Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden, die auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine inzwischen in Liquidation befindliche GmbH, gab im Mai 1996 Steuererklärungen für das Streitjahr 1994 ab. Ausweislich dieser Erklärungen belief sich ihr zu versteuerndes Einkommen bei einem Umsatz von mehr als 190 000 DM auf 1 865 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zweifelte die Richtigkeit dieser Angabe an und forderte die Klägerin auf, verschiedene Unterlagen einzureichen. Nachdem sich die Klägerin hierzu nicht geäußert hatte, setzte er die Besteuerungsgrundlagen abweichend von den erklärten Werten an.
Gegen die auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens setzte das FA ihr gemäß § 364b Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Frist zur Vorlage der ausstehenden Unterlagen. Hierauf reagierte die Klägerin nicht. Daraufhin wies das FA den Einspruch zurück. In der Einspruchsentscheidung ist ausgeführt, dass die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei und dass nach Aktenlage keine Veranlassung bestehe, die Steuer anders als geschehen festzusetzen.
Im Verlauf des sich hieran anschließenden Klageverfahrens, in dem die Klägerin nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, wurde die Klägerin wegen eines Satzungsmangels gemäß § 144a des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) i.V.m. § 65 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) im Handelsregister gelöscht. Das Finanzgericht (FG) wies ihre Klage ab und verwies zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung; ergänzend wies es auf § 76 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie darauf hin, dass die Klägerin auch im Klageverfahren die vom FA angeforderten Unterlagen nicht beigebracht habe. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, dass das FG den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt habe. Es habe eine wirksame Fristsetzung gemäß § 364b AO 1977 unterstellt, während tatsächlich ein Schreiben mit einer solchen Fristsetzung ihr —der Klägerin— nicht zugegangen sei. Richtigerweise hätte das FG die Begründetheit der Klage prüfen und ggf. fehlende Unterlagen anfordern müssen. Dies sei nicht geschehen.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Dem FG ist weder der von der Klägerin gerügte noch ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensfehler unterlaufen.
1. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts. Das gilt auch dann, wenn der Vortrag der Klägerin zutrifft, dass ihr das Schreiben des FA mit der Fristsetzung nach § 364b AO 1977 nicht zugegangen sei. Denn das FG hat seine Entscheidung nicht auf die Versäumung einer vom FA gesetzten Frist, sondern darauf gestützt, dass die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die vom FA angeforderten Unterlagen nicht vorgelegt hatte.
a) Das FG hat in seinem Urteil, was nach § 105 Abs. 5 FGO zulässig ist, auf die Einspruchsentscheidung des FA Bezug genommen. Diese Einspruchsentscheidung ist in erster Linie darauf gestützt, dass die Klägerin die angeforderten Nachweise nicht erbracht habe, dass sie deshalb ihrer Mitwirkungspflicht (§ 90 AO 1977) nicht nachgekommen sei und dass die Überprüfung nach Aktenlage nicht zu einer Änderung der angefochtenen Bescheide führe. Diese Einschätzung hat sich das FG mithin zu Eigen gemacht.
b) Angesichts dessen muss hier nicht erörtert werden, ob ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gegeben wäre, wenn das FG einen nachgereichten Vortrag der Klägerin zurückgewiesen und sich hierbei zu Unrecht auf die Fristsetzung nach § 364b AO 1977 berufen hätte. Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall schon deshalb nicht vor, weil ausweislich des angefochtenen Urteils die Klägerin im Klageverfahren nichts Neues vorgetragen hat. Das FG hat vielmehr, nachdem die Klägerin nicht an der weiteren Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt hatte, von seiner Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 Abs. 2 AO 1977) Gebrauch gemacht und sich hierbei auf die voraufgegangene Schätzung des FA berufen. Ein Verfahrensmangel liegt hierin nicht.
Das gilt insbesondere unter dem von der Klägerin angesprochenen Gesichtspunkt der mangelhaften Sachaufklärung. Eine solche ist im Streitfall schon deshalb nicht gegeben, weil die Aufklärungspflicht des FG durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt wird (, BFH/NV 2000, 871; Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 76 FGO Rz. 47, m.w.N.). Diese Pflicht hatte die Klägerin im Streitfall nicht zuletzt deshalb verletzt, weil die vom FA und vom FG vermissten Nachweise Umstände betrafen, die sich in der Sphäre der Klägerin abgespielt hatten und die ohne deren Mitwirkung nicht nachvollzogen werden konnten.
2. Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht darin, dass das FG über die Klage entschieden hat, obwohl die Klägerin zuvor im Handelsregister gelöscht worden war und im Klageverfahren keinen Prozessbevollmächtigten bestellt hatte. Insbesondere war das FG nicht gehalten, im Hinblick hierauf zunächst die Bestellung eines Vertretungsorgans für die Klägerin zu veranlassen. Denn diese wurde trotz der Löschung weiterhin durch ihren früheren Geschäftsführer als Liquidator vertreten.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird, wenn eine Kapitalgesellschaft wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wird (§ 141a FGG; früher: § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften —LöschG— vom , RGBl I 1934, 914), ein gerichtliches Verfahren unterbrochen (Senatsurteil vom I R 65/98, BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500, m.w.N.). Dies beruht darauf, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft mit der Löschung seine Vertretungsbefugnis verliert und deshalb die Gesellschaft mangels Vertreters prozessunfähig wird. Das wiederum ist aus der in § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG (§ 2 Abs. 3 LöschG) enthaltenen Bestimmung abzuleiten, nach der in den dort genannten Fällen ein etwa erforderlicher (Nachtrags-)Liquidator der Gesellschaft durch das Gericht zu ernennen ist (Senatsurteil vom I R 144-145/66, BFHE 90, 336, BStBl II 1968, 95).
b) Im Streitfall geht es indessen nicht um eine Löschung wegen Vermögenslosigkeit. Die Klägerin ist vielmehr wegen eines Satzungsmangels gelöscht worden. Die hierfür maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften enthalten keine mit § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG (§ 2 Abs. 3 LöschG) vergleichbare Regelung. Vielmehr bestimmt § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, dass eine GmbH mit der Rechtskraft der einen Satzungsmangel feststellenden Entscheidung (§ 144a Abs. 2 FGG) aufgelöst wird, also in das Liquidationsstadium eintritt. In diesem Stadium wird die Gesellschaft, sofern keine abweichende Bestimmung getroffen ist, durch die früheren Geschäftsführer als Liquidatoren vertreten (§ 66 Abs. 1 GmbHG). Einer besonderen Erklärung der Gesellschaft oder gar einer gerichtlichen Einsetzung der Liquidatoren bedarf es hierfür nicht (Scholtz/Schmidt, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 66 Rz. 5; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 66 Rz. 1). Auch die nachfolgende Eintragung im Handelsregister (§ 65 Abs. 1 GmbHG), die nur deklaratorische Bedeutung hat (Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 19. Aufl., § 144a FGG Rz. 17), macht einen solchen Bestellungsakt nicht erforderlich. Vielmehr bleibt es in Fällen dieser Art bei der Vertretungsbefugnis der (früheren) Geschäftsführer, solange nicht andere Personen zu Liquidatoren bestellt worden sind. Vor diesem Hintergrund war die Klägerin im Klageverfahren ausreichend vertreten, so dass das FG an einer Sachentscheidung nicht gehindert war.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1284 Nr. 10
BAAAA-66646