IWB Nr. 12 vom Seite 1

Unter Generalverdacht

Nils Henrik Feddersen | Verantw. Redakteur | iwb-redaktion@nwb.de

Zwei [i]Skandale haben das legislative Klima verändertaktuelle Vorhaben sprechen dafür, dass sich der steuerpolitische Mainstream ein Bett gegraben hat, das von der Wirtschaft und ihren Beratern inzwischen weit entfernt ist. Zugespitzt erscheinen Unternehmer, Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und nicht zuletzt „die Banken“ danach offenbar als Schurken oder deren Komplizen. Trotz evidenter Rechtsverstöße könnte weniges weiter von der Realität entfernt sein. Allein, nach dem Cum/Ex-Skandal, nach den Panama Papers und weiteren Manipulationen bläst der Wind diesem Personenkreis ins Gesicht. Es ist keine laue Brise.

[i]Rechtliche Zweifel am § 4j EStG und auch am Kosten-Nutzen-VerhältnisSo ist jetzt das Vorhaben der deutschen Lizenzschranke zum Abschluss gekommen. Aller Kritik und der internationalen Zusammenarbeit zum Trotz wird im Vorgriff auf die absehbare Anpassung der Präferenzregime in allen OECD-Staaten bis Mitte 2021 die deutsche Schranke bereits Anfang 2018 fallen. Der Gesetzgeber selbst rechnet nur mit 650 Anwendungsfällen des neuen § 4j EStG. Spürbare Mehreinnahmen sind nicht einmal das Ziel (der Entwurf nennt 100 Mio. € über drei Jahre ) – Steueroasen wird damit nicht das Wasser abgegraben. Doch steigt einmal mehr der Complianceaufwand für viele Unternehmen beträchtlich. Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorhabens sind damit nicht ausgeräumt, wie van Lück/Niemeyer ab zeigen.

[i]ATAD 2-Richtlinie im EU-Amtsblatt unter http://go.nwb.de/gfts1Noch größer sind die jüngeren „Impulse für das europäische Steuerrecht“ (s. dazu auch Cloer/Gerlach in einem Fazit zur EU-Ratspräsidentschaft Maltas ab ). So wurde die durchaus begrüßenswerte Richtlinie (EU) 2017/952 (ATAD 2) inzwischen im Amtsblatt verkündet.

[i]Entwurf für eine EU-Richtlinie zur Anzeigepflicht für Intermediäre unter http://go.nwb.de/sg1qeGewaltig dürfte das Echo einer nun konkret avisierten EU-Richtlinie sein, die viele Berater und Dienstleister zur Meldung von grenzüberschreitenden Gestaltungen zwingen soll. Jede Steuerstrategie, die einzelne Kennzeichen aufweist, soll danach in Zukunft „innerhalb von fünf Tagen ab Bereitstellung an einen Kunden der zuständigen Steuerbehörde unter Angabe der Einzelheiten gemeldet werden.“ Die EU-Mitgliedstaaten müssten dann die Informationen automatisch austauschen, die sie von Intermediären erhalten.

Das Vorhaben trägt Orwellsche Züge und lässt fast jede Differenzierung zwischen legalen Steuersparmodellen und illegaler Steuerhinterziehung vermissen. Hier hegt die Legislative entweder ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber jeder Steuergestaltung im weiteren Sinn oder sie hat Angst vor der öffentlichen Meinung, derzufolge niemand Transparenz fürchten muss, der keinen Dreck am Stecken hat. Man wird der Komplexität des internationalen Steuerrechts aber nicht gerecht, wenn man jeden kreativen Schritt – auch mit dem legitimen Ziel, nicht mehr Steuern zu zahlen als gesetzlich vorgeschrieben ist – unter Generalverdacht stellt.

Ich wünsche Ihnen viele hilfreiche Erkenntnisse

Nils Henrik Feddersen

Fundstelle(n):
IWB 12 / 2017 Seite 1
YAAAG-48297