BFH Beschluss v. - X B 112/00

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache entgegen der Auffassung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die von den Klägern für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage,

ob mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass die Besteuerung von Renten, die auf Beitragen für Angestellte mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beruhen, durch die Anwendung des Versorgungs-Freibetrags gemäß § 19 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemildert wird, hingegen bei Renten, deren Beiträge von Personen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit geleistet wurden, dieser Freibetrag nicht zur Anwendung kommt,

ist nicht klärungsbedürftig, da diese Sozialversicherungsrenten gleich besteuert werden. Gleichgültig, wer Beitragszahler war, kommt bei Sozialversicherungsrenten der Versorgungs-Freibetrag gemäß § 19 Abs. 2 EStG nicht zum Tragen.

1. Sozialversicherungsrenten, die von der Bundesanstalt für Angestellte (und von den Landesversicherungsanstalten) gezahlt werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Leibrenten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG (, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551, unter 2.a; vom X R 60/90, BFHE 162, 298, BStBl II 1991, 89). Aus der Einbeziehung der Sozialversicherungsrenten in die Ertragsanteilsbesteuerung erschließt sich die Grundannahme des Gesetzgebers, dass mit den Rentenzahlungen eine —auch im Rahmen des Umlageverfahrens rechnerisch vorausgesetzte— Versicherungssumme (="Kapitalwert der Rente”) ”für die gesamte Dauer des Rentenbezugs” (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 2 EStG) verzinslich ausgezahlt wird. Die Auszahlung des in diesem Sinne ”eigenen” Vermögens ist nicht steuerbare Vermögensumschichtung; steuerbar ist die Verzinsung dieses Vermögens in Gestalt des Ertragsanteils als gesetzlich pauschaliertem Zinsanteil. Dies gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen durch nichtselbständige (§ 19 EStG) oder freiberufliche Arbeit (§ 18 EStG) erwirtschaftet und/oder aus versteuertem oder unversteuertem Einkommen geleistet worden sind.

2. Versorgungsbezüge, also Vorteile und Bezüge aus früheren Dienstverhältnissen, die nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern der ehemalige Arbeitgeber (Dienstherr) leistet, werden hingegen grundsätzlich gemäß § 19 EStG in vollem Umfang der Besteuerung unterworfen. Der Versorgungs-Freibetrag gemäß § 19 Abs. 2 EStG ist eingeführt worden, um eine Benachteiligung der Bezieher von Bezügen aus früheren Dienstleistungen i.S. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegenüber den Beziehern von Sozialversicherungsrenten auszugleichen (vgl. Giloy in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 19 Rz. C 5 ff.). Es verstößt deshalb weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Sozialstaatsprinzip, dass der Versorgungs-Freibetrag auf Sozialversicherungsrenten, die lediglich mit dem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen, nicht gewährt wird.

3. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) darauf hingewiesen, dass die unterschiedliche einkommensteuerliche Erfassung von Versorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten derzeit Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist (2 BvL 17/99). Der Senat lässt dahingestellt, was aus einer —angenommenen— Verfassungswidrigkeit der derzeitigen Besteuerung der Versorgungsbezüge von Ruhestandsbeamten folgen könnte. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Kläger hieraus den Anspruch darauf herleiten könnten, dass ihre Altersrenten unter Berücksichtigung eines dem Versorgungs-Freibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) entsprechenden Abzugsbetrags versteuert werden. Nach dem zu erwartenden Spruch des BVerfG zur Besteuerung der Altersbezüge könnte vielmehr ”möglicherweise für die Zukunft eine Verschlechterung der Rentenbesteuerung eintreten” (vgl. FG-Urteil).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1022 Nr. 8
WAAAA-66412