden könnte, da die Klägerin die von ihr behauptete Verzögerung im Steuerfestsetzungs- und Einspruchsverfahren durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) nicht schlüssig dargelegt hat. Eine Verzögerung setzt voraus, dass ein Verfahren unangemessen lange betrieben wird, ohne dass dies durch einen sachlichen Grund, etwa durch die Schwierigkeit der jeweiligen Rechtsmaterie bzw. des einzelnen Falls oder durch das Verhalten der Beteiligten, gerechtfertigt werden könnte (vgl. zur Verzögerung im finanzgerichtlichen Verfahren: , BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407, unter 2. a der Gründe, m.w.N.). Angesichts der Komplexität des hier zu entscheidenden Streitfalls ist eine unangemessen lange Dauer des Steuerfestsetzungs- und Einspruchsverfahrens, das sich vom Dezember 1991 bis zum Jahr 1996 erstreckte und das die steuerliche Behandlung von Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) in den Veranlagungszeiträumen 1986 bis 1991 betraf, nicht ersichtlich. Den streitigen Leistungen lagen vielfältige vertragliche Beziehungen innerhalb einer Firmengruppe, an der die Klägerin bzw. ihr verstorbener Ehemann beteiligt waren, sowie zu außenstehenden Unternehmen, die u.a. in Italien und in der Schweiz ansässig waren, zu Grunde. Der für die Steuerfestsetzung maßgebliche Sachverhalt wurde vom FA im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung festgestellt, in deren Verlauf —wie die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung selbst ausführt— ca. 2 000 Akten auszuwerten waren. Angesichts des Umfangs des streitigen Zeitraums und der vorstehend beschriebenen Komplexität des Streitfalls, die auch durch den Umfang des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts —FG— (73 Seiten) verdeutlicht wird, ist die von der Klägerin behauptete mehrjährige Verfahrensverzögerung durch das FA nicht ersichtlich.

Die Klärungsfähigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage wird auch nicht durch ihr Vorbringen, das FA habe zu Unrecht einen am gestellten Antrag auf Einsichtnahme in die Akten des Betriebsprüfers verweigert, dargelegt. Selbst wenn der Antrag der Klägerin zu Unrecht vom FA abgelehnt worden sein sollte —wofür die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung jedoch nichts vorgetragen hat—, könnte sich eine hieraus resultierende Verfahrensverzögerung bereits deswegen nicht auf die Beweislastverteilung auswirken, weil sowohl der Ehemann der Klägerin als auch der von ihr benannte Zeuge X bereits zuvor —nämlich am bzw. am — verstorben waren.

bb) Im Übrigen fehlt es an einer Darlegung des Allgemeininteresses an der Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage. Das Vorbringen der Klägerin —jährlich würden Millionen außergerichtliche Rechtsbehelfe anhängig, deren Bearbeitung auf sich warten ließe— entspricht nicht den unter 1. a der Gründe genannten Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.

b) Die weitere von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob durch das (BFHE 156, 155, BStBl II 1989, 522) eine Änderung des Begriffs der vGA i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG eingetreten sei, lässt gleichfalls nicht die Klärungsfähigkeit im Revisionsverfahren erkennen. Die Klägerin hat insoweit nicht begründet, weshalb es im Streitfall auf die Klärung dieser Rechtsfrage ankäme.

2. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)

Die von der Klägerin behauptete Abweichung der angefochtenen Entscheidung des FG von dem (BFH/NV 1995, 2) ist nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise bezeichnet worden. Denn zur Bezeichnung der Divergenz i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer die abstrakten Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und der Divergenzentscheidung des BFH so genau benennt, dass eine Abweichung im vorstehend genannten Sinne erkennbar wird (vgl. , BFH/NV 1997, 490). An einer derartigen Benennung der abstrakten Rechtsätze fehlt es aber in der Beschwerdebegründung.

3. Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

a) Mit ihrer Rüge der mangelhaften Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) macht die Klägerin geltend, dass das FG die als Zeugen angebotenen ”Bankenvertreter” sowie die als Zeugen benannten Frau W und Herrn Rechtsanwalt und Notar G nicht vernommen habe.

aa) Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, dass das FG angebotene Beweise nicht erhoben habe, so setzt die schlüssige Bezeichnung dieses Verfahrensmangels voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt: a) die ermittlungsbedürftigen Tatsachen; b) die angebotenen Beweismittel und die Angabe des Beweisthemas; c) die genauen Fundstellen in den Schriftsätzen oder Protokollen, in denen die Beweismittel und -themen aufgeführt worden sind; d) das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme; e) inwieweit die angefochtene Entscheidung des FG unter Zugrundelegung dessen materiell-rechtlicher Auffassung auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann und f) dass die Nichterhebung der Beweise —sofern der Beschwerdeführer im finanzgerichtlichen Verfahren sachkundig vertreten war— rechtzeitig gerügt worden ist oder auf Grund des Verhaltens des FG nicht mehr rechtzeitig gerügt werden konnte (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777, unter 2. c der Gründe; vom VII B 244/99, BFH/NV 2000, 872; Herrmann, a.a.O., Rz. 226).

bb) Hinsichtlich der gerügten Nichtvernehmung des G entspricht die Beschwerdebegründung nicht den vorstehend genannten Anforderungen. Die Klägerin hat insbesondere weder die genauen Fundstellen bezeichnet, in denen der G als Zeuge sowie das Beweisthema aufgeführt worden sind, noch hat sie das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme genannt oder dargelegt, dass sie —obwohl im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten— die Nichterhebung des Beweises gerügt hat bzw. auf Grund des Verhaltens des FG nicht mehr rechtzeitig hat rügen können.

cc) Bezüglich der Nichtvernehmung der W und der im Ausland ansässigen Bankenvertreter ist die Rüge der Klägerin zwar nicht bereits deshalb unschlüssig, weil die Klägerin die genauen Fundstellen in den Schriftsätzen oder Protokollen, in denen die Beweismittel und -themen aufgeführt worden sind, nicht bezeichnet hat. Da das FG in seinem Urteil selbst begründet hat, weshalb es von der Vernehmung der Bankenvertreter und der W abgesehen hat, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen insoweit aus dem Urteil selbst. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH würde die Forderung nach einer erneuten Bezeichnung dieser Tatsachen in der Beschwerdebegründung eine unnötige Förmelei darstellen, so dass insoweit die schlichte Rüge der Nichtvernehmung den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, die auch für die auf einen Verfahrensmangel gestützte Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO maßgeblich sind, entspricht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597; vom VIII B 21/97, BFH/NV 1998, 975, jeweils m.w.N.).

Allerdings hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung auch insoweit nicht dargelegt, dass sie die Nichterhebung der Beweise vor dem FG durch ihren fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt habe oder dass ihr dies auf Grund des Verhaltens des FG nicht möglich gewesen sei. Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Beachtung der Beteiligte verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung), muss im Revisionszulassungsverfahren grundsätzlich vorgetragen werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb dem Beteiligten die Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2000, 597; vom I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580). An diesem Begründungserfordernis ändert sich nichts, wenn das FG die Erhebung eines angebotenen Beweises in seinem Urteil zwar ausdrücklich ablehnt, aber —wie im Regelfall— keine Ausführungen zum Nichteintritt des Rügeverlustes macht (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 597). In diesem Fall kann das Revisionsgericht nämlich allein anhand der angefochtenen Entscheidung nicht erkennen, ob der Beschwerdeführer sein Rügerecht wahrgenommen hat oder auf Grund des Verhaltens des FG nicht hat wahrnehmen können.

b) Die von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist nicht schlüssig erhoben worden, da die Klägerin nicht dargelegt hat, was sie bei ausreichendem rechtlichen Gehör im Einzelnen vorgetragen hätte (vgl. , BFH/NV 1999, 970, unter 1. der Gründe) und weshalb keine Möglichkeit bestanden hat, die Verletzung des rechtlichen Gehörs schon im Verfahren vor dem FG zu rügen (vgl. , BFHE 102, 202, BStBl II 1971, 591).

4. Im Übrigen ergeht der Beschluss nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NAAAA-67533