BFH Urteil v. - V R 37/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in U als Einzelunternehmer eine Fabrik. Zugleich ist er Kommanditist der T-KG mit Sitz in Berlin, einziger Gesellschafter der Komplementär GmbH und deren Geschäftsführer. Die KG lieferte von ihr gefertigte Stoffe an den Kläger. Für diese Umsätze machte der Kläger in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1990 gemäß § 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung einen Kürzungsbetrag in Höhe von 4,2 v.H. des Entgelts geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) folgte zunächst im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr den Angaben des Klägers.

Anlässlich einer Außenprüfung beim Kläger ergab sich, dass dieser im Rahmen der Abschlussarbeiten für die Bilanz zum eine Einlage von 400 000 DM zu Lasten der Verbindlichkeiten gegenüber der KG —und dementsprechend bei der KG zu Lasten der Forderungen gegenüber seinem (des Klägers) Einzelunternehmen eine Entnahme— gebucht hatte. Das FA vertrat zunächst die Auffassung, der Forderungsverzicht der KG sei im Jahr 1989 zu berücksichtigen; dieser mindere beim Kläger die Bemessungsgrundlage für den Kürzungsanspruch gemäß § 2 i.V.m. §§ 7 und 11 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG um 350 877,20 DM (400 000 DM ./. enthaltener Vorsteuer 49 122,80 DM) und die abziehbaren Vorsteuerbeträge um 49 122,80 DM.

Diese Änderungen des Umsatzsteuerbescheides für 1989 machte das FA im Verfahren gegen den Umsatzsteuerbescheid 1989 mit der Begründung wieder rückgängig, der Forderungsverzicht sei erst bei Aufstellung der Bilanz im Jahr 1990 erfolgt. Statt dessen änderte es gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) den Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 1990 und rechnete nunmehr den Betrag von 14 736,84 DM (4,2 v.H. von 350 877,20 DM) der Umsatzsteuer für 1990 hinzu. Hinsichtlich der Vorsteuer zog es allerdings —anders als im Umsatzsteuerbescheid für 1989— aus der Minderung der Bemessungsgrundlage keine Folgerungen.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, der Vorgang sei rechtlich anders zu würdigen. Der Einlage entspreche bei der KG eine Entnahme in entsprechender Höhe. Damit habe er ”gegenüber Banken darstellen wollen”, dass er aufgrund einer Privateinlage über 400 000 DM in der Lage gewesen sei, Verbindlichkeiten gegenüber der KG in entsprechender Höhe zu zahlen. Dieses Vorgehen sei deshalb gewählt worden, um sein Eigenkapital zu verbessern und eine bessere Verhandlungsposition bei den Banken zu haben. Lediglich der Einfachheit halber und zur Vermeidung von Zinsen sei die Einlage zu Lasten des Verrechnungskontos verbucht worden. Er müsse so behandelt werden, als habe er aufgrund einer Entnahme bei der KG und der entsprechenden Einlage die Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens gegenüber der KG in dieser Höhe getilgt.

Die Klage hatte keinen Erfolg; das Finanzgericht (FG) schloss sich der Auffassung des FA an, die Verminderung der Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen gegenüber der KG beruhe auf einem Forderungsverzicht, der in Bezug auf die entsprechenden Warenlieferungen eine Entgeltsminderung i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG darstelle. Unerheblich sei, ob der Forderungsverzicht der KG auf außerbetrieblichen Gründen beruhe, denn auch eine private oder durch ein Gesellschaftsverhältnis veranlasste Entgeltsminderung wirke sich auf die Bemessungsgrundlage für die Steuervergünstigung nach § 2 Abs. 1 BerlinFG aus.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Er macht geltend, bei der Erstellung der Bilanz für 1989 sei zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos erfolgsneutral der Betrag über 400 000 DM als Einlage zu Lasten des Verrechnungskontos vorgenommen worden. Über dieses Konto würden alle Vorgänge zwischen der KG und dem Einzelunternehmen abgewickelt. Der Kläger habe lediglich aus Kostengründen und zur Vermeidung von Sollzinsen die Buchung über das Verrechnungskonto gewählt. Hätte der Kläger eine Privatentnahme mittels Überweisung an das Einzelunternehmen vorgenommen, wäre zwar der Betrag als Einlage verbucht worden, das Geld hätte aber sofort an die KG zurücküberwiesen werden müssen, weil diese den Betrag selbst gebraucht habe. Er müsse so behandelt werden, als habe er aufgrund einer Entnahme bei der KG die Verbindlichkeiten seines Einzelunternehmens bei der KG getilgt.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Umsatzsteuer für 1990 auf ./. 432 944 DM festzusetzen.

Das FA tritt der Revision entgegen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Hat ein Westdeutscher Unternehmer von einem Berliner Unternehmer Gegenstände erworben, so ist er unter bestimmten hier nicht streitigen Voraussetzungen berechtigt, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer um 4,2 v.H. des ihm für diese Gegenstände in Rechnung gestellten Entgelts zu kürzen (§ 2 BerlinFG i.d.F. vom , BGBl I 1990, 173). Gemäß § 7 Abs. 1 BerlinFG ist zur Ermittlung des Entgelts § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anzuwenden.

Werden Entgelte gemindert, so sind nach § 11 Abs. 2 BerlinFG die Kürzungsbeträge nach § 2 BerlinFG insoweit zurückzuzahlen, als diese auf die Entgeltsminderung entfallen. Der zurückzuzahlende Betrag ist der Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) hinzuzurechnen, in dem die Entgelte gemindert werden.

2. Entgelt nach § 7 BerlinFG i.V.m. § 10 Abs. 1 UStG ist grundsätzlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Entscheidend ist ”letztendlich” die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Dementsprechend kann die zunächst maßgebende (vereinbarte) Bemessungsgrundlage nachträglich mit umsatzsteuerlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden. § 17 Abs. 1 UStG bestimmt verfahrensrechtlich für diese Fälle, dass sowohl der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat (hier die KG), den dafür geschuldeten Steuerbetrag, als auch der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist (im Streitfall der Kläger), den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Berichtigung bei nachträglichen Änderungen der Bemessungsgrundlage ist der Besteuerungszeitraum, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (vgl. , BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206). Parallel dazu regelt § 11 Abs. 2 BerlinFG, dass bei einer nachträglichen Änderung der Entgelte der Kürzungsbetrag in dem Besteuerungszeitraum zurückzuzahlen ist, in welchem das Entgelt gemindert wird.

3. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Klägers, dass seine Buchungen als Tilgung der Kaufpreisforderungen der KG gewertet werden müssen. Es fehlen die für die Annahme einer Tilgung erforderlichen Geldbewegungen. Das FG durfte sich demgemäß die Sachverhaltswürdigung des FA zu Eigen machen, nach der die KG auf ihre Kaufpreisforderungen in Höhe von 400 000 DM verzichtet hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verzicht des Unternehmers (hier: der KG) auf eine Lieferforderung stellt in aller Regel auch dann keine Vereinnahmung, sondern eine Kürzung des Entgelts dar, wenn der Unternehmer nicht in seiner Eigenschaft als Lieferant, sondern als Gesellschafter seines Schuldners zu dessen Gunsten verzichtet hat (vgl. , BFHE 92, 125, BStBl II 1968, 466); der gegenteiligen Ansicht von Stadie (in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, § 17 Anm. 97) folgt der Senat nicht.

Der Forderungsverzicht hat eine Änderung der Bemessungsgrundlage i.S. des § 17 UStG zur Folge.

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FA zu Recht den Kürzungsbetrag entsprechend dem Umfang des Forderungsverzichts der KG gemindert. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des FG beruhen die Forderungen der KG auf Lieferungen an das Einzelunternehmen des Klägers. Hiernach scheidet ungeachtet des Umstandes, dass —wie der Kläger vorträgt— auf dem Verrechnungskonto alle Wertbewegungen zwischen KG und Einzelunternehmen verbucht worden sind, die Zuordnung des Forderungsverzichts der KG zu einem anderen Rechtsgrund als dem der —für den Kürzungsanspruch maßgeblichen— Lieferungen der KG an das Einzelunternehmen des Klägers aus. Dass dieser Verzicht ertragsteuerrechtlich gewinnneutral —bei der KG als Entnahme des Klägers und beim Einzelunternehmen des Klägers als dessen Einlage— zu behandeln war, weil betriebliche Gründe hierfür nicht vorlagen, ist umsatzsteuerrechtlich nicht von Bedeutung.

5. Zu Recht hat das FA die Änderung der Bemessungsgrundlage im Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 1990 berücksichtigt, denn nach § 11 Abs. 2 BerlinFG ist bei einer nachträglichen Änderung der Entgelte der Kürzungsbetrag in dem Besteuerungszeitraum zurückzuzahlen, in welchem das Entgelt gemindert wird.

6. Unberücksichtigt muss bleiben, dass das FA nicht entsprechend der Höhe des Forderungsverzichtes die in Anspruch genommene Vorsteuer gekürzt hat, denn einer Änderung des in diesem Verfahren angefochtenen Umsatzsteuerbescheides für 1990 durch den erkennenden Senat steht das Verböserungsverbot (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) entgegen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 491 Nr. 4
KAAAA-67184