BGH Beschluss v. - III ZR 440/16

Haftung des gerichtlichen Sachverständigen: Einholung eines Privatgutachtens als "Rechtsmittel"

Leitsatz

Die Einholung eines Privatgutachtens zählt nicht zu den "Rechtsmitteln" im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB.

Gesetze: § 839 Abs 3 BGB, § 839a Abs 2 BGB

Instanzenzug: OLG Celle Az: 4 U 102/13 Urteilvorgehend Az: 2 O 1/13

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt den Beklagten, einen Facharzt für Psychiatrie, unter dem Vorwurf der Erstattung eines fehlerhaften Gerichtsgutachtens gemäß § 839a BGB auf Schadensersatz in Anspruch. Das Gutachten erstattete der Beklagte in einem Zivilprozess des Klägers gegen ein Versicherungsunternehmen, in dem es um die Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ging und der für den Kläger ohne Erfolg blieb.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

41. Soweit das Berufungsgericht - jedenfalls - ein grobes Verschulden des Beklagten im Sinne von § 839a Abs. 1 BGB verneint hat, lässt dies einen Grund zur Zulassung der Revision nicht erkennen. Der Senat sieht von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.

52. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die - vom Berufungsgericht offen gelassene - Frage, ob die Haftung des Beklagten wegen schuldhaften Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels nach § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, nicht entscheidungserheblich an. Ein Revisionszulassungsgrund ist insoweit nicht gegeben. Allerdings sieht der erkennende Senat Anlass für den Hinweis, dass die Auffassung des Berufungsgerichts (dessen Entscheidung unter anderem in MDR 2016, 1203 veröffentlicht worden ist), wonach die Einholung eines Privatgutachtens als "Rechtsmittel" im Sinne dieses Haftungsausschlusses anzusehen sei, von Rechtsfehlern beeinflusst ist.

6a) Als "Rechtsmittel" kommen zwar auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, oder an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO (Senat, Beschluss vom - III ZB 14/06, NJW-RR 2006, 1454, 1455 Rn. 11 und Urteil vom - III ZR 240/06, BGHZ 173, 98, 100 f Rn. 8).

7b) Nicht unter die "Rechtsmittel" im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB fällt indessen die Einholung eines Privatgutachtens, um Einwände gegen ein beanstandetes gerichtliches Sachverständigengutachten zu substantiieren (so auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rn. 67 [Stand: ]; Staudinger/Wöstmann, BGB [2013], § 839a Rn. 27 mwN aus dem Schrifttum; wohl auch MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 40; a.A. OLG Celle, DS 2012, 82, 83; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom - 3 O 3620/12, BeckRS 2014, 15746). Zwar mag die Einholung und Vorlage eines Privatgutachtens die Aussicht dafür erhöhen, dass das Prozessgericht einem Antrag auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens Folge leistet (OLG Celle aaO S. 83 f; LG Nürnberg-Fürth aaO). Eine nicht sachkundige Partei ist jedoch generell nicht verpflichtet, zur Substantiierung ihrer Einwendungen gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten einen Privatgutachter zu konsultieren (, NJW 2003, 1400 f; vom - VI ZR 270/04, NJW 2006, 152, 154 Rn. 15 und vom - VI ZR 259/06, NJW 2008, 2846, 2849 Rn. 27; s. auch Dörr aaO; Wagner aaO). Dementsprechend kann es ihr nicht im Sinne von § 839a Abs. 2, § 839 Abs. 3 BGB anspruchsausschließend zur Last fallen, wenn sie dies unterlassen hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:270717BIIIZR440.16.0

Fundstelle(n):
UAAAG-53604