Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren 1995 und 1996 Inhaber eines Gewerbebetriebs.
Da er für diese Jahre —zunächst— keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen (Gewinn 45 000 DM —1995— und 50 000 DM —1996—; zu versteuerndes Einkommen 36 276 DM —1995— bzw. 66 072 DM —1996—; Umsatz 530 000 DM —1995— bzw. 480 000 DM —1996— und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 75 500 DM —1995— und 66 000 DM —1996—). Im Einspruchsverfahren reichte der Kläger die Erklärungen nach. Er erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 61 980 DM (1995) bzw. ./. 55 000 DM (1996). Die Umsatzsteuerzahllast gab er für 1995 mit 22,37 DM (bei steuerpflichtigen Umsätzen von 485 078 DM) und für 1996 mit ./. 718,28 DM (bei steuerpflichtigen Umsätzen von 409 046 DM) an. Jahresabschlüsse mit Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnungen oder Aufzeichnungen gemäß § 22 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) legte er trotz Aufforderung durch das FA nicht vor. Den Unterzeichner der Aufforderung lehnte der Kläger als befangen ab, da er ihn 1982 zur Betriebsprüfung gemeldet habe. Das FA wies das Begehren zurück. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1995 schätzte das FA auf 0 DM. Den hiergegen eingelegten Einspruch verwarf das FA als unzulässig, denn der Kläger sei nicht beschwert.
Für 1997 erklärte der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 72 502 DM sowie steuerpflichtige Umsätze von 266 623 DM, obwohl die vom Kläger eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen Umsätze zum Steuersatz von 15 % in Höhe von 373 902 DM auswiesen. Da er wiederum keine Bilanzen bzw. Aufzeichnungen gemäß § 22 Abs. 2 UStG vorlegte, schätzte das FA den Gewinn auf 40 000 DM, die steuerpflichtigen Umsätze auf 300 000 DM. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Mit der Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1995 rügt der Kläger, dass eine Einspruchsentscheidung nicht vor der Entscheidung über seinen Befangenheitsantrag hätte ergehen dürfen. Der ”unzulässige Besteuerungssachverhalt” 1977 bis 1982 wirke sich im einheitlichen Besteuerungsverfahren durch Schuldvortrag bis auf die Gewerbesteuer 1995 negativ aus.
In den Klagen gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerfestsetzungen für 1995 und 1996 wirft der Kläger dem FA unzulässige ”Vorteilsnahme” zu seinen Lasten und Amtspflichtverletzung vor. Bei der Besteuerung hätten die —nach Auffassung des Klägers— ”unzulässigen Änderungsbesteuerungen” der Jahre 1977 bis 1982 bereinigt werden müssen. Der Kläger erstrebt nach seinem Vorbringen in der Beschwerdeschrift mit diesen Klagen ein Verwertungsverbot und die Aufrechnung aus einer ”vorgetäuschten” Außenprüfung aus dem Jahr 1983, die nie stattgefunden haben soll. Streitgegenstand und Tatbestand der drei Verfahren soll daneben eine dem Kläger im Jahr 1992 bekannt gewordene, durch einen Sachbearbeiter des FA vorgenommene heimliche Veränderung eines Einzahlungsbelegs über eine Kautionszahlung im Strafverfahren sein. Das FA habe die Kaution über die ”vorgetäuschte” Außenprüfung unzulässigerweise durch Scheinsollstellungen verbraucht.
Durch Beschluss vom hat das Finanzgericht (FG) dem Kläger gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, in den anhängigen Verfahren einen Bevollmächtigten zu seiner Vertretung zu bestellen. Es habe aus dem Inhalt der vom Kläger eingereichten Schriftsätze die Überzeugung gewonnen, dass er nicht in der Lage sei, die Tragweite der ergangenen Entscheidungen angemessen zu würdigen und seine Interessen gehörig wahrzunehmen. Auch ein geordneter Fortgang der noch anhängigen Verfahren erscheine ohne Einschaltung eines sachkundigen Beraters nicht mehr gewährleistet. Das FG verwies auf zwölf Klageverfahren, die der Kläger im Anschluss an die Außenprüfung 1983 angestrengt habe und die zwischenzeitlich —teilweise nach erfolgloser Revision— mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossen worden seien. Die Klage gegen die Prüfungsanordnung sei in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden und einer Sprungklage habe das FA nicht zugestimmt. Weitere vier Verfahren seien aus dem Prozessregister gelöscht worden, nachdem dem Kläger durch unanfechtbaren Beschluss auferlegt worden sei, einen Bevollmächtigten zu bestellen und er dieser Aufforderung nicht nachkommen sei.
Mit der Beschwerde gegen den Beschluss, einen Bevollmächtigten zu bestellen, trägt der Kläger vor: Die Anordnung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO stehe im Ermessen des Gerichts. Sie setze voraus, dass der Beteiligte nicht in der Lage sei, seine Rechte wahrzunehmen. Sie diene vor allem dem Beteiligten selbst, solle aber auch eine geordnete Rechtspflege garantieren. Nach der Rechtsprechung sei die Anordnung dann gerechtfertigt, wenn der Beteiligte nicht in der Lage sei, seine Rechte wahrzunehmen, insbesondere wenn ihm die Fähigkeit zum schriftlichen oder mündlichen Vortrag fehle, wenn er zum sachgemäßen Vortrag seines Streitfalles und zur Stellung sachgemäßer Anträge nicht in der Lage sei. Auch komme eine Anordnung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO in Betracht, wenn der Beteiligte die Notwendigkeit bestimmter verfahrensrechtlicher Voraussetzungen nicht einzusehen vermöge und für Rechtsbelehrungen nicht zugänglich sei oder mit unsachlichen und beleidigenden Ausführungen in seinen Schriftsätzen Anlass gebe, an seiner Fähigkeit zu einer dem eigenen Interesse dienenden sachgerechten Prozessführung zu zweifeln.
Doch auch wenn diese Voraussetzungen vorlägen, dürfte das Gericht von der ihm zustehenden Anordnungsbefugnis nach § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht ohne weiteres Gebrauch machen. Es müsse prüfen, ob die Maßnahme rechtsstaatlichen Erfordernissen, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspräche, ob sie also geeignet und erforderlich sei, ihren Zweck zu erreichen und ob sie den Betroffenen nicht übermäßig belaste. Solange noch die Möglichkeit bestünde, den angestrebten Erfolg durch ein milderes Mittel sicherzustellen, sei eine Anordnung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht erforderlich. Das Gericht müsse vor einer Anordnung Hinweise nach § 76 Abs. 2 FGO geben und darauf hinwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt und ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Dieser Hinweispflicht sei das FG nicht nachgekommen. In dem Beschluss des FG fehle es an einer nachvollziehbaren Ermessensbegründung. Eine bloße summarische Aufstellung erledigter und noch anhängiger Verfahren sage nichts für oder gegen die Postulationsfähigkeit eines Klägers aus.
Der Kläger beantragt, den Beschluss aufzuheben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Beschluss, mit dem das FG dem Kläger gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 FGO aufgegeben hat, einen Bevollmächtigten zu bestellen, ist rechtmäßig.
Eine solche im Ermessen des Gerichts liegende Anordnung setzt voraus, dass der Beteiligte selbst nicht in der Lage ist, seine Rechte sachgerecht wahrzunehmen. Sie ist insbesondere dann nicht zu beanstanden, wenn der Beteiligte weder zum sachgemäßen Tatsachenvortrag noch zur Stellung sachdienlicher Anträge fähig ist, weil er unverständliche, verworrene, weitschweifige oder unsachliche (beleidigende) Ausführungen macht oder sinnlose Anträge stellt, die die Rechtsverfolgung als mutwillig erscheinen lassen (z.B. , BFH/NV 1995, 900, m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rz. 13).
Im Streitfall ist nach den Ausführungen des FG im angefochtenen Beschluss und nach dem Inhalt der Akten davon auszugehen, dass der Kläger zum sachgemäßen Tatsachenvortrag und zur Stellung sachdienlicher Anträge nicht in der Lage war. Das Gericht konnte das Verhalten des Klägers als mutwillige Inanspruchnahme seiner Tätigkeit beurteilen. Der Kläger hat sich nicht bemüht, die Verfahren zu fördern. Die angefochtenen Steuerfestsetzungen beruhen auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Kläger hat auch im Klageverfahren nicht vorgetragen, inwieweit das FA bei den Schätzungsbescheiden von unzutreffenden Annahmen ausging. Insbesondere hat er weder Bilanzen noch Aufzeichnungen gemäß § 22 Abs. 2 UStG vorgelegt. Er hat nicht dargelegt, weshalb 1997 in den Umsatzsteuervoranmeldungen steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 373 902 DM ausgewiesen, in der Jahreserklärung aber nur Umsätze von 266 623 DM deklariert wurden. In seinen Schriftsätzen —soweit sie verständlich sind— weist der Kläger wiederholt —u.a. auch in den im Beschwerdeverfahren eingereichten Schreiben— auf lange zurückliegende Vorkommnisse im Besteuerungsverfahren (”arglistig vorgetäuschte Außenprüfung” und ”Manipulationen durch das Finanzamt”) hin. Aus seinen Ausführungen ergibt sich aber nicht, inwieweit diese mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Vorgänge, die bereits Gegenstand zahlreicher anderer Klageverfahren waren, Auswirkungen auf die Besteuerung in den Streitjahren haben könnten. Hinsichtlich des Gewerbesteuermessbescheids für 1995 hat der Kläger keinen Versuch unternommen darzulegen, woraus sich eine Beschwer ergeben könnte.
Im Regelfall darf zwar die Bestellung eines Bevollmächtigten erst angeordnet werden, wenn das Gericht den ihm obliegenden Hinweispflichten gemäß § 76 Abs. 2 FGO nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat der Vorsitzende bzw. der von ihm bestimmte Berichterstatter darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden. Diese Maßnahmen sind jedoch dann entbehrlich, wenn —wie im Streitfall— die begründete Besorgnis besteht, dass der Beteiligte trotz der zuvor angebotenen Mithilfe des Vorsitzenden oder Berichterstatters nicht in der Lage ist, sachgemäße Anträge zu stellen oder auf die bestehende und sich ändernde Prozesslage nach entsprechender Aufklärung durch das Gericht mit sachgemäßen Prozesserklärungen zu reagieren (, BFH/NV 1992, 681). Das Verhalten des Klägers in den bisherigen Verfahren, wie es sich aus den Akten ergibt, lässt erkennen, dass der Kläger von vornherein nicht bereit oder imstande ist, sachdienlichen Hinweisen des Gerichts nachzukommen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 474 Nr. 4
PAAAA-66462