BFH Beschluss v. - III B 28/00

Gründe

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt seit September 1997 ein ...studio. Über seinen steuerlichen Berater, den jetzigen Prozessvertreter, beantragte er unter dem , die Frist zur Abgabe der angeforderten Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewinns 1997 bis zum zu verlängern. Mit Schreiben vom lehnte der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Interesse des Fortgangs der Veranlagungsarbeiten eine Fristverlängerung ab und forderte den Kläger auf, die vorgenannte Erklärung innerhalb von zwei Wochen einzureichen. Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Noch während des Rechtsbehelfsverfahrens ging die Erklärung beim FA ein. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das sich anschließende Klageverfahren ist noch nicht beendet.

Nach einem entsprechenden Hinweis des Finanzgerichts (FG) an die Beteiligten wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Richter am FG R als Einzelrichter übertragen. Der lt. Geschäftsverteilungsplan des 13. Senats für die Streitsache zuständige Richter R wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom als unzulässig ab. Der Kläger hat hiergegen mündliche Verhandlung beantragt und gleichzeitig R als befangen abgelehnt. In seiner dienstlichen Äußerung zum Ablehnungsgesuch hat R erklärt, er halte sich aufgrund der gegebenen Sachlage nicht für befangen. Auch der Kläger habe keinen Grund für eine Parteilichkeit nennen können.

Der Kläger begründete sein Ablehnungsgesuch im Wesentlichen wie folgt: Die Bestellung des R zum Einzelrichter sei ein ”abgekartetes Spiel” zwischen FA und FG gewesen. R habe sich uneingeschränkt auf die Seite des FA gestellt. Die vermehrte Herkunft der Finanzrichter aus der Finanzverwaltung sei dem Rechtsschutz der Bürger nicht förderlich. Die hiernach zu vermutende Voreingenommenheit der Richterschaft und der oft fehlende Bezug zum Gesetz verstärke den Eindruck, R habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen, was in dem Gerichtsbescheid vom und der ihm zugrunde liegenden Art der Prozessführung zum Ausdruck komme. R habe im Gerichtsbescheid nicht nur die Rechtslage unzutreffend dargestellt, sondern auch seine, des Klägers, Anträge missachtet und stattdessen über nicht gestellte Anträge entschieden. R habe auch zu Fragen wie z.B. zum Verspätungszuschlag entschieden, die nicht entscheidungserheblich gewesen seien und damit seine Kompetenz überschritten. Er habe zudem die von seinem Prozessvertreter beantragte einfache Beiladung zu Unrecht abgelehnt. Diese Verfahrensverstöße seien so gravierend, dass ein fairer Prozess nicht mehr gewährleistet sei. Weiterhin habe R Ausführungen des FA in seine Entscheidung übernommen, was zeige, dass R uneingeschränkt auf der Seite des FA stehe. R sei es nicht um die Wahrheitsfindung, sondern um einen kurzen Prozess gegangen, wobei er auf die von den Finanzämtern in Bayern gepflogene, rechtswidrige Praxis der Ablehnung von Fristverlängerungsanträgen nicht eingegangen sei. Aus einem anderen Verfahren des 13. Senats des FG München, dem R angehöre, sei eine klägerfeindliche Einstellung wie die des R in der anhängigen Sache ersichtlich. Nach Erlass des Gerichtsbescheides dürfe R nicht mehr mit dem Streitfall befasst werden (§ 51 FGO i.V.m. § 41 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung —ZPO—). Des Weiteren sei § 6 FGO verfassungswidrig und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 6 FGO teilweise vom Gesetz nicht gedeckt. Schließlich sei die dienstliche Äußerung des R ungenügend, da eine Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Befangenheitsgründen fehle.

Das Ablehnungsgesuch hatte keinen Erfolg. Das FG —ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters— sah die Voraussetzungen des § 51 FGO in der Streitsache nicht als gegeben an. Es war der Auffassung, aus der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ergebe sich kein Ablehnungsgrund gegenüber R, da die Übertragung vom Senat ausgesprochen worden sei. Unerheblich in diesem Zusammenhang sei auch die Frage nach der Verfassungswidrigkeit des § 6 FGO sowie die Frage nach der Richtigkeit der Rechtsprechung des BFH zu § 6 FGO. Die frühere Zugehörigkeit eines Teils der Richter an den FG zur Finanzverwaltung sei ebenfalls kein Ablehnungsgrund, zumal sich ein Ablehnungsgesuch individuell auf den abgelehnten Richter beziehen müsse. Auch eine alsbald nach Klageeingang getroffene Entscheidung sei kein Grund, einen Richter abzulehnen. Die Reihenfolge der Bearbeitung der Streitfälle stehe im Ermessen des einzelnen Richters, wobei es sachgerecht sein könne, eine möglicherweise unzulässige Klage vorzuziehen. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid, dessen Erlass das Gesetz ermögliche, könne die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht begründen. Verfahrenverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bildeten —selbst wenn sie objektiv vorlägen— grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund. Denn für fehlerhaft behandelte Rechtsfragen ständen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsmittel zur Verfügung. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Irrtum des Richters so gravierend sei, dass er allem Anschein nach als Anzeichen der Voreingenommenheit angesehen werden müsse. Davon sei im Streitfall jedoch nicht auszugehen. R habe über die vom Kläger ausdrücklich gestellten Anträge entschieden, nämlich über den Antrag, die abgelehnte Fristverlängerung für rechtswidrig zu erklären, über den Hilfsantrag, die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben sowie über den ergänzenden Antrag auf Beiladung des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Die Ausführungen zum Verspätungszuschlag seien Teil der Begründung der Entscheidung. Auch die zusätzlichen Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage ließen keine schwerwiegenden Fehler erkennen, aus denen man auf eine Voreingenommenheit des R schließen könnte. Dass die Begründung des Gerichtsbescheides Formulierungen aus den Schriftsätzen des FA enthielte, lasse sich den Akten nicht entnehmen. Soweit Übereinstimmungen bestünden, ergebe sich dies aus der in Frage stehenden Rechtslage. Aus der Kritik an Urteilen des 13. Senats in Deutsches Steuerrecht —DStR— (1999, 1794) lasse sich ebenfalls kein Ablehnungsgrund herleiten, zumal der Kläger selbst nicht behaupte, dass R an den kritisierten Urteilen als Richter mitgewirkt habe. Entgegen der Ansicht des Klägers ergebe sich aus § 51 FGO i.V.m. § 41 Nr. 6 FGO kein Ausschluss des R für das weitere Verfahren. Die dort genannte frühere Mitwirkung beziehe sich nicht auf eine Mitwirkung nach Erlass eines Gerichtsbescheides. Die dienstliche Äußerung des R lasse nicht auf dessen persönliche Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger schließen. Inhalt und Umfang einer solchen dienstlichen Äußerung stünden im Ermessen des diese abgebenden Richters.

Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Kläger im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Vorverfahren wiederholt und durch klarstellende Ausführungen ergänzt.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der begehrten Richterablehnung stattzugeben, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Befangenheitsgesuch des Klägers abgelehnt.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO findet die Ablehnung eins Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter bei Würdigung aller Umstände einen vernünftigen und auch bei objektiver Betrachtungsweise anzuerkennenden Grund zu der Annahme hat, der Richter werde aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus nicht unvoreingenommen, sondern unsachlich oder willkürlich entscheiden; dass der Richter sich tatsächlich von unsachlichen Überlegungen oder Rücksichtnahmen leiten lässt oder sich selbst für befangen hält, ist keine Voraussetzung für den Erfolg eines Ablehnungsgesuchs (BFH-Beschlüsse vom I B 134/95, BFH/NV 1996, 826; vom I B 79/96, BFH/NV 1997, 671; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 51 Anm. 37 f., m.w.N.).

Die Richterablehnung kann grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsfehlerhaftigkeit von Entscheidungen gestützt werden. Denn das Richterablehnungsverfahren schützt nicht gegen unrichtige Rechtsansichten des Richters. Rechtsfehler —materieller wie formeller Art— können nur ausnahmsweise, und zwar dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht (, BFH/NV 1989, 708; Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Anm. 40; Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 42 Anm. 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte). Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (, BFH/NV 1989, 587, II. 3. a der Gründe).

Im Streitfall sind die behaupteten Rechtsverstöße —soweit sie überhaupt feststellbar sein sollten— jedenfalls nicht schwerwiegend. Der Einzelrichter hat in seiner Entscheidung ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Fristverlängerung nach Eingang der angeforderten Erklärung beim FA verneint, da vom Kläger —seiner Ansicht nach— ein solches Interesse nicht substantiiert dargelegt worden sei. Er hat auch hinsichtlich des Hilfsantrags, die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, über den Fristverlängerungsantrag erneut zu entscheiden, kein Rechtsschutzinteresse des Klägers feststellen können. Hieraus ergeben sich ebenso wie aus der Ablehnung einer Beiladung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Verfahren keine Anhaltspunkte für eine hier beachtliche Voreingenommenheit des abgelehnten Richters.

Zutreffend hat das FG auch entschieden, dass die von dem Kläger kritisierte Prozessführung des R —die zügige Bearbeitung der Streitsache und Entscheidung durch Gerichtsbescheid— bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise (auch aus der Sicht des Klägers) nicht die Annahme rechtfertigt, R habe aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus unsachlich oder willkürlich entschieden. Klagen zu den FG müssen nicht in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet werden. Eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung kann vor allem im Interesse der Beteiligten sachgerecht sein, wenn es sich aus der Sicht des Gerichts um ein unzulässiges Verfahren handelt.

Nicht begründet sind auch die Einwände des Klägers gegen die dienstlichen Äußerungen des von dem Ablehnungsgesuch betroffenen Richters. Die Anforderungen, die an Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerung zu stellen sind, richten sich nach dem jeweils geltend gemachten Ablehnungsgrund, d.h. nach dessen Art und Begründung und stehen grundsätzlich im Ermessen des Abgelehnten Richters (Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 51 FGO Rz. 109). Wird die Besorgnis der Befangenheit —wie im Streitfall— im Wesentlichen aus im Rahmen einer richterlichen Entscheidung bekundeten, vom Antragsteller für fehlerhaft gehaltenen Rechtsansichten hergeleitet, so darf sich die dienstliche Äußerung daher auf eine mehr oder weniger allgemein gehaltene Aussage beschränken.

Die Auseinandersetzungen des Klägers mit § 6 FGO, mit der früheren Zugehörigkeit eines Großteils der Finanzrichter zur Finanzverwaltung sowie den gesetzlichen Abgabefristen für Steuererklärungen und der Arbeitsweise der Finanzverwaltung haben keinen sachlichen Bezug zu § 42 ZPO.

Fundstelle(n):
CAAAA-66890