Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Finanzgericht (FG) dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in sieben Verfahren aufgegeben, einen Bevollmächtigten zu bestellen, und ihn in diesen Verfahren als Bevollmächtigten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zurückgewiesen. Nach Auffassung des FG ist der Kläger zu einem geeigneten schriftlichen Vortrag nicht fähig. Aufgrund seiner beruflichen Arbeitsbelastung und der Vielzahl der beim FG und beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) betriebenen Verfahren, in denen der Kläger grundsätzlich auch als Bevollmächtigter der Klägerin auftrete, sei mit einem das Verfahren fördernden, zeitnahen und sachgerechten Vortrag des Klägers nicht zu rechnen.
Im Einzelnen führte das FG dazu aus: Der Kläger sei leitender Angestellter eines größeren Unternehmens und für dieses arbeitstäglich nach eigenen Angaben durchschnittlich 19,5 Stunden, einschließlich aller freien Tage über 13 Stunden täglich tätig. Er betreibe derzeit gemeinsam mit der Klägerin beim FG 43 Klageverfahren und 4 Verfahren in Gerichtskostensachen. In 2 weiteren Verfahren sei er alleiniger Kläger, ebenso in 2 weiteren Gerichtskostensachen. Ferner habe er nach eigenen Angaben seit Jahresanfang etwa 200 Steuerverwaltungsakte zu bearbeiten und über 70 von ihm als ”Steuerpflichtigen-Fronausarbeitungen” bezeichnete Steuererklärungen abzugeben. All dies habe zur Folge, dass er seine Verfahren nicht wirklich betreiben könne und sich seine umfangreichen Schriftsätze in den 7 streitgegenständlichen Verfahren in der Angabe der vorsorglichen Klageerhebung und der Bitte um Fristverlängerungen erschöpften.
Nachdem das FG nach fruchtlosem Ablauf der zunächst gewährten Klagebegründungsfristen dem Kläger in 6 der 7 Verfahren eine Ausschlussfrist bis zum zur Bezeichnung des Gegenstandes des jeweiligen Klagebegehrens gesetzt hatte, bat der Kläger unter Hinweis auf seine berufliche Arbeitsbelastung und die Belastung durch die Vielzahl der Verfahren erneut darum, diese Klagen jeweils bis zum Ende der Monate Juni bis November 2000 (also eine Klagebegründung pro Monat) abgeben zu dürfen. Es stünden ihm für diese Arbeiten nur die Abende der Samstage, Sonntage und der Feiertage zur Verfügung. Äußerstenfalls bitte er um Fristverlängerung bis Ende Juli 2000, da er frühestens dann Gelegenheit habe, Urlaub bei seinem Arbeitgeber beantragen zu können.
Das FG war der Auffassung, aufgrund dieses erneuten Vortrags des Klägers sei nicht damit zu rechnen, dass er auch innerhalb der erbetenen Fristverlängerungen die Klagebegründungen fertigen werde, soweit dies zur Bezeichnung des Streitgegenstandes erforderlich sei. Es hielt den Kläger aufgrund seiner beruflichen Belastung an einer sorgfältigen Prozessführung für dauernd gehindert und hob gleichzeitig mit Erlass der angefochtenen Anordnungen die Setzung der Ausschlussfristen auf, um dem Kläger zunächst Gelegenheit zu geben, einen geeigneten Bevollmächtigten zur gerichtlichen Vertretung zu finden.
Mit der eingelegten Beschwerde beantragen die Klägerin und der Kläger, die Anordnungen des FG, einen Bevollmächtigten zu bestellen und den Kläger als Bevollmächtigten der Klägerin zurückzuweisen, aufzuheben. Sie tragen vor, die Anordnung, einen Bevollmächtigten oder Beistand hinzuzuziehen, diene primär der Fürsorge für einen nicht geschäftsgewandten Beteiligten. Davon könne beim Kläger in Anbetracht seiner beruflichen Stellung nicht die Rede sein. Aus der Begründung des Beschlusses sei auch nicht ersichtlich, dass ihm die Fähigkeit zum geeigneten schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehle und somit das Interesse an einer geordneten Rechtspflege tangiert sei. Weder die gestellten Fristverlängerungsanträge noch die Anzahl der anhängig gemachten Verfahren dürfe als Erwägung dafür herangezogen werden, dass der Kläger sich nicht selbst vertreten könne. Um die Verfahren zu beschleunigen, seien Präklusionsfristen vorgesehen. Jedenfalls aber hätte das FG das schließliche Angebot des Klägers, bis spätestens Ende Juli 2000 die erforderlichen Anträge und Begründungen einzureichen, annehmen müssen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dabei ausgeführt, auf die Geschäftsgewandtheit des Klägers komme es nicht an; entscheidend für die gerichtlichen Anordnungen sei allein die Belastung des Klägers durch seinen Beruf und durch die zahlreichen Verfahren gewesen, so dass es keine erfolgversprechende Möglichkeit gesehen habe, die anhängigen Verfahren durch prozessleitende Verfügungen zu fördern. Solche ergingen bei der üblichen Arbeitsweise des Senats sinnvollerweise frühestens nach Bezeichnung der jeweiligen Streitgegenstände, um die Sachverhalte zu verdeutlichen oder um der weiteren Aufklärung zu dienen bzw. rechtliche Hinweise zu geben.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das FG durch Beschluss anordnen, dass ein Bevollmächtigter bestellt oder ein Beistand hinzugezogen werden muss. Die Anordnung liegt im Ermessen des Gerichts (vgl. , BFHE 88, 72, BStBl III 1967, 289). Sie setzt voraus, dass der Beteiligte selbst nicht in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen. Diese Voraussetzung ist nicht nur erfüllt, wenn dem Beteiligten die Fähigkeit zum schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehlt, er also nicht geschäftsgewandt ist, sondern auch dann, wenn andere in der Person des Beteiligten liegende Umstände erwarten lassen, dass der Rechtsstreit nicht einwandfrei und sachgerecht abgewickelt werden kann, z.B. also auch eine Berufstätigkeit, die den Beteiligten häufig an der Wahrnehmung von Terminen hindert (vgl. , BFHE 113, 267, BStBl II 1975, 17), oder eine fortdauernde Auslandsansässigkeit (, BFH/NV 1989, 515).
Im Streitfall sieht der Senat keinen Anlass, die vom FG getroffenen Anordnungen zu beanstanden. Das FG konnte wegen der starken beruflichen Belastung des Klägers einerseits, auf die dieser in seinen umfänglichen Schriftsätzen wiederholt hingewiesen hatte, und in Anbetracht der Vielzahl der von diesem zu führenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren andererseits davon ausgehen, dass der Kläger nicht in der Lage sein wird, in der für ein zügiges Prozessverfahren erforderlichen Weise am weiteren Fortgang der hier betroffenen 6 Verfahren mitzuwirken und dabei insbesondere die ihm vom Gericht zur Begründung der Klage gesetzten Fristen einzuhalten. Dokumentiert wird dies insbesondere durch das Ansinnen des Klägers, trotz der ihm nach Ablauf der jeweils gewährten Fristen zur Klagebegründung gesetzten Ausschlussfrist bis zum die erforderlichen Darlegungen (u.a. Angabe des Gegenstands des jeweiligen Klagebegehrens) in den folgenden 6 Monaten sozusagen in Raten jeweils zum Monatsende abgeben zu dürfen. Der Senat teilt die Einschätzung des FG, dass unter den bezeichneten Umständen die anhängigen Rechtstreite nicht einwandfrei und sachgerecht abgewickelt werden könnten.
Zwar sieht § 65 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 FGO letztlich die Setzung einer Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens vor mit der Folge, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist, wenn diese Frist nicht eingehalten wird. Es kann dem FG aber nicht vorgehalten werden, dass es diesen Weg nicht konsequent zu Ende gegangen ist. Hat das FG, wie im Streitfall, erkannt, dass der Kläger wegen starker beruflicher Inanspruchnahme und seiner mannigfachen Mitwirkungspflichten in einer Vielzahl von in eigener Person geführten Gerichts- und Verwaltungsverfahren die Ausschlussfrist nicht wird einhalten können, so stellt es jedenfalls das mildere Mittel dar, wenn das FG, statt die Klagen bei Versäumung der gesetzten Frist als unzulässig abzuweisen, dem Kläger aufgegeben hat, einen Bevollmächtigten zu bestellen. Denn damit wird ihm die Möglichkeit offen gehalten, doch noch den begehrten Rechtsschutz zu erreichen. Überschneiden sich die tatbestandlichen Anwendungsbereiche von § 65 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO, so liegt es innerhalb des vom FG auszuübenden Ermessens zu entscheiden, welchen dieser Wege es einschlagen will, um einen zügigen Fortgang des Verfahrens zu gewährleisten.
2. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO können vorbehaltlich der im zweiten Halbsatz dieser Vorschrift bezeichneten Ausnahmen Bevollmächtigte oder Beistände, denen die Fähigkeit zum geeigneten schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehlt, zurückgewiesen werden. Hiervon ist nicht nur dann auszugehen, wenn die Unfähigkeit auf geistigen oder körperlichen Mängeln beruht, sondern auch dann, wenn ein Bevollmächtigter oder Beistand zu erkennen gibt, dass er auf unabsehbare Zeit die Rechte seines Auftraggebers nicht wahrnehmen kann. Denn der Bevollmächtigte ist in beiden Fällen gleichermaßen außerstande, seinen Auftrag zu erfüllen und an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens mitzuwirken (vgl. , BFHE 142, 355, BStBl II 1985, 215).
Im Streitfall ist der Kläger nach den Ausführungen zu 1. wegen beruflicher Überlastung außerstande, seinen eigenen gerichtlichen Angelegenheiten ordnungsgemäß nachzukommen. Hinsichtlich der Vertretung, die er in diesen Verfahren für die Klägerin übernommen hat, kann dann nichts anderes gelten. Daher ist auch die Entscheidung des FG, den Kläger als Bevollmächtigten der Klägerin zurückzuweisen, nicht zu beanstanden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 335 Nr. 3
EAAAA-67361