BFH Beschluss v. - IV B 3/00

Gründe

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Urteil vom 13 K 256/94 auf Grund mündlicher Verhandlung als unbegründet ab. Ausweislich des Sitzungsprotokolls wurden der wesentliche Inhalt der Akten vorgetragen und die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert.

Nach Zustellung des Urteils und einer Protokollabschrift beantragten die Kläger beim FG, das Protokoll in zwei Punkten zu berichtigen:

- Die Feststellung, der wesentliche Inhalt der Akten sei vorgetragen worden, sei unzutreffend und irreführend. Tatsächlich habe der Berichterstatter einen vorgefertigten Text verlesen, der dem Tatbestand des Urteils wortwörtlich gleiche.

- Unzutreffend sei auch die Feststellung, die Streitsache sei mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden. In Wahrheit sei die Sache weder tatsächlich noch rechtlich und außerdem entgegen § 93 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch nicht durch den Vorsitzenden erörtert worden.

Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss des (gesamten) Senats vom ab. Das Protokoll sei in den beanstandeten Punkten nicht unrichtig. Der wesentliche Akteninhalt sei durch Verlesen des Sachberichts des Berichterstatters vorgetragen worden. Dieser Sachbericht sei üblicherweise im Urteilsstil abgefasst und finde vorbehaltlich aufgrund der mündlichen Verhandlung vorzunehmender Änderungen Aufnahme in das spätere Urteil. Die Streitsache sei auch mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden. Dabei seien von einem beisitzenden Richter auch Fragen an den Klägervertreter gerichtet worden. In das Protokoll sei der äußere Hergang der Verhandlung, nicht der gesamte Inhalt aufzunehmen.

Schließlich führte das FG noch aus, dass sein Beschluss nicht mit der Beschwerde anfechtbar sei.

Gleichwohl haben die Kläger Beschwerde erhoben und machen geltend, der Beschluss des FG sei inhaltlich unrichtig.

In der mündlichen Verhandlung habe der Berichterstatter nicht den wesentlichen Inhalt der Akten, sondern den Tatbestand eines textlich vollständig vorliegenden Urteilsentwurfs verlesen (Beweis: Dienstliche Äußerung des Berichterstatters). Durch die Fassung des Protokolls solle dieser Sachverhalt offenbar vertuscht werden. Für die Frage der Protokollberichtigung komme es nicht auf die Üblichkeit des Verfahrens an. Zweck des Protokolls sei es, den Hergang der mündlichen Verhandlung wiederzugeben.

Die Behauptung, die Streitsache sei mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden, sei unzutreffend und vom Gericht frei erfunden. Es habe weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht eine Erörterung des Streitstoffs stattgefunden (Beweis: Dienstliche Äußerung der Berufsrichter). Offenbar habe auch insoweit die unrichtige Fassung des Protokolls den grob prozessordnungswidrigen Verlauf der mündlichen Verhandlung vertuschen sollen. Einzelne erörterte Punkte würden in dem angefochtenen Beschluss bezeichnenderweise nicht genannt.

Unrichtig und frei erfunden sei die in den Gründen des Beschlusses aufgestellte Behauptung, von einem beisitzenden Richter seien auch Fragen an den Klägervertreter gerichtet worden. Keiner der Beisitzer habe auch nur eine einzige Frage an den Klägervertreter gerichtet (Beweis: Dienstliche Äußerung der Berufsrichter). Bezeichnenderweise werde nichts zum Inhalt der Fragen gesagt.

Der Hinweis darauf, dass in das Protokoll nur die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen seien, sei ein Ablenkungsmanöver. Es werde keine Protokollergänzung gefordert, sondern geltend gemacht, dass die aufgenommenen Feststellungen unzutreffend seien.

Der angefochtene Beschluss beruhe auf tragenden Gründen, von denen die entscheidenden Richter wissen müssten, dass sie unzutreffend und frei erfunden seien. Nach Ergebnis und Begründung sei der Beschluss eine willkürliche und grob rechtsstaatswidrige Entscheidung, die selbst dann der (außerordentlichen) Beschwerde unterliege, wenn nach den Verfahrensvorschriften eine Beschwerde an sich ausgeschlossen sei. Gegen die Verweigerung einer Protokollberichtigung sei die Beschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf gegeben, wenn das Gericht die Protokollberichtigung abgelehnt habe, um eine prozessordnungswidrige Behandlung des Rechtsstreits zu vertuschen. Die Unterlassung einer Erörterung habe zunächst durch unrichtige Protokollierung des Vorsitzenden, später durch den angefochtenen Senatsbeschluss vertuscht werden sollen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom antragsgemäß zu berichtigen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Gegen die Berichtigung oder Ablehnung der Berichtigung des Protokolls sei kein Rechtsmittel gegeben, soweit es um die Frage der Richtigkeit gehe. Die Kläger hätten außerdem keine Beschwer geltend gemacht. Der vermeintliche Protokollmangel könne unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ursächlich für die Fehlerhaftigkeit des Urteils sein. Mit der (außerdem erhobenen) Nichtzulassungsbeschwerde hätten die Kläger selbst vorgetragen, ihr Prozessvertreter habe sich in der mündlichen Verhandlung auf seinen schriftlichen Vortrag bezogen und ergänzende mündliche Ausführungen gemacht. Der Gesamtvortrag sei im Urteil gewürdigt worden.

Hierauf erwidern die Kläger, eine Beschwer liege in der Ablehnung des Antrags auf Protokollberichtigung. Es komme nicht darauf an, ob der Protokollfehler für das Urteil ursächlich geworden sei. Im Übrigen habe die erstrebte Protokollberichtigung allein Bedeutung für die Nichtzulassungsbeschwerde. Auf das Urteil habe das Protokoll schon deshalb keinen Einfluss haben können, weil es bereits vor Stattfinden der mündlichen Verhandlung inhaltlich festgestanden und im endgültigen Text vorgelegen habe.

Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.

1. Nach § 94 FGO i.V.m. § 164 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Die Protokollberichtigung kann als unvertretbare Verfahrenshandlung nur durch den Instanzrichter, der das Protokoll unterschrieben hat und ggf. den hinzugezogenen Protokollführer vorgenommen werden. Eine Beschwerde (§ 128 Abs. 1 FGO) gegen die Berichtigung oder die Ablehnung der Berichtigung ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich nicht statthaft. Eine Ausnahme davon soll dann gelten, wenn vorgetragen wird, die Berichtigung sei zu Unrecht als verfahrensrechtlich unzulässig abgelehnt oder die Entscheidung über den Berichtigungsantrag sei von einer nicht berechtigten Person vorgenommen worden oder leide sonst an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel (BFH-Beschlüsse vom X B 1/88, BFH/NV 1989, 643, m.w.N., und vom VII B 241/97, BFH/NV 1998, 873; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 94 Rz. 21).

2. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen, unter denen eine Beschwerde ausnahmsweise zulässig sein kann, nicht vor. Das Beschwerdevorbringen der Kläger beschränkt sich darauf, die inhaltliche Unrichtigkeit zu beanstanden. Ein schwerwiegender Verfahrensmangel im Verfahren über den Berichtigungsantrag wird nicht gerügt.

Der Senat braucht nicht zu der von den Klägern aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen, ob neben den erwähnten Ausnahmen für die Statthaftigkeit einer Beschwerde eine weitere Ausnahme zur Beseitigung grober Rechtsstaatswidrigkeit zugelassen werden muss. Denn eine solche grobe Rechtsstaatswidrigkeit liegt schon nach dem eigenen Vorbringen der Kläger nicht vor. Mit der zugleich erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde haben die Kläger —worauf das FA zutreffend hinweist— vorgetragen: Nach Verlesung des Tatbestands durch den Berichterstatter habe der Vorsitzende die Prozessvertreter gefragt, ob sie noch Ausführungen machen oder auf die gewechselten Schriftsätze verweisen wollten. Beide Vertreter hätten auf die Schriftsätze verwiesen. Der Klägervertreter habe noch ergänzende mündliche Ausführungen gemacht. Anschließend seien die Anträge zu Protokoll genommen worden. Der Beisitzer habe an das FA die Frage gerichtet, ob nicht im Folgejahr eine Teilwertabschreibung in Betracht komme, worauf der FA-Vertreter wie auch der Klägervertreter Stellung genommen hätten.

Ob damit die Mindestvoraussetzungen des § 93 Abs. 1 FGO erfüllt sind, kann vorliegend dahinstehen. Zumindest war die dies bejahende Annahme nicht unvertretbar und damit die entsprechende Protokollierung nicht offensichtlich grob fehlerhaft, wenn sich die Verhandlung so abgespielt haben sollte, wie die Kläger vortragen. Für die Behauptung der Kläger, dass die Protokollierung auf einer Erfindung des Gerichts beruhe, um einen fehlerhaften Verfahrensablauf zu vertuschen, gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Im Übrigen erschiene es unverständlich, wenn der sachkundige Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht die behaupteten groben Verfahrensfehler sofort gerügt und ggf. eine Aufnahme der Rüge ins Protokoll verlangt hätte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 796 Nr. 6
AAAAA-67024