Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Eintritt der Tatvollendung; Mindestwert für eine "Sache von bedeutendem Wert"
Gesetze: § 315b Abs 1 Nr 1 StGB, § 315b Abs 1 Nr 2 StGB, § 315b Abs 1 Nr 3 StGB
Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 500 Js 43485/15 - 11 Ks
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers T. eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat im Wesentlichen Erfolg.
21. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne dieser Vorschrift erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. nur Senatsurteil vom – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschluss vom – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278). Dabei liegt die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 €, wobei die Gefährdung des vom Täter geführten Fahrzeugs außer Betracht zu bleiben hat (Senatsbeschluss vom – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, 3. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).
4b) Gemessen daran ist weder die konkrete Gefährdung von Leib und Leben noch die einer Sache von bedeutendem Wert hinreichend belegt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, welchen Wert das von der Zeugin K. geführte Fahrzeug hatte, in welcher Höhe ein Sachschaden entstand und ob für die Zeugin K. die konkrete Gefahr des Eintritts von Verletzungen bestand. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat die insoweit erforderlichen Feststellungen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
5Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass sich der Angeklagte eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, sodass die Aufhebung auf diese zu erstrecken war (vgl. , NJW 2012, 325, 328). Zudem hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung von drei Straftatbeständen ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, weshalb der Senat auch ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Mangel nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen konnte. Die vom Landgericht insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann zum Wert des betreffenden Kraftfahrzeugs ergänzende Feststellungen treffen.
62. Da dem Senat eine Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a StPO in Verbindung mit einer Verfolgungsbeschränkung im Sinne von § 154a Abs. 2 StPO in der vorliegenden Fallkonstellation verwehrt ist (vgl. BVerfGE 118, 212, 242), obgleich die Angemessenheit der verhängten Strafe angesichts des Tatbildes hier auf der Hand liegt, bedarf die Sache im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
7Auch die – ersichtlich nicht angefochtene, auf der Grundlage eines Anerkenntnisses des Angeklagten getroffene – Adhäsionsentscheidung bleibt von der Aufhebung unberührt (vgl. , StV 2011, 160 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR581.16.0
Fundstelle(n):
YAAAG-50733