BFH Beschluss v. - V B 219/00

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) schätzte die Besteuerungsgrundlagen für die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1994 und 1995 gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Rechtsanwältin, weil diese keine Steuererklärungen abgegeben hatte. Die Umsatzsteuerbescheide für 1994 und 1995 vom gab das FA durch einen einfachen Brief mit der Post bekannt. Die Klägerin legte dagegen am Einspruch ein, den das FA als verspätet ansah und deshalb als unzulässig verwarf.

Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab, weil es nicht davon überzeugt war, dass die Sendung mit den angefochtenen Bescheiden der Klägerin, wie diese dargelegt hatte, erst am zugegangen war. Zur Begründung führte das FG u.a. aus, die Klägerin habe selbst eingeräumt, es sei nicht mehr nachvollziehbar, wie ihr die bezeichneten Bescheide zugegangen seien und wer sie entgegengenommen habe. Da die Klägerin ausgeführt habe, sie könne nicht mehr feststellen, welche Mitarbeiterin in ihrer Kanzlei am für die eingehende Post zuständig gewesen war, habe auch keine Veranlassung bestanden, die benannte Kanzleiangestellte als Zeugin zu vernehmen.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.

Anwendbar ist die FGO i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nur gerechtfertigt, wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung eine bestimmte —abstrakte— klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausstellt. Er muss darlegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), weshalb es in dem angestrebten Revisionsverfahren auf die Klärung der hervorgehobenen Rechtsfrage ankommt (Klärungsbedürftigkeit) und dass dem Revisionsgericht eine Klärung dieser Rechtsfrage möglich ist (Klärbarkeit).

Der Beschwerdeführer muss außerdem die Bedeutsamkeit der Beantwortung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung für die Allgemeinheit substantiiert dartun (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 549; vom , VIII B 13/95, BFH/NV 1996, 348; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, , Steuer-Eildienst —StEd— 1996, 410). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage dann, wenn ihre höchstrichterliche Beantwortung einem über das Interesse der Beteiligten am Ausgang des anhängigen Verfahrens hinausreichenden, allgemeinen Interesse an der Handhabung und Fortentwicklung des Rechts zu dienen geeignet ist. Dazu muss der Beschwerdeführer substantiiert und in sich schlüssig erläutern (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 44/94, BFH/NV 1994, 812; vom II B 118/92, BFH/NV 1994, 123), welche über den Streitfall hinausgehende Bedeutung eine Revisionsentscheidung über die nicht nur an den Besonderheiten des Streitfalls orientierten Rechtsfrage habe. Es bedarf einer besonders eingehenden Begründung, wenn —wie im Streitfall— schon Vorentscheidungen zu den entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmalen vorhanden sind.

Diesen formellen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung hat die Klägerin weder abstrakte klärungsbedürftige —weil bisher ungeklärte— Rechtssätze noch die grundsätzliche Bedeutung einer Revisionsentscheidung im Streitfall dargelegt. Sie hat auf eine nicht näher bezeichnete uneinheitliche Rechtsprechung hingewiesen und ausgeführt, das FG habe in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben, dass ”die Angelegenheit nicht einstimmig entschieden” würde. Daraus kann schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache abgeleitet werden, weil sich die angebliche Uneinigkeit auf die Beurteilung der tatsächlichen Umstände bezogen haben kann.

2. Auch soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die Beschwerdeschrift entspricht nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.

a) Die Rüge, das FG habe es unterlassen, den Sachverhalt vollständig aufzuklären und Beweise zu erheben und dadurch Verfahrensrecht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, genügt nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.

Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügt, muss nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung bezeichnen (vgl. , BFH/NV 1999, 54, m.w.N.), welche weitere Aufklärung sich dem FG —nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung— von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. dazu auch , BFH/NV 2000, 434). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

b) Das FG hat sich mit den von der Klägerin geltend gemachten allgemeinen Gründen für eine unregelmäßige Zustellung von Postsendungen (Umstrukturierung, Schwierigkeiten, zu den Hausbriefkästen zu gelangen, Postzustellung durch Hilfskräfte) im Einzelnen auseinander gesetzt. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass Gründe dafür nicht vorliegen, dass die Sendung mit den angefochtenen Steuerbescheiden nicht bis Freitag, dem zugegangen sein konnte. Unter diesen Umständen reicht es für die Bezeichnung von Verfahrensfehlern nicht aus, dass die Klägerin, die ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am auch keine weitere Sachaufklärung beantragt hatte, die tatsächlichen Schlussfolgerungen des FG mit allgemeinen Ausführungen in Zweifel zieht.

Fundstelle(n):
VAAAA-67137