BFH Beschluss v. - II B 5/00

Gründe

I. Durch Wert- und Artfortschreibungsbescheid vom stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Klägerin zu 1) auf den für ein in Neukirchen gelegenes, bebautes Grundstück die Grundstücksart ”Einfamilienhaus"(vorher: gemischtgenutztes Grundstück mit überwiegend gewerblichem Anteil) und den Einheitswert auf 176 500 DM (vorher: 115 600 DM) fest. Die Besteuerungsgrundlagen wurden vom FA geschätzt, weil die Klägerin zu 1 eine Feststellungserklärung nicht abgegeben hatte.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin zu 1 Einspruch ein und machte geltend, das Grundstück gehöre ihr nicht mehr, sondern ihrer Tochter, der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 2 (Klägerin zu 2). An diese hatte die Klägerin zu 1 das Grundstück durch notariell beurkundeten Vertrag vom veräußert.

Das FA nahm auf den eine Zurechnungsfortschreibung auf den auf die Klägerin zu 2 vor und zog diese gemäß § 360 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Einspruchsverfahren hinzu.

Der gegen den Feststellungsbescheid vom eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung vom wurde beiden Klägerinnen bekannt gegeben. Die von ihnen erhobene Klage, mit der sie sich gegen die festgestellte Grundstücksart und die Höhe des Einheitswerts wandten, wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen. Das FG hat ausgeführt, es liege hinsichtlich der Art- und Wertfortschreibung kein zulässiger Einspruch vor, weil sich in dem Einspruchsschreiben keine Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass sich der Rechtsbehelf gegen die Art- und Wertfeststellung richten solle. Deshalb sei der angefochtene Bescheid insoweit unanfechtbar geworden. Der Einspruch der Klägerin zu 1 betreffe lediglich die Zurechnung des Grundstücks. Diesbezüglich enthalte der ”Art- und Wertfortschreibungsbescheid” jedoch keine anfechtbare Feststellung.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerinnen zu 1 und 2, mit der sie geltend machen, das Urteil des FG beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil es den Einspruch der Klägerin zu 1 gegen den Feststellungsbescheid vom falsch ausgelegt habe. Das FG habe auch keine Überprüfung der Einspruchsentscheidung vorgenommen. Als weitere Verfahrensmängel machen die Klägerinnen Verstöße des FG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend und rügen, dass die Klägerin zu 1 nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen sei, weil insoweit keine Prozessvollmacht vorgelegen habe. Ferner sei ihr Recht auf Gehör verletzt worden, weil das FG die mündliche Verhandlung trotz eines entsprechenden Antrags nicht vertagt habe. Ferner stelle eine fehlerhafte Beweiswürdigung einen Verfahrensmangel dar. Das Urteil des FG sei auch nicht mit Gründen versehen, weil es in den Entscheidungsgründen die Einspruchsentscheidung nicht erwähne. Schließlich liege auch Divergenz vor und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Dies beurteilt sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Denn die angefochtene Entscheidung des FG ist vor dem zugestellt worden.

1. Die Klägerinnen haben keinen Verfahrensmangel ordnungsgemäß i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor dem In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG (FGO a.F.) bezeichnet. Hierzu genügt die bloße Bezeichnung der angeblich verletzten Norm des Verfahrensrechts nicht. Vielmehr sind die Tatsachen genau anzugeben, die den Mangel schlüssig ergeben.

a) Soweit die Klägerinnen rügen, das FG habe den Einspruch der Klägerin zu 1 gegen den Feststellungsbescheid vom falsch ausgelegt, wird kein Verfahrensfehler, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler des FG geltend gemacht, der als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (Entscheidung des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 15/94, BFH/NV 1995, 128). Auch ein hierin möglicherweise liegender Fehler des FG bei der Auslegung von Vorschriften der AO 1977 stellt nur einen Fehler materiell-rechtlicher und nicht verfahrensrechtlicher Natur dar. Dies gilt generell auch für eine fehlerhafte Beurteilung von Vorschriften, die die Zulässigkeit des außergerichtlichen Vorverfahrens regeln (vgl. BFH-Entscheidungen vom VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, und vom V B 198/93, BFH/NV 1995, 602).

b) Auch das Vorbringen der Klägerinnen, das FG habe den Klagegegenstand verkannt, weil es keine Überprüfung der Einspruchsentscheidung vorgenommen habe, ergibt keinen Verfahrensmangel. Denn auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG (vgl. BFH-Entscheidungen vom IV R 109/90, BFHE 170, 88, BStBl II 1993, 235, und vom V B 85/94, BFH/NV 1995, 949), die Art- und Wertfortschreibung auf den sei mangels entsprechenden Einspruchs der Klägerin zu 1 bestandskräftig geworden, bedurfte es keiner Auseinandersetzung mehr mit der Einspruchsentscheidung.

c) Auch hinsichtlich der behaupteten Verletzung der Sachaufklärungspflicht liegt keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensfehlers vor. Erforderlich wären nämlich insoweit u.a. Ausführungen gewesen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (, BFH/NV 1995, 114). Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung im Streitfall nicht. Das FG hat ausgeführt, aus dem Einspruchsschreiben ließen sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass sich der Rechtsbehelf gegen die Art- und Wertfeststellung richten solle. Deshalb könnten bei der Auslegung außerhalb der Erklärung liegende Umstände nicht berücksichtigt werden. Die von den Klägerinnen als unterlassen gerügte Vernehmung von Zeugen zwecks Ermittlung des Erklärungswillens der Klägerin zu 1 konnte auf der Grundlage dieser Rechtserkenntnis des FG zu keiner anderen Entscheidung führen.

d) Die Rüge der mangelnden oder unzureichenden Vertretung der Klägerin zu 1 im finanzgerichtlichen Verfahren kann grundsätzlich nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, weil es sich um einen mit der zulassungsfreien Revision zu rügenden wesentlichen Verfahrensmangel gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO handeln würde (, BFH/NV 1996, 144). Dasselbe gilt für den Hinweis, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen.

e) Auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Die Klägerinnen hätten insoweit —was nicht geschehen ist— im Einzelnen substantiiert darlegen müssen, wozu sie sich nicht haben äußern können, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs (Vertagung) noch zusätzlich vorgetragen hätten und dass bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rdnr. 14, m.w.N.).

2. Soweit die Klägerinnen geltend machen, das Urteil der Vorinstanz weiche von der Entscheidung des (BFH/NV 1991, 726) ab, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. Für eine schlüssige Darlegung der Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wäre es erforderlich gewesen, der angefochtenen Entscheidung des FG einen diese Entscheidung tragenden allgemeinen (abstrakten) Rechtssatz zu entnehmen und ihm einen ebenfalls tragenden (abstrakten) Rechtssatz aus den BFH-Entscheidungen bzw. den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gegenüberzustellen, der zu ihm in Widerspruch stehen könnte (BFH-Entscheidungen vom I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Hieran fehlt es im Streitfall. Die im Stil einer Revisionsbegründung gehaltenen Rechtsausführungen der Klägerinnen ergeben keine Divergenz.

3. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift ”dargelegt” werden. Darlegen in diesem Sinn bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen, es erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu den für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen zu treffende Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Die —im Stil einer Revisionsbegründung abgefasste— Beschwerdeschrift der Klägerinnen enthält derartige Darlegungen nicht. Die Klägerinnen behaupten lediglich die grundsätzliche Bedeutung, ohne hierzu konkrete Gründe anzuführen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1128 Nr. 9
UAAAA-66790