Verfahrensrecht | Verlustfeststellung bei bestandskräftigem Steuerbescheid (FG)
Die einschränkenden Voraussetzungen
der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß
§ 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 sind
verfassungsgemäß. Diese Regelungen sind erstmals für Verluste anwendbar, für
die nach dem eine Erklärung zur Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG
2010) (; Revision anhängig) .
Sachverhalt: Der Kläger hatte im Jahr 2004 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer begonnen und im August 2005 erfolgreich abgeschlossen. Seine hierfür im Jahr 2004 aufgewendeten Kosten hatte das beklagte FA als Werbungskosten anerkannt und zum einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer gesondert festgestellt. Für das Jahr 2005 hatte der Kläger eine Einkommensteuererklärung eingereicht, in der er neben geringfügigen positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bei den Sonderausgaben unter der Bezeichnung „Aus-/Weiterbildung im nichtausgeübten Beruf“ auch weitere Kosten der Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer erklärt hatte. Das FA hatte daraufhin die Einkommensteuer des Klägers für 2005 auf 0 € festgesetzt, da sich ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergeben hatte. Der Einkommensteuerbescheid 2005 blieb unangefochten.
Der Kläger stellte am einen Antrag auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den , in welchem die ursprünglich als Sonderausgaben erklärten Ausbildungskosten nunmehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert wurden. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 2005 ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wollte der Kläger erreichen, dass der aus 2004 herrührende Verlustvortrag um die Berufsausbildungskosten des Jahres 2005 erhöht wird.
Hierzu führte das FG Baden-Württemberg weiter aus:
Da der Kläger erstmals nach dem maßgeblichen eine Verlustfeststellung zum beantragt habe, sind § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG 2010 anwendbar (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010).
§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 bewirkt eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid. Daher entfällt die Verlustfeststellung, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen VZ nicht mehr änderbar ist. Das gilt sowohl für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag als auch für die Änderung der Verlustfeststellung.
Im Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers war der Einkommensteuerbescheid 2005 bereits bestandskräftig. Eine Änderungsmöglichkeit nach der AO besteht nicht. Eine von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2010 abweichende Festsetzung nach Satz 5 der Vorschrift scheidet ebenfalls aus.
Der in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG 2010 enthaltene Anwendungsbefehl entfaltet zwar Rückwirkung, verstößt aber nicht gegen die Verfassung. Es liegt nur eine gerechtfertigte tatbestandliche Rückanknüpfung vor.
Der Gesetzgeber wollte mit § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 ausschließen, dass Rechtsfragen trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung im Verlustfeststellungsverfahren aufgeworfen werden können. Dies würde zu nicht beabsichtigten Vorteilen gegenüber anderen Steuerpflichtigen führen, die die nämliche Rechtsfrage im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung aufgeworfen und nach für sie negativer Entscheidung im Vertrauen auf die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Rechtsprechung den (ggf. negativen) Feststellungsbescheid hätten unanfechtbar werden lassen.
Die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG 2010 soll den Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens nicht dadurch abnehmen, dass ihnen gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem FA erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr als relevant erscheinen lässt.
Das zeigt auch der vorliegende Fall. Der Kläger hätte lediglich die streitbefangenen Aufwendungen bereits im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für 2005 als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit erklären und auf der Grundlage dieser Qualifizierung einen Antrag auf Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs auf den stellen müssen.
Gegen das Urteil ist Revision beim BFH unter dem Az. IX R 15/17 anhängig.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 3/2017 (Sc)
Fundstelle(n):
RAAAG-48765