BGH Beschluss v. - VII ZR 181/16

Gehörsverstoß des Berufungsgerichts im Bauprozess: Nichteingehen auf den wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei

Gesetze: § 634 Nr 4 BGB, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 7 U 120/15vorgehend LG Itzehoe Az: 7 O 159/14nachgehend Az: 7 U 120/15 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt den Beklagten, der unter anderem Erdbauarbeiten durchführt, auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin beabsichtigte in den Jahren 2013/2014 den - mittlerweile fertiggestellten - Neubau eines Cafés im Stadtpark von H. Der Beklagte erhielt aufgrund Angebots vom den Auftrag, die Baugrube auszuheben. In diese sollte ein sogenannter "Thermo-Rohbau-Keller" der J.-S. GmbH, ein aus Fertigteilen zusammengesetzter Keller, eingebaut werden.

3Ein Mitarbeiter der Beklagten hob die Baugrube zwischen dem und dem aus. Dabei erfolgte vor Ort vor Beginn der Arbeiten eine Einweisung durch den Zeugen R. (Ehemann der Klägerin) sowie durch den als Bauleiter der Klägerin agierenden Zeugen W. Durch diese wurde auch der sogenannte Nullpunkt vorgegeben.

4Der Beklagte rechnete seine Arbeiten unter dem mit 9.037,43 € ab. Dieser Betrag wurde von der Klägerin gezahlt.

5Im Frühjahr 2014 wurde der Keller geliefert und eingebaut, wobei dieser rund 80 cm über die Geländeoberfläche hinausragte. Weil dies nicht den genehmigten Bauplänen entsprach, forderte die Stadt H. von der Klägerin den Rückbau des Kellers und die Errichtung des Gebäudes nach den genehmigten Planungen.

6Mit Anwaltsschreiben vom forderte die Klägerin den Beklagten auf, bis zum mitzuteilen, ob er "an einer einvernehmlichen Vertiefung der Kellergrube gegen Übernahme der Kosten auf Ihre Rechnung bei gleichzeitiger Vertiefung interessiert" sei. Zudem ließ sie "hiermit hinsichtlich des Rückbaus des Kellers um 80 cm Tiefe" den Beklagten "ausdrücklich in Verzug" setzen und kündigte "nach Ablauf der Frist die kostenmäßig gegen Sie gewandte Ersatzvornahme durch einen dritten Unternehmer" an.

7Der Beklagte lehnte dies mit Anwaltsschreiben vom unter Hinweis darauf ab, er habe die Baugrube ordnungsgemäß ausgehoben. Mit weiterem Schreiben vom ließ die Klägerin dem Beklagten eine Frist zur ordnungsgemäßen Herstellung der Baugrube bis zum setzen. Diese Frist verstrich ergebnislos.

8Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei ihr wegen mangelhaften Aushubs der Baugrube zum Schadensersatz verpflichtet.

9Sie hat in erster Instanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 68.246,50 € nebst näher bezeichneter Zinsen zu zahlen.

10Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen.

11Die Berufung der Klägerin, mit der sie einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.057,83 € weiterverfolgt, ist erfolglos geblieben. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren Zahlungsantrag weiterverfolgt.

II.

12Das Berufungsgericht führt, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes aus:

13Im Ergebnis zutreffend habe das Landgericht die Klage abgewiesen.

14Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheiterten Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 634 Nr. 4, § 636 BGB nicht an einer fehlenden Fristsetzung zur Mängelbeseitigung. Es fehle vielmehr an der Grundvoraussetzung werkvertraglicher Gewährleistungsansprüche, nämlich einem Mangel der vom Beklagten ausgehobenen Baugrube. Ein Mangel im Sinne von § 633 Abs. 1 BGB folge nicht schon daraus, dass der Fertigkeller rund 80 cm aus der Baugrube herausragte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dem Beklagen die klare Vorgabe gemacht worden wäre, dass die Oberkante des Kellers nach Einbau ohne weitere Maßnahmen eben mit dem Gelände abschließen sollte. Dies ergebe sich nicht bereits aus der Skizze Anlage K 9.

15Maßgeblich für einen Mangel der Erdarbeiten des Beklagten sei vielmehr, ob dieser vom sogenannten Nullpunkt aus hinreichend tief in die Baugrube ausgehoben habe. Diesen Nullpunkt vorzugeben, sei Sache des Auftraggebers gewesen, mithin der Klägerin. Dabei sei schon erstinstanzlich unstreitig gewesen, dass genau dies vor Ausführung der Arbeiten durch die Zeugen R. und W. erfolgt sei. Nach dem detaillierten Vorbringen des Beklagten, das er anschaulich im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Berufungsgericht ergänzt habe und dem die Klägerin in erheblicher Weise nicht entgegengetreten sei, sei ihm unter dem der Fußpunkt einer ca. 3,50 m südöstlich von der geplanten Baugrube entfernten Eiche als Nullpunkt vorgegeben worden. Dass davon ausgehend der Beklagte die Baugrube nicht ordnungsgemäß ausgehoben hätte, habe die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin weder substantiiert behauptet noch unter Beweis gestellt.

III.

16Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

171. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde allerdings gegen die - von der Klägerin in der Berufungsinstanz erfolglos mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag beanstandete - Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Nullpunkt von den im Lager der Klägerin stehenden Zeugen R. und W. vorgegeben wurde. Die diesbezüglichen Gehörsrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

182. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt indes zu Recht, dass das Berufungsgericht bezüglich des Vorbringens der Klägerin in der Berufungsbegründung vom , Seite 10, der Beklagte habe unter Berücksichtigung der erhaltenen Bauzeichnungen (Anlage K 9) jedenfalls gegen seine Pflicht verstoßen, auf den Widerspruch zwischen der Vorgabe des Nullpunkts und der sich aus den Bauzeichnungen ergebenden Lage des Kellers hinzuweisen, den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hat.

19a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Berufungsgericht in den Gründen des Berufungsurteils auf den wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. , IHR 2016, 124, juris Rn. 7; Beschluss vom - VII ZR 187/13 Rn. 6; Beschluss vom - VIII ZR 338/09, WuM 2011, 300 Rn. 3; BVerfG, NJW 2009, 1584 Rn. 14 m.w.N.).

20b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG im Streitfall verletzt.

21aa) In der Berufungsbegründung Seite 10 hat die Klägerin unter anderem Folgendes geltend gemacht:

22"Danach kommt es auch nicht darauf an, ob dem Beklagten ein gesonderter '0-Punkt' vorgegeben worden ist, an dem er sich bei dem Ausheben der Baugrube orientiert haben will. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte (was nicht zutrifft) führt schlichte Denklogik zu dem Schluss, dass der Nullpunkt 80 cm zu hoch hätte angebracht werden müssen, da der dann eingebaute Keller das Bodenniveau um 80 cm überragte. Dann hätte jedoch ein ganz erheblicher und offensichtlicher Widerspruch zwischen der Bauzeichnung mit dem Keller unter Niveau und dem angeblichen 0-Punkt mit der Folge eines 80 cm über Niveau ragenden Kellers bestanden. Selbst wenn somit der vom Beklagten behauptete (angebliche) Nullpunkt vorgegeben worden wäre, wäre es nach den Maßgaben der Rechtsprechung seine Pflicht gewesen, auf den Widerspruch zwischen Höhe des (angeblichen) Nullpunkts und der Bauzeichnung hinzuweisen und den Widerspruch aufzuklären. Dieser Pflicht ist er jedoch weder bei der Auftragsvergabe noch vor Beginn oder während der Ausschachtungsarbeiten nachgekommen ..."

23bb) Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass der Beklagte die Bauzeichnungen gemäß Anlage K 9 vor Beginn des Aushubs von der Klägerin erhalten hat.

24Hieraus ergab sich in Verbindung mit den vorgelegten Fotografien (Anlagen K 10, K 11), dass die Kelleroberkante ebenerdig mit der umliegenden Geländefläche abschließen sollte und ein Gefälle nicht vorhanden war. Die in den Bauzeichnungen Anlage K 9 eingezeichnete Außentreppe führte von der Geländefläche auf die Sohle des Kellers. Dies steht im Widerspruch zu der von dem Berufungsgericht festgestellten Vorgabe des Nullpunkts. Mit diesem Tatsachenbefund und dem aufgezeigten Widerspruch, auf den die Klägerin ihr Vorbringen erkennbar gestützt hat, hat sich das Berufungsgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt und damit den Kern des klägerischen Vorbringens nicht erfasst und nicht verbeschieden.

25c) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör kann das angefochtene Urteil auch beruhen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es das betreffende Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen hätte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:180117BVIIZR181.16.0

Fundstelle(n):
IAAAG-46639