BFH Beschluss v. - II B 75/00

Gründe

I. Die damals noch in Gründung befindliche Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine nunmehr eingetragene Genossenschaft, erwarb im Oktober 1993 ein im ehemaligen West-Berlin belegenes Grundstück von einer Erbengemeinschaft, das der Erblasser schon vor Jahrzehnten gestückelt in Teilflächen langfristig an die jetzigen Mitglieder der Klägerin verpachtet hatte. Die Pächter hatten auf ihren Teilflächen mittlerweile auf Dauer bewohnte Häuser errichtet und die Klägerin gegründet, um das Gelände zu erwerben und damit seine Veräußerung an Dritte zu vermeiden.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom Grunderwerbsteuer fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin u.a. geltend gemacht hatte, der Grundstückserwerb sei in entsprechender Anwendung des § 4 Nr. 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 von der Besteuerung auszunehmen, weil sie demselben Zweck diene wie die dort genannten Wohnungsgenossenschaften, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die Vorschrift sei einer ausdehnenden Anwendung auf andere Genossenschaften nicht zugänglich.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der Frage geltend, ob § 4 Abs. 7 GrEStG 1983 auf solche Genossenschaften erstreckt werden könne, die ihren Sitz nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR haben, aber demselben Zweck dienen wie die in der Vorschrift genannten Wohnungsgenossenschaften.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I, 1757) zu. Diese Fassung ist maßgebend, weil sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen gerichtliche Entscheidungen, die vor 2001 verkündet oder anstelle einer Verkündung zugestellt worden sind, gemäß Art. 4  2.FGOÄndG nach den bisherigen Vorschriften richtet. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantwortet (vgl. , BFH/NV 1995, 651).

Gemäß § 4 Nr. 7 GrEStG 1983 in der für Erwerbe ab dem maßgeblichen Fassung ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine Wohnungsgenossenschaft von der Besteuerung ausgenommen, wenn das Grundstück vor dem im Rahmen der Zuordnung nach § 1 Abs. 1 und 2 und § 2 des Wohnungsgenossenschafts-Vermögensgesetzes (WoGenVermG) durch Zuordnungsbescheid nach § 1 Abs. 6 dieses Gesetzes übertragen wird. Nicht nur aus dem Wortlaut, sondern ohne weiteres auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass sie auf den Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar ist.

Durch die Verweisung auf das WoGenVermG ergibt bereits der Wortlaut der Vorschrift, dass unter Wohnungsgenossenschaften nur die in § 1 Abs. 1 Satz 3 WoGenVermG genannten und damit nur solche Genossenschaften zu verstehen sind, die am schon bestanden haben oder Rechtsnachfolger einer an diesem Stichtag existent gewesenen Genossenschaft sind, und dass ehemals volkseigener Grund und Boden betroffen sein muss. Die Klägerin fällt aber bereits vom Gründungsdatum her nicht unter die Genossenschaften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 3 WoGenVermG. Auch hat sie keinen ehemals volkseigenen Grund und Boden erworben.

Der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 7 GrEStG 1983 besteht offenkundig darin, die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an eben diesem volkseigenen Grund und Boden zu fördern (vgl. Pahlke/ Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., 1999, § 4 Anm. 48; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., 1997, § 4 Anm. 42 und 64). Eine Verfolgung dieses Zwecks ist bezüglich eines in West-Berlin belegenen Grundstücks nicht möglich, und daher für die analoge Anwendung des § 4 Abs. 7 GrEStG 1983 auf derartige Grundstücke kein Raum. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes kann in der Beschränkung der Befreiungsvorschrift auf die in § 1 Abs. 1 Satz 3 WoGenVermG genannten Genossenschaften und auf den ehemals volkseigenen Grund und Boden nicht liegen, da sich nur für diesen Grund und Boden die Notwendigkeit einer vom Einvernehmen der Beteiligten unabhängigen Neuordnung der Eigentumsverhältnisse ergab.

Die von der Klägerin herangezogene Entscheidung des (BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206) ist für den Grundstückserwerb durch die Klägerin ohne Bedeutung.

Fundstelle(n):
GAAAA-66799