BFH Urteil v. - I R 120/98

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob und inwieweit aus der Veräußerung von Fondsanteilen erzielte Überschüsse der Besteuerung unterliegen.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre (1992 und 1993) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erwarb im Jahr 1991 Anteile an dem ausländischen A-Fonds, der von der A-Bank verwaltet wurde und in fest- sowie variabel verzinsliche Wertpapiere investierte. Nach dem Verkaufsprospekt der A-Bank wurde den Fonds-Anlegern für jeweils festgelegte Zeiträume eine verbindliche Mindest-Wertentwicklung der Anteile garantiert.

Im Einzelnen erwarb der Kläger 1991:


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Kaufdatum
Anzahl Anteile
Preis je Anteil (DM)
Gesamtpreis (DM)  
22 800
100,18
2 284 104
 1 000
101,95
  101 950
 
23 800
 
2 386 054

Diese Anteile veräußerte der Kläger im Jahr 1992 wie folgt:


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Verkaufsdatum
Anzahl der Anteile  
Erlös pro Anteil (DM)  
Gesamterlös (DM)  
   952,20
105,02
  100 000,00
22 847,80
106,72
2 438 317,21
 
23 800,00
 
2 538 317,21

In dem Rechenschaftsbericht zum wurde darauf hingewiesen, dass der zum garantierte Rücknahmepreis von 106,12 DM je Anteil bereits am überschritten worden sei und der Rücknahmepreis am   107,45 DM betragen habe.

Zudem erwarb der Kläger im Jahr 1991 Anteilszertifikate an dem inländischen B-Fonds. Dieser Fonds investierte vorwiegend in festverzinsliche Wertpapiere mit kürzeren Laufzeiten. Nach dem Verkaufsprospekt war der Fonds nur für eine begrenzte Zeit aufgelegt. Der Erwerb von Anteilen war nur bis zum möglich, und die Abwicklung sollte am beendet sein. Bis zur Auflösung des Fonds konnten die Anteilsinhaber jederzeit die Rücknahme der von ihnen erworbenen Anteile zum jeweiligen Rücknahmepreis, der dem Inventarwert pro Anteil entsprach, verlangen. Bei Auflösung des Fonds sollte der Anleger nicht nur sein eingebrachtes Kapital, sondern auch eine angemessene Verzinsung erhalten.

Im Einzelnen erwarb der Kläger 1991:


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Kaufdatum
Anzahl der Anteile  
Preis pro Anteil (DM)  
Gesamtkaufpreis (DM)  
16 000
100,62
1 609 920

Diese Anteile veräußerte der Kläger am für 108,91 DM je Anteil (Gesamterlös: 1 742 560 DM). Nach dem Rechenschaftsbericht zum belief sich das Anlageergebnis pro Anteil auf 119,04 DM und übertraf den erwarteten Rücknahmepreis von 117,25 DM.

In den Jahren 1992 und 1993 kaufte der Kläger Anteilszertifikate an dem ausländischen C-Fonds. Nach der Konzeption dieses —bis zu seiner Auflösung zum befristeten— Fonds sollte ein Rückzahlungspreis prognostiziert werden, den der Anleger bei Ablauf des Fonds erwarten konnte. Im Einzelnen erwarb der Kläger 1993:


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Kaufdatum
Anzahl der Anteile  
Preis pro Anteil (DM)  
Gesamtkaufpreis (DM)  
1992
15 800,00
103,59
1 636 722
1993
11 381,55
101,48
1 155 000
 
27 181,55
 
2 791 722

Diese Anteile veräußerte der Kläger im Jahr 1993 wie folgt:


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Verkaufsdatum
Anzahl der Anteile  
Erlös pro Anteil (DM)  
Gesamterlös (DM)  
15 800,00
116,90
1 847 020,00
11 381,55
105,57
1 203 599,22
 
27 181,55
 
3 050 619,22

Nach dem Verkaufsprospekt war ein zu erwartender Rückkaufswert nicht erkennbar.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) errechnete für das Streitjahr 1992 aus der Veräußerung der Anteile des A-Fonds einen Überschuss von 152 263,20 DM (2 538 317,21 DM ./. 2 386 054 DM) sowie aus der Veräußerung der Anteilszertifikate des B-Fonds einen Überschuss von 132 640 DM (1 742 560 DM ./. 1 609 920 DM). Beide Beträge setzte er als Einnahmen des Klägers aus Kapitalvermögen an. Für das Streitjahr 1993 berechnete das FA aus der Veräußerung Anteilszertifikate des C-Fonds einen Überschuss in Höhe von 258 897 DM (3 050 619 DM ./. 2 791 722 DM), den es gleichfalls als Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigte. Zur Begründung führte es aus, es handele sich um Kapitalerträge, da ein bestimmter Rücknahmepreis garantiert worden sei.

Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1010 abgedruckt.

Mit der —vom FG zugelassenen— Revision rügt das FA eine Verletzung des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Erträge des Klägers aus der Veräußerung der Fondsanteile nicht der Einkommensteuer unterliegen:

1. Der Senat hat mit Urteil vom I R 99/96 (BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22) entschieden, dass ”Zwischengewinne” aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Investmentfonds in der Zeit bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (StMBG) vom (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) weder nach § 17 oder § 18 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen vom (AuslInvestmG) noch nach § 20 EStG steuerpflichtig sind. Diese Beurteilung beruht auf der Erwägung, dass erstens § 21 Abs. 8 des Außensteuergesetzes (AStG) die Anwendung des AuslInvestmG für die Streitjahre nicht ausschließt, dass zweitens das AuslInvestmG in der hier maßgeblichen Fassung eine Besteuerung der ”Zwischengewinne” nicht vorsieht und dass drittens §§ 17 f. AuslInvestmG für den Bereich der Erträge aus der Beteiligung an ausländischen Investmentfonds die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften —insbesondere auch § 20 EStG— verdrängen. Der Senat hält daran fest und verweist zur Begründung auf die genannte Entscheidung.

Aus ihr folgt, dass die vom Kläger erzielten Zwischengewinne nicht der Einkommensteuer unterliegen, soweit sie durch die Veräußerung von Anteilen an ausländischen Investmentfonds erzielt worden sind. Das gilt unabhängig davon, ob der in Rede stehende Fonds nach dem hierfür maßgeblichen ausländischen Recht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet war oder nicht. Ebenso ist unerheblich, ob es sich um einen ”ausschüttenden” oder um einen ”thesaurierenden” Fonds handelte; die Ansicht des FA, dass §§ 17 f. AuslInvestmG auf thesaurierende Fonds nicht anwendbar seien, vermag der Senat aus dem Gesetz nicht abzuleiten. Ohne Bedeutung ist schließlich auch, dass die Fonds-Verwaltungsgesellschaft den Anlegern eine bestimmte Mindest-Wertentwicklung garantiert hatte; insoweit gilt nichts anderes als im Fall einer Renditegarantie (hierzu Senatsurteil in BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22, 23 f., unter II. 1. f der Entscheidungsgründe).

2. Soweit die streitigen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Fonds resultieren, gelten im Ergebnis dieselben Grundsätze wie für ausländische Fondsanteile. Denn hierfür sind die §§ 38 ff. des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung maßgeblich. Sie stimmen in den hier interessierenden Punkten mit denjenigen des AuslInvestmG überein:

a) Das gilt zunächst insoweit, als auch das KAGG Kursgewinne im Zusammenhang mit der Veräußerung von Fondsanteilen (”Zwischengewinne”) erst seit der Einfügung des § 39 Abs. 1 a durch das StMBG den steuerpflichtigen Einkünften zuordnet. Diese Regelung ist erstmals auf Zwischengewinne anwendbar, die nach dem zufließen (§ 43 Abs. 9 KAGG i.d.F. des StMBG). Sie greift deshalb im Streitfall nicht ein.

b) Andererseits gilt für das KAGG ebenso wie für das AuslInvestmG, dass die dort enthaltenen Regelungen es ausschließen, die Einkünfte des Anlegers nach § 20 EStG zu besteuern. Zwar können Kapitalanlagegesellschaften i.S. des KAGG nur bestimmte juristische Personen sein (§ 1 Abs. 2 KAGG), so dass die zu §§ 17 f. AuslInvestmG angestellten Überlegungen des Senats für inländische Fonds nicht unmittelbar greifen. Das gilt namentlich insoweit, als der Senat darauf abgestellt hat, dass das AuslInvestmG die Besteuerung von Erträgen aus einem nichtrechtsfähigen Fonds gegenüber den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften einschränkt und dass diese Privilegierung nicht durch eine unmittelbare Anwendung jener Vorschriften beseitigt werden darf (Senatsurteil in BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22, 23, unter II. 1. e der Entscheidungsgründe). Dennoch enthält auch das KAGG hinsichtlich der Besteuerung des Anlegers eine abschließende Spezialregelung, die einen Rückgriff auf die Normen des EStG —und damit auch auf dessen § 20— ausschließt. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

aa) Hinsichtlich der Besteuerungstechnik stimmen die Regelungen des KAGG einerseits und des AuslInvestmG andererseits weitgehend überein. Zwar bestimmt § 38 Abs. 1 Satz 1 KAGG im Gegensatz zum AuslInvestmG ausdrücklich, dass das Wertpapier-Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft als Zweckvermögen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) gilt; zugleich wird jedoch dieses Zweckvermögen als solches —von bestimmten Ausnahmen abgesehen— von der Körperschaftsteuer befreit (§ 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 38a KAGG). Andererseits werden sowohl die Ausschüttungen aus dem Sondervermögen als auch die nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Einnahmen i.S. des § 20 EStG den Einkünften des Anteilseigners zugerechnet (§ 39 Satz 1 KAGG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom , BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224, 254). Schließlich stellt § 40 KAGG bestimmte Erträge des Anlegers in einem mit § 17 Abs. 2 AuslInvestmG vergleichbaren Umfang steuerfrei. Damit folgt das KAGG ebenso wie das AuslInvestmG einem (nur) eingeschränkten ”Transparenzprinzip” (vgl. hierzu Senatsurteil in BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22, 23, m.w.N.), das darauf abzielt, Erträge des Fonds einerseits unmittelbar beim Anleger zu erfassen und andererseits bei diesem teilweise steuerlich zu begünstigen. Insbesondere Spekulationsgewinne des Fonds aus der Veräußerung von Wertpapieren bleiben nach der für die Streitjahre geltenden Gesetzesfassung sowohl im Fall der Thesaurierung —weil nicht ”Einnahmen i.S. des § 20 EStG” (§ 39 Satz 1 KAGG)— als auch im Ausschüttungsfall —nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 KAGG— vollständig unbesteuert.

bb) Vor diesem Hintergrund enthalten die im KAGG getroffenen Regelungen ebenso eine Privilegierung des Anteilseigners wie diejenigen in §§ 17 f. AuslInvestmG. Diese Privilegierung bezieht sich zwar unmittelbar auf die Besteuerung der vom Fonds selbst erzielten Erträge und nicht auf die Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Fondsanteilen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Transparenzprinzip gebietet es jedoch, beide Formen der Einkunftserzielung gleich zu behandeln. Gerade in Ansehung des Umstandes, dass der Gesetzgeber die Einkünfte des Fonds grundsätzlich wie Einkünfte des Anlegers behandeln will, muss die Verfügung des Anlegers über Fondsanteile ertragsteuerrechtlich nach denselben Regeln behandelt werden wie vergleichbare vom Fonds selbst erzielte Einkünfte. Das setzt voraus, dass die Besteuerungsvorschriften des KAGG —ebenso wie diejenigen des AuslInvestmG— die allgemeinen Regeln des EStG verdrängen.

cc) Eine dahin gehende Würdigung ist nach Ansicht des Senats umso mehr geboten, als sie zu einer steuerlichen Gleichbehandlung von Anlegern inländischer und ausländischer Fonds führt. Deshalb muss trotz des Umstands, dass das KAGG sich im Unterschied zum AuslInvestmG nur auf körperschaftlich strukturierte Fonds erstreckt, hier dieselbe Privilegierung des Anlegers Platz greifen wie im Zusammenhang mit Auslandsfonds. Durch diese Überlegung sieht sich der Senat in seiner Annahme bestärkt, dass wie §§ 17 f. AuslInvestmG, auch die Regelungen des KAGG die Anwendung der allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ausschließen.

c) Vor diesem Hintergrund muss im Streitfall im Hinblick auf die inländischen Fondsanteile nicht auf die Erwägung des FA eingegangen werden, dass der vom Kläger erzielte Gewinn angesichts der erteilten Wertentwicklungsgarantie § 20 EStG unterfalle. Selbst wenn man dem im Grundsatz folgen wollte, wäre eine Anwendung jener Vorschrift durch §§ 38 ff. KAGG ebenso ausgeschlossen wie durch §§ 17 f. AuslInvestmG.

3. Schließlich kann die vom FA angestrebte Besteuerung der vom Kläger erzielten Gewinne nicht auf § 42 AO 1977 gestützt werden. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Veräußerung der Fondsanteile selbst dann nicht als gestaltungsmissbräuchlich zu werten ist, wenn durch sie ein ansonsten eintretender Zufluss steuerpflichtiger Einnahmen vermieden werden sollte. Eine andere Beurteilung wäre nur dann angezeigt, wenn das Geschäft alsbald nach einem steuerlich erheblichen Stichtag rückgängig gemacht worden wäre oder sich aus anderen Gründen als nur kurzfristig vorgeschoben erwiese (Senatsurteil in BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22, 24, m.w.N.). Das aber ist nach den Feststellungen des FG nicht der Fall.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1539 Nr. 12
YAAAA-66715