Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat wegen einer seiner Ansicht nach erfolgten Schenkung nicht nur den Beschenkten, sondern in einem weiteren Bescheid auch die Rechtsnachfolgerinnen des mittlerweile verstorbenen Schenkers, nämlich die Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) zur Schenkungsteuer herangezogen. Dagegen klagen vor dem Finanzgericht (FG) in getrennten Verfahren sowohl der angeblich Beschenkte als auch die Klägerinnen, und zwar Ersterer unter dem Az. 4 K 2871/99 und die Klägerinnen unter dem Az. 4 K 4800/99. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen beantragte unter Berufung auf deren Stellung als Gesamtschuldner mit dem angeblichen Zuwendungsempfänger, die Akten des Verfahrens 4 K 2871/99 einsehen zu können. Dies lehnte das ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II. Die gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte und zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Klägerinnen können sich nicht auf das Recht zur Akteneinsicht nach § 78 Abs. 1 FGO berufen.
Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Die Regelung ist Ausfluss des Rechts auf Gehör (vgl. dazu , BVerfGE 63, 45, 59) und infolgedessen auf die Beteiligten i.S. des § 57 FGO in dem Verfahren, für das die Akten angelegt bzw. zu dem die Akten eingereicht worden sind, beschränkt. Denn das Recht auf Gehör kann sich immer nur auf ein bestimmtes Verfahren beziehen. Ein Anspruch am Verfahren nichtbeteiligter Dritter auf Akteneinsicht lässt sich daher dem § 78 Abs. 1 FGO nicht entnehmen. Ob die Vorschrift darüber hinaus eine Akteneinsicht am Verfahren nichtbeteiligter Dritter ausschließt, ist umstritten (vgl. List in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 78 FGO Anm. 3, und von Wedel in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 78 Anm. 12 einerseits sowie Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 78 Anm. 7 andererseits), bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung. Auch dann, wenn § 78 Abs. 1 FGO einer Akteneinsicht Dritter nicht entgegenstünde und neben § 78 Abs. 1 FGO noch Raum für die Anwendung des § 155 FGO i.V.m. § 299 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wäre, fehlte es jedenfalls an einem anderweitig begründeten Recht oder zumindest an der Darlegung eines gewichtigen rechtlichen Interesses der Klägerinnen zur bzw. an der Akteneinsicht.
2. Der Kläger des Verfahrens, dessen Akten die Klägerinnen einsehen wollen, hat ein auch vom Richter zu beachtendes Interesse an der Wahrung des Steuergeheimnisses (vgl. , BFHE 126, 7, BStBl II 1979, 25). Erklärungen der am Verfahren 4 K 2871/99 Beteiligten, dass sie mit einer Einsicht der Klägerinnen in die Akten dieses Verfahrens einverstanden sind, haben die Klägerinnen auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt, obwohl sie im Ablehnungsbeschluss des FG auf diese Möglichkeit einer Ausnahme vom Steuergeheimnis gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) aufmerksam gemacht worden sind und ein nachträgliches Beibringen derartiger Erklärungen gemäß § 155 FGO i.V.m. § 570 ZPO zu beachten gewesen wäre (vgl. Ruban in Gräber, a.a.O., § 132 Anm. 6; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 22. Aufl. 1999, § 570 Anm. 2).
a) Der Umstand, dass die Klägerinnen gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) neben dem angeblich Beschenkten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, beeinträchtigt dessen Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses nicht und kann kein Recht der Klägerinnen auf Einsicht in die Akten des Verfahrens 4 K 2871/99 begründen. Soweit die Klägerinnen für ihre gegenteilige Auffassung das (BFHE 109, 317, BStBl II 1973, 625, 627) heranziehen, geht dieser Hinweis fehl. Nach dem Urteil stand zwar das Steuergeheimnis der Beiladung der Ehefrau, die im Änderungswege eine getrennte Veranlagung erwirkt hatte, zur Klage des Ehemannes, der sich gegen die Änderung wandte und auf der Beibehaltung der bisherigen Zusammenveranlagung bestand, nicht entgegen; die Entscheidung ist aber nicht darauf gestützt, dass zusammen veranlagte Ehegatten Gesamtschuldner sind, sondern darauf, dass sich die Frage, ob sich die Ehefrau aus hinzunehmenden Gründen aus der Zusammenveranlagung lösen will, nur beurteilen lasse, wenn die gesamten, beide Ehegatten betreffenden Besteuerungsgrundlagen offen gelegt werden. Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht im Streitfall zwischen den Gesamtschuldnern nicht. Bereits aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 AO 1977 geht hervor, dass es sich bei den Gesamtschuldnern kraft Zusammenveranlagung und denen, die wie im Streitfall deshalb Gesamtschuldner sind, weil sie auch ohne Zusammenveranlagung nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden, um verschiedene Fallgruppen handelt (vgl. auch , BFH/NV 1992, 516, unter 1.).
b) Ein über die bloße Tatsache des Gesamtschuldverhältnisses hinausgehendes gewichtiges rechtliches Interesse der Klägerinnen an der Akteneinsicht, hinter das das Recht des angeblich Beschenkten auf Wahrung des Steuergeheimnisses zurücktreten müsste (vgl. dazu , BFH/NV 1998, 614), haben sie nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Der Streit um das Recht auf Einsicht in die Akten eines anderen gerichtlichen Verfahrens, stellt ein selbständiges Zwischenverfahren dar (vgl. Ruban in Gräber, a.a.O., § 143 Anm. 2).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1271 Nr. 10
YAAAA-66793