MLI Artikel 10

Teil III: Abkommensmissbrauch

Artikel 10 Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten

(1) Wenn

  1. ein Unternehmen eines Vertragsstaats eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat bezieht und der erstgenannte Vertragsstaat diese Einkünfte als Einkünfte betrachtet, die einer in einem Drittstaat oder -gebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens zugerechnet werden können, sowie

  2. die Gewinne, die dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können, im erstgenannten Vertragsstaat von der Steuer befreit sind,

gelten die Vergünstigungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens nicht für Einkünfte, auf die im Drittstaat oder -gebiet weniger als 60 Prozent der Steuer erhoben wird, die im erstgenannten Vertragsstaat von diesen Einkünften erhoben würde, wenn diese Betriebsstätte im erstgenannten Vertragsstaat gelegen wäre. In diesem Fall können Einkünfte, für die dieser Absatz gilt, ungeachtet der sonstigen Bestimmungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens weiterhin nach dem innerstaatlichen Recht [1] des anderen Vertragsstaats besteuert werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die in Absatz 1 beschriebenen Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat im Zusammenhang mit einer durch die Betriebsstätte aktiv ausgeübten Geschäftstätigkeit bezogen werden oder mit einer solchen Geschäftstätigkeit verbunden sind (mit Ausnahme der Vornahme, der Verwaltung oder des bloßen Besitzes von Kapitalanlagen für eigene Rechnung des Unternehmens, es sei denn, es handelt sich dabei um Bank-, Versicherungs- oder Wertpapiergeschäfte einer Bank, eines Versicherungsunternehmens beziehungsweise eines zugelassenen Wertpapierhändlers).

(3) Werden Vergünstigungen nach einem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen in Bezug auf bestimmte Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person aufgrund des Absatzes 1 versagt, so kann die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats diese Vergünstigungen gleichwohl für diese Einkünfte gewähren, wenn diese zuständige Behörde auf einen Antrag dieser ansässigen Person hin feststellt, dass die Gewährung dieser Vergünstigungen angesichts der Gründe, aus denen diese ansässige Person die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 nicht erfüllt hat, gerechtfertigt ist. Die zuständige Behörde des Vertragsstaats, bei der eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person nach Satz 1 einen Antrag gestellt hat, konsultiert die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaats, bevor sie dem Antrag stattgibt oder ihn ablehnt.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten anstelle oder in Ermangelung von Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, nach denen Vergünstigungen versagt oder eingeschränkt werden, die einem Unternehmen eines Vertragsstaats, das Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat bezieht, die einer in einem Drittstaat oder -gebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens zugerechnet werden können, anderenfalls gewährt würden.

(5) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten,

  1. dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt;

  2. dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, die bereits die in Absatz 4 beschriebenen Bestimmungen enthalten;

  3. dass dieser Artikel nur für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, die bereits die in Absatz 4 beschriebenen Bestimmungen enthalten.

(6) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens, die nicht den Vorbehalt nach Absatz 5 Buchstabe a oder b angebracht hat, notifiziert dem Verwahrer, ob ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen jeweils eine in Absatz 4 beschriebene Bestimmung enthalten, und, sofern dies der Fall ist, jeweils die Nummer des Artikels und des Absatzes dieser Bestimmung. Haben alle Vertragsstaaten eine entsprechende Notifikation in Bezug auf eine Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens abgegeben, so wird diese durch die Absätze 1 bis 3 ersetzt. Anderenfalls gehen die Absätze 1 bis 3 den Bestimmungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens nur insoweit vor, als diese mit den genannten Absätzen unvereinbar sind.

Fundstelle(n):
zur Änderungsdokumentation
LAAAG-55976

1Anm. d. Übers.: im Fall von Gebieten oder Hoheitsgebieten hier und im Folgenden: internen Recht.