Gründe
I. Während der Streitjahre 1988 und 1989 hatte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ihren Sitz in Berlin (West). Gegenstand ihres Unternehmens war der Im- und Export sowie der Vertrieb von elektronischen Bauelementen und -gruppen, insbesondere die Erstellung und Ausführung von Test- und Messspezifikationen jeglicher Art an den bezeichneten Gegenständen.
Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA— I) den Vorbehalt der Nachprüfung, unter dem die Umsatzsteuer-Festsetzungen für 1988 und 1989 standen, durch Bescheid vom aufgehoben und die Klägerin diese Festsetzungen nicht angefochten hatte, gab sie am bei dem FA II berichtigte Umsatzsteuer-Erklärungen für 1988 und 1989 ab. Sie machte darin erstmals Kürzungsansprüche nach § 1 Abs. 1 bis 4 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG) vom (BGBl I 1986, 2415, BStBl I 1987, 4) in der für die Streitjahre geltenden Fassung in Höhe von ... DM (für 1988) und von ... DM für 1989 geltend.
Das FA II lehnte eine Änderung der Umsatzsteuer-Festsetzungen für 1988 und für 1989 ab, weil die Festsetzungsfrist (für 1988) abgelaufen und weil keine Änderungsvorschrift (für 1989) erfüllt worden sei. Das nach der Verlegung des Firmensitzes zuständig gewordene FA III wies die dagegen eingelegten Einsprüche durch die Einspruchsentscheidung vom zurück.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, sie könne für die Bearbeitung von integrierten Schaltungen für Computer, Automobile, medizinische Geräte und für Geräte in der Weltraumtechnik durch optische Inspektionen, durch Vorbereiten zur künstlichen Alterung, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen, durch automatisches Testen und durch Nachbehandlung Kürzungsansprüche nach dem BerlinFG beanspruchen. Das Finanzgericht (FG) Berlin habe in einem Urteil vom (VII 433, 439/92) entschieden, dass dadurch eine ausreichende Bearbeitung i.S. der §§ 1 und 6 BerlinFG vorliege. Deswegen habe sie 1994 beim Senator für Wirtschaft in Berlin Ursprungsbescheinigungen beschafft und die Kürzungen nachträglich beansprucht.
Vorher habe sie die Kürzung nicht geltend gemacht, weil die Finanzbehörde gegen den damaligen Geschäftsführer der A-GmbH ein Steuerstrafverfahren mit der Begründung eingeleitet habe, das Testen von integrierten Schaltkreisen und sog. Wafern erfülle die Kürzungsvoraussetzungen nach § 1 BerlinFG nicht. Die ursprünglich gewährte Kürzung sei von der A-GmbH zurückgefordert und dadurch das Konkursverfahren über das Vermögen dieser Gesellschaft eröffnet worden. Der Geschäftsführer sei in Untersuchungshaft genommen und der Geschäftsbetrieb der A-GmbH sei eingestellt worden. Darauf habe sie, die Klägerin, im Jahr 1988 Teile des Anlagevermögens und des Kundenstamms der A-GmbH übernommen. Unter dem Eindruck des Steuerstraf- und Konkursverfahrens gegen die A-GmbH und ihren Geschäftsführer habe sie vorerst keine Kürzungsansprüche für 1988 und 1989 geltend gemacht.
Das FG wies die Klage ab. Es führte zur Begründung u.a. aus, die Voraussetzungen für eine Änderung der Umsatzsteuer-Festsetzungen für 1988 und 1989 seien nicht vorhanden. Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) seien nicht möglich, weil die nachträglich erteilte Ursprungsbescheinigung nach § 8 BerlinFG kein Grundlagenbescheid sei (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) und weil dadurch kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung eingetreten sei (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977), denn anders als für den westdeutschen Leistungsempfänger habe der leistende Berliner Unternehmer ein Antragsrecht auf Erteilung der Ursprungsbescheinigung. Dies hätte die Klägerin zur Gestaltung ihrer steuerlichen Verhältnisse einsetzen können. Eine Änderung der Steuerfestsetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sei für 1988 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist und für 1989 deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977) treffe, dass sie zur Kürzung berechtigende Leistungen ausgeführt habe; denn sie habe trotz der in den Steuererklärungsformularen ausdrücklich gestellten Fragen nach Ansprüchen aus dem BerlinFG keine Kürzungen unter Darlegung des gesamten Sachverhalts geltend gemacht.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Abweichung von dem (BFHE 141, 32, BStBl II 1984, 693) und wegen fehlerhafter Handhabung des Verfahrens u.a. wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keine durchgreifenden Zulassungsgründe dargetan.
Anwendbar ist die FGO in der Fassung vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung des FG vor dem zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
1. Die Klägerin hat in der Beschwerde ”Revisionstatbestände” dargelegt und Verletzung von besonders bezeichneten Vorschriften des Bundesrechts gerügt.
Sie beachtet damit nicht hinreichend, dass eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Urteil des FG nur erfolgreich sein kann, wenn einer der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt oder bezeichnet wird. In der Beschwerdeentscheidung hat das Revisionsgericht nicht zu prüfen, ob das angefochtene Urteil sachlich richtig ist und ob das FG z.B. die Änderungsvoraussetzungen in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO 1977 zutreffend beurteilt hat.
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des BFH in BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693 begehrt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Anforderungen, die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Darlegung der Abweichung erfüllt werden müssen. Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus der für maßgeblich gehaltenen Entscheidung des BFH, von dem das FG in der Vorentscheidung abgewichen sein könnte, so genau, dass eine Abweichung erkennbar wird, weil die gegenübergestellten Rechtsgrundsätze unvereinbar sind (vgl. zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Divergenzbeschwerde die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom III B 32/00, BFH/NV 2001, 45; vom II B 36/90, BFHE 161, 418; vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang nur aus, es sei nicht auszuschließen, dass die Vorentscheidung auf einer Divergenz zu dem bezeichneten Urteil beruhe.
3. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen geltend gemachter Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, ist die Beschwerde unbegründet.
Wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, dass sie Verfahrensmängel u.a. durch Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 FGO), durch Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) und durch unterlassene Beweiserhebung (§ 81 Abs. 1 FGO) in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am bezeichnet hat (vgl. zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Bezeichnung dieser Verfahrensmängel z.B. , BFH/NV 2001, 44 - zur Verletzung des rechtlichen Gehörs; , BFH/NV 2000, 1504 - zur Verletzung der Sachaufklärungspflicht; , BFH/NV 2000, 733 - zur unterlassenen Beweiserhebung), brauchte das FG den insoweit behaupteten oder unter Beweis gestellten Tatsachen nicht nachzugehen, weil sie nach seiner maßgebenden Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich waren.
Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am angeboten, präsente Zeugen (u.a. die derzeitige Prozessbevollmächtigte als ständige anwaltliche Vertreterin der A-GmbH und den Steuerberater K der A-GmbH) ”zur Feststellung von weiteren Tatsachen und bereits schriftsätzlich vorgetragenen Tatsachen” zur Auslegung des Rechtsbegriffs ”grobes Verschulden” zu vernehmen. Außerdem wiederholte die Klägerin nach der Sitzungsniederschrift mündlich den letzten Absatz ihres Schriftsatzes vom . Darin rügte die Klägerin ”das Übergehen ihres Tatsachenvortrages nebst Beweisantritt”, wendete sich gegen die Auslegung des Rechtsbegriffs des groben Verschuldens durch das FG und beanstandete die Verletzung der §§ 173 Abs. 1 Nr. 2, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977.
Das FG hat die Tatsachen, die die Klägerin als vom FG nicht angehört, von ihm nicht ermittelt und durch Beweiserhebung nicht aufgeklärt angegeben hat, für entscheidungsunerheblich angesehen. Die Klägerin hatte vorgebracht und unter Beweis gestellt, dass sie kein grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 daran treffe, dass der Finanzbehörde nachträglich bekannt geworden sei, dass sie, die Klägerin, in den Streitjahren zur Kürzung der Umsatzsteuer nach dem BerlinFG berechtigende Leistungen erbracht habe. Sie, die Klägerin, habe ”unter dem Eindruck des gegen Vertreter der A-GmbH eingeleiteten Strafverfahrens (langjährige Untersuchungshaft) und dessen Folgen sowie des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens” über das Vermögen der A-GmbH die rechtzeitige Geltendmachung der begehrten Kürzungsansprüche unterlassen. Dies sei außerdem geschehen, weil ”bei der offensichtlich rechtswidrigen Umsatzbesteuerung von Unternehmen in Berlin im Jahr 1987/1988 mafiaähnliche Verhältnisse geherrscht” hätten, ”gegen die Finanzgerichte in Berlin ersichtlich keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten” gehabt hätten.
Für das FG war demgegenüber für die Beurteilung des groben Verschuldens nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 maßgebend, dass die Klägerin und ihr steuerlicher Berater die im Erklärungsvordruck für die Umsatzsteuer-Erklärung für 1989 ausdrücklich gestellte Frage nach Kürzungsbeträgen auf Grund des BerlinFG nicht beachtet hatten. Das FG hat den Vortrag der Klägerin sinngemäß als unschlüssig angesehen, sie habe die Geltendmachung von Kürzungsansprüchen nach dem BerlinFG vorsätzlich aus Furcht vor Strafverfolgung unterlassen. Nach Auffassung des FG hätte die Klägerin den Kürzungsanspruch nach Offenlegung des gesamten Sachverhalts geltend machen können.
Unter diesen Umständen war es nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG den von der Klägerin behaupteten Gründen für die nachträgliche Geltendmachung der Kürzungsansprüche nicht nachging. Für die Beurteilung des in § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO bezeichneten Revisionszulassungsgrundes ist vom Beschwerdegericht nicht zu entscheiden, ob das FG dadurch § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zutreffend angewendet hat.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 1 FGO i.d.F. ab ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 889 Nr. 7
PAAAA-67113