Instanzenzug: Az: 6 Ca 314/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 5 Sa 375/12 Urteilnachgehend Az: 2 BvR 2293/17 Nichtannahmebeschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Vergütung der Klägerin durch griechische Gesetze gekürzt worden ist.
2Die beklagte Republik Griechenland betreibt in N eine nach bayerischem Schulrecht als Ersatzschule genehmigte private Grund- und Teilhauptschule. An dieser ist die Klägerin als Lehrerin beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Formulararbeitsvertrag vom , in dem es auszugsweise heißt:
3Am schlossen die Parteien eine „Nachtragsvereinbarung“, die lautet:
4Die monatliche Vergütung der Klägerin betrug bis September 2010 3.186,92 Euro brutto. Abrechnungen des gezahlten Arbeitsentgelts nach § 108 GewO erteilte ihr die Beklagte nicht.
5Die Republik Griechenland erließ aufgrund der mit der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) getroffenen Vereinbarungen ua. das Gesetz Nr. 3833/2010 über dringende Maßnahmen zur Bewältigung der Krise der Staatsfinanzen, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 40 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes enthält es ua. folgende Regelungen:
6Darüber hinaus erließ die Republik Griechenland das Gesetz Nr. 3845/2010 über Maßnahmen für die Anwendung des Stützungsmechanismus für die griechische Wirtschaft von Seiten der Mitgliedsländer der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds, das in den hier wiedergegebenen Teilen zum in Kraft gesetzt wurde (Regierungsblatt der Republik Griechenland Teil I Blatt Nr. 65 vom ). Nach der dem Berufungsgericht vorgelegten Übersetzung des Normtextes heißt es in diesem ua.:
7Die Beklagte kürzte unter Berufung auf die vorgenannten Gesetze für die Zeit ab Oktober 2010 die Vergütung der Klägerin einschließlich der Jahressonderzuwendungen.
8Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit der am eingereichten und mehrfach erweiterten Klage für den Zeitraum Oktober 2010 bis September 2012 die Differenz zwischen der arbeitsvertraglich vereinbarten und der tatsächlich gezahlten Vergütung verlangt. Sie hat gemeint, die griechischen Gesetze könnten den Inhalt ihres in Deutschland zu erfüllenden, deutschem Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht ändern. Die Beklagte habe ihr für die geleisteten Zahlungen Abrechnungen nach § 108 GewO zu erteilen.
9Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Klage sei unzulässig, weil sie wegen ihrer Staatenimmunität nicht vor deutschen Gerichten verklagt werden könne. Die Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 wirkten unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin ein und führten ohne jeden weiteren Umsetzungsakt zu einer Verminderung ihrer Vergütung. Zudem finde der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsverhältnis sowie § 108 GewO auf ausländische Staaten keine Anwendung.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Senat hat mit Beschluss vom das Revisionsverfahren bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsersuchens durch den Gerichtshof der Europäischen Union im Rechtsstreit Republik Griechenland ./. Nikiforidis (Beschluss vom - 5 AZR 962/13 (A) - BAGE 151, 75) ausgesetzt.
Gründe
12Die Revision ist unbegründet. Die Klage ist zulässig und in dem in die Revisionsinstanz gelangten Umfang begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt.
13I. Die Klage ist zulässig.
14Die beklagte Republik Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Staatenimmunität. Das hat der Senat in einem Parallelverfahren für Lehrkräfte, die an der Ersatzschule der Beklagten in N im Rahmen von Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, in seinem am heutigen Tag ergangenen Urteil ( - Rn. 15 ff.), auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, entschieden.
15II. Die Klage ist begründet.
161. Die griechischen Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 haben die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung der Klägerin nicht gekürzt. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte Senatsentscheidung verwiesen ( - Rn. 25 ff.). Dementsprechend steht der Klägerin die Differenz zwischen der vereinbarten und der von der Beklagten tatsächlich gezahlten Vergütung zu. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem TV-L in seiner jeweiligen Fassung bestimmt. Dass dem Berufungsgericht bei der Berechnung der Entgeltdifferenzen Fehler unterlaufen sind, wird von der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. den Fälligkeitsregeln des § 24 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV-L.
172. Die Klägerin hat für das gezahlte Arbeitsentgelt Anspruch auf Abrechnungen nach § 108 Abs. 1 GewO (vgl. - Rn. 45 ff.).
18III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:260417.U.5AZR741.16F.0
Fundstelle(n):
BAAAG-56224