BFH Beschluss v. - X B 112/99

Gründe

Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg —teils, weil sie nicht in der erforderlichen Weise begründet wurden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—), teils, weil die Zulassungsgründe, welche die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO), nicht vorliegen.

1. Von vornherein in diesem Verfahren nicht gehört werden können die Kläger mit Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils (s. dazu z.B. die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 36/99, BFH/NV 2000, 323; vom II B 108/99, BFH/NV 2000, 875, und vom X B 92-94/99, BFH/NV 2000, 1219; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 58 und 62, m.w.N.). Das gilt für alle Einwände, die nicht konkret auf einen der drei in § 115 Abs. 2 FGO aufgezählten Zulassungsgründe bezogen werden können und infolgedessen ihrem wahren Inhalt nach nichts anderes ausdrücken als die Kritik der Kläger an der in der Urteilsbegründung wiedergegebenen Überzeugungsbildung des Finanzgerichts (FG).

2. Ebenfalls nicht gehört werden können die Kläger in diesem Verfahren mit ihrem Vorbringen zur Tatbestandsberichtigung (s. Senatsbeschlüsse vom X B 78/97, BFH/NV 1999, 479, und vom X B 53 und 55/98, BFH/NV 1999, 491, 492).

3. Entgegen der Ansicht der Kläger lässt die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erkennen.

a) Die Voraussetzungen, unter denen einem Steuerpflichtigen im Fall der Verpachtung seines Gewerbebetriebs ein Wahlrecht zwischen Aufgabe (§ 16 Abs. 3 des EinkommensteuergesetzesEStG—) und Fortbestand des Betriebes mit modifizierter Nutzungsart (als Unterfall der Betriebsunterbrechung) zugestanden wird, können als grundsätzlich geklärt gelten (s. dazu Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., 2000, § 16 Rz. 690 ff., m.w.N.). Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich kein weiterer Klärungsbedarf - auch nicht aus der Handhabung des Wahlrechts durch das FG. Abgesehen davon, dass in der Urteilsbegründung der Begriff ”ruhender Gewerbebetrieb” deutlich als Zitat aus der Erklärung des Erblassers gekennzeichnet ist (S. 9), hat das FG seine Entscheidung der Sache nach (s. S. 9 bis 11 der Begründung) unmissverständlich auf die zur Ausübung eines solchen Wahlrechts von der Rechtsprechung entwickelten und insoweit nicht (mehr) klärungsbedürftigen Kriterien gestützt. Dies gilt auch für die weiteren in den Beschwerdeschriften unter dem Gesichtspunkt des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfenen Fragen:

- dass es sich in solchen Fällen objektiv (wie auch sonst im Rahmen des § 16 EStG) zumindest um die wesentlichen Betriebsgrundlagen handeln muss (auch im , BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II. 2. a, m.w.N., als gleichwertige Alternative zu dem Fall gewertet, dass der Betrieb im Ganzen als ”lebender Organismus” verpachtet wird; s. auch Schmidt, a.a.O., § 16 Rz. 696; offen gelassen im , BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561, unter 3. b) und dass hierfür ausnahmsweise auch allein die Betriebsgrundstücke in Betracht kommen (BFH in BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II. 2. b; , BFHE 183, 413, BStBl II 1998, 373, unter 1. a);

- dass zur ”Identitätswahrung” die Wiedereröffnung in gleicher oder ähnlicher Weise objektiv möglich sein muss (BFH in BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561, unter 3. a);

- dass es für die Abgrenzung Betriebseinstellung/Betriebsunterbrechung keine festen zeitlichen Grenzen gibt (BFHE 183, 65, BStBl II 1997, 561, unter 3. c; s. außerdem: BFH-Entscheidungen vom   IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392, und vom VIII B 43/97, BFH/NV 1999, 350).

Da die Anwendung dieser Grundsätze notwendigerweise eine tatrichterliche Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erfordert (s. z.B. BFH-Urteil in BFHE 183, 385, BStBl II 1998, 388, unter II. 2. b), gelten die Einwände in Wahrheit der in diesem Verfahren unbeachtlichen Subsumtion des vom FG ermittelten Sachverhalts unter die prinzipiell nicht mehr klärungsbedürftigen Anforderungen an eine Betriebsverpachtung.

b) Ebenso wenig besteht Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsgrundlage für das Verpächterwahlrecht in Fällen der hier streitigen Art (s. Knobbe-Keuk, Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., 1993, § 22 IV 2.; Schmidt, a.a.O., § 16 Rz. 692, m.w.N.).

4. Divergenz zu einem der von den Klägern zitierten BFH-Urteile ist nicht i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt worden bzw. nicht gegeben.

”Bezeichnet” ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nur, wenn in der Beschwerdebegründung (zumindest) ein das angefochtene Urteil tragender abstrakter Rechtssatz herausgearbeitet wird, der zu einem ebensolchen Rechtssatz einer BFH-Entscheidung in Widerspruch steht (s. z.B. , BFH/NV 1999, 1495, 1496, m.w.N.). Das Herausgreifen bestimmter Passagen des FG-Urteils, verbunden mit der nicht weiter konkretisierten Behauptung, diese stünden in Widerspruch zu den in den Beschwerdebegründungen aufgeführten BFH-Urteilen, genügt diesen Begründungerfordernissen nicht. Die das FG-Urteil tragenden Rechtssätze zum Problem Verpächterwahlrecht/Betriebsaufgabe basieren —wie unter 3. ausgeführt— auf den hierzu von der BFH-Rechtsprechung entwickelten Kriterien, so dass sich die hiergegen von den Klägern erhobenen Einwände auch unter dem Gesichtspunkt der Divergenz als nicht schlüssig (s.o. unter 1.) erweisen.

Im Übrigen beruht das FG-Urteil nicht —wie die Kläger meinen— auf der Aussage, es komme für die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Ausübung eines Verpächterwahlrechts vorliegen, auf die Kenntnis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) an, sondern auf folgender Gedankenführung: Nachdem das FG zunächst (S. 9 bis 11), bezogen auf die Zeit des Vertragsschlusses (1980), in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der einschlägigen BFH-Rechtsprechung die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für eine ”Betriebsverpachtung ohne Aufgabegewinn” bejaht hat, untersucht es anschließend (ab S. 11 Mitte), ob es etwa in der Folgezeit zu einer Betriebsaufgabe gekommen ist. Es wertet u.a. (”Daneben ...”) als Indiz dafür, dass dies nicht der Fall ist, den Umstand, dass dem FA anlässlich der Außenprüfung im Jahr 1984 hiervon nichts bekannt geworden ist.

Die Ausführungen des FG zu Treu und Glauben (S. 12) lassen den von den Klägern behaupteten Widerspruch, in diesem Fall zum BFH-Urteil in BFHE 183, 413, BStBl II 1998, 373 mangels Identität des jeweils entschiedenen Rechtsproblems (dazu , BFH/NV 2000, 1218), ebenfalls nicht erkennen: Ging es dort (unter 2.) um die Frage, ob eine tatsächliche Verständigung entscheidungserheblich sein könnte, hatte das FG hier darüber zu befinden, ob das Begehren der Kläger nicht auch an einem ihnen zuzurechnenden widersprüchlichen Verhalten scheitern könnte (vergleichbar etwa der dem , BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174 zu Grunde liegenden Fallgestaltung). - Ein Rechtssatz des Inhalts schließlich, dass ”ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt, wenn dem FA der Blick auf die zutreffende rechtliche Würdigung lediglich 'verstellt' war”, ist der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen - auch nicht konkludent.

5. Auch § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO führt nicht zu der begehrten Revisionszulassung. Verfahrensfehler sind nicht in der vom Gesetz vorgegebenen Weise dargelegt worden. ”Bezeichnung” (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) eines Verfahrensfehlers, ”auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann”, setzt zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit eines solchen Mangels den substantiierten, in sich schlüssigen Vortrag voraus, dass und inwiefern das erstinstanzielle Urteil ohne einen derartigen Verstoß, aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 350; Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 24, 65, § 120 Rz. 39), anders hätte ausfallen können (Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 34 f.). Diesen Anforderungen genügen die Beschwerdebegründungen nicht. Im Einzelnen übersehen die Kläger Folgendes:

- Fragen der Beweiswürdigung fallen nicht unter § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 28, m.w.N.).

- Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) erfordert im Zulassungsverfahren im Hinblick auf das Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit (s.o.) ebenfalls die Darlegung, was konkret noch vorgetragen worden wäre, wenn dies durch den behaupteten Verfahrensverstoß nicht verhindert worden wäre (s. z.B. , BFH/NV 1999, 1229). Ein solcher Vortrag fehlt hier.

- Gleiches gilt für den Vorwurf unzureichender Sachaufklärung (s. Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 65, § 120 Rz. 39 ff., m.w.N.). Hinsichtlich des nach den Beschwerdebegründungen erforderlichen (weiteren) Sachverständigengutachtens ist offen geblieben, inwiefern dessen Einholung, für welche aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG (nicht der Kläger) bedeutsamen Tatsachen (zu denen lt. Urteilsbegründung weder die Änderung der Handelsstufe noch des Sortiments zählen) zu einem anderen Verfahrensausgang hätte führen können; dabei fällt erschwerend ins Gewicht, dass die in diesem Zusammenhang angesprochene Frage der Möglichkeit identitätswahrender Betriebsfortführung eine mit rechtlichen Wertungen durchsetzte Gesamtwürdigung betrifft.

- Was schließlich den Haupteinwand der Kläger angeht, das FG habe die Steuer ”ohne Anwendung des § 100 II 2 FGO” durch das FA festsetzen lassen, so liegt hierin kein Verfahrensfehler, wie der Senat im Beschluss X R 67/99 vom heutigen Tage näher ausgeführt hat.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 766 Nr. 6
GAAAA-66413