BGH Urteil v. - XI ZR 442/16

Widerruf einer Verbraucherdarlehensvertrages: Ordnungsgemäße Klagerhebung bei erkennbar irrtümlich fehlerhafter Angabe des gesetzlichen Vertreters der beklagten Genossenschaft; Zulässigkeit einer Feststellungsklage auf Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf; Anforderungen an die Widerrufsbelehrung im Hinblick auf die Länge der Widerrufsfrist

Leitsatz

1. Gibt der Kläger, der nicht Organ der beklagten Genossenschaft ist, in der Klageschrift den gesetzlichen Vertreter der Genossenschaft erkennbar irrtümlich fehlerhaft an und wird die Klage an den richtigen gesetzlichen Vertreter zugestellt, ist sie ordnungsgemäß erhoben (Abgrenzung zu , BGHZ 130, 108, 110 ff., vom , II ZR 284/85, WM 1986, 1411, 1412 und vom , II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10).

2. Zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der der Verbraucher nach Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die Umwandlung des Verbraucherdarlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend macht.

3. Mittels der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote "Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann" im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" macht der Verwender einer Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhängt.

Gesetze: § 51 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, § 355 Abs 2 S 2 BGB vom , § 495 Abs 1 BGB, § 24 Abs 1 GenG, § 39 GenG

Instanzenzug: Az: 8 U 369/16vorgehend LG Mainz Az: 5 O 122/15

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des vom Kläger, einem Bankkaufmann, erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss von vier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen.

2Die Parteien schlossen im Jahr 2007 vier Immobiliardarlehensverträge, denen jeweils folgende, bis auf die Vertragsdaten gleichlautende Widerrufsbelehrung beigegeben war:

3Der Kläger löste sämtliche Darlehen auf eigenen Wunsch gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € zum ab. Unter dem widerrief er seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, wobei er darauf hinwies, er habe "im Vorfeld rechtlichen Rat" unter anderem bei seinem Rechtsanwalt eingeholt.

4In der von ihm bei dem Landgericht anhängig gemachten Klage hat er die Beklagte als "            bank eG, vertreten durch den Aufsichtsratsvorsitzende[n]        H.      ", bezeichnet. Die Klage ist an die "            bank eG, v.d.d. Vorstand", zugestellt und dort an einen Prokuristen als Leiter des Bereichs "Sonderaufgaben Kredit und Recht" weitergegeben worden. Dieser Prokurist und eine Mitarbeiterin, die zusammen zur Erteilung von Prozessvollmachten für die Beklagte ermächtigt sind, haben unter dem Betreff "Neues Mandat:     S.        ./.            bank eG" den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom "um Übernahme des im Betreff genannten Mandates" gebeten. Der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom "die Vertretung und Verteidigungsbereitschaft der Beklagten" angezeigt.

5Das Landgericht hat die Angabe des Klägers zum gesetzlichen Vertreter der Beklagten in das Rubrum übernommen und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Beibehaltung des Rubrums antragsgemäß festgestellt, dass die vier näher bezeichneten Darlehensverträge "durch wirksamen Widerruf […] in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt" worden seien. Außerdem hat es die Beklagte zur Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten in Höhe von 928,80 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

6Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, die der durch den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestellte drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte in Übernahme des Rubrums der Vorinstanzen eingelegt und begründet hat, erstrebt die Beklagte unter Verweis auf einen Mangel ihrer gesetzlichen Vertretung bei Klageerhebung in erster Linie eine Abweisung der Klage als unzulässig. In zweiter Linie begehrt sie die vollständige Zurückweisung der Berufung, weil das Berufungsgericht zu Unrecht eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint habe.

Gründe

A.

7Die Revision ist zulässig. Die Prozessführung in dritter Instanz ist dem gemäß § 24 Abs. 1 GenG zur gerichtlichen Vertretung der Beklagten berufenen Vorstand zuzurechnen. Der drittinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist gemäß § 81 ZPO wirksam durch deren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, den wiederum ein Prokurist im Verein mit einer Mitarbeiterin aufgrund seiner vom Vorstand abgeleiteten Vertretungsmacht (Pöhlmann/ Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 42 Rn. 2) mandatiert hat, bestellt worden (vgl. , BGHZ 157, 151, 156 und vom - XII ZR 138/01, NJW 2006, 2334 Rn. 14).

B.

8Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

9Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

10Die Feststellungsklage sei zulässig. Zwar genieße eine Leistungsklage grundsätzlich Vorrang. Bei einer Bank sei indessen ohne weiteres davon auszugehen, dass sie auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil leisten werde.

11Der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen Ende 2014 widerrufen können, weil mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht an- und abgelaufen sei. So hätten die Widerrufsbelehrungen der Beklagten zu der Fehlvorstellung verleitet, die Widerrufsfrist beginne bereits mit der Aushändigung einer Vertragserklärung der Beklagten ohne Rücksicht auf die Vertragserklärung des Klägers. Darauf, ob wegen der konkreten Situation des Vertragsschlusses dieses Missverständnis ausgeräumt gewesen sei, komme es nicht an, weil auch bei einem Präsenzgeschäft über die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung allein anhand der objektiven Auslegung zu entscheiden sei. Da die Beklagte das Muster für die Widerrufsbelehrung des Verordnungsgebers nicht verwendet habe, könne sie sich auch nicht auf dessen Gesetzlichkeitsfiktion berufen. An der Widerruflichkeit der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen habe sich durch deren vorzeitige Abwicklung nichts geändert.

12Die Grundsätze von Treu und Glauben stünden der Ausübung des Widerrufsrechts nicht entgegen. Das Widerrufsrecht sei nicht verwirkt, da das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Der Kläger habe die Darlehen zwar mehrere Jahre ordnungsgemäß bedient und sie dann im Jahr 2012 auf eigenen Wunsch vorzeitig abgelöst. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass er dies alles in Kenntnis seines fortbestehenden Widerrufsrechts getan habe. Jedenfalls genügten diese Aspekte nicht, um das Vertrauen der Beklagten darauf zu begründen, der Kläger werde sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben. Berufliches Sonderwissen des Klägers vermöge ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten ebenfalls nicht zu begründen, zumal nicht mit der erforderlichen Sicherheit habe festgestellt werden können, dass ihm die rechtliche Problematik des "ewigen" Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen vor Abgabe seiner Willenserklärungen bekannt gewesen sei. Darauf, ob der Kläger mit dem Widerruf "ein berechtigtes Interesse" verfolge, komme es nicht an. Für ein arglistiges Verhalten sei nichts ersichtlich. Es bestünden ferner keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die schutzwürdig auf das Unterbleiben des Widerrufs vertrauende Beklagte tatsächlich so disponiert habe, dass der Widerruf für sie eine unzumutbare Belastung darstelle. Auch im Übrigen liege in der Ausübung des Widerrufsrechts keine unzulässige Rechtsausübung. Dass der Kläger überhaupt - wenn auch fehlerhaft - über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, sei ohne Belang. Gleichfalls unerheblich sei, dass der Widerruf für den Kläger wirtschaftlich vorteilhaft sei, während die Beklagte aufgrund des erheblich gesunkenen Zinsniveaus finanzielle Einbußen erleide.

13Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu. Herausgabe vermutlich gezogener Nutzungen könne er indessen nur in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und nicht wie beantragt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen. Schließlich könne der Kläger als Verzugsschaden den Ersatz vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten beanspruchen.

II.

14Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

151. Allerdings ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, die Klage sei in Gänze zulässig gegen die Beklagte erhoben worden.

16Zwar ist die Klage in Fällen, in denen ein Kläger, der selbst zu einem Organ einer Gesellschaft gehört, den gesetzlichen Vertreter der beklagten Gesellschaft - im Falle einer Genossenschaft: das nach § 24 Abs. 1, § 39 GenG zu ihrer gerichtlichen Vertretung berufene Organ - nicht nur irrtümlich falsch bezeichnet hat (dazu , WM 1986, 1411, 1412 und vom - II ZR 282/07, WM 2009, 702 Rn. 10) und in denen an diesen vermeintlichen gesetzlichen Vertreter mit Willen des Klägers zugestellt worden ist, unzulässig (, BGHZ 130, 108, 110 ff., vom - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, 154 und vom aaO Rn. 4; vgl. auch Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 39 Rn. 6 a.E.; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 39 Rn. 10; Hopt/Roth in GroßKomm AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 112; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 112 Rn. 13; KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl., § 112 Rn. 13; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 112 Rn. 33; Grigoleit/ Tomasic, AktG, 2013, § 112 Rn. 17).

17Anderes gilt aber, wenn in der Klageschrift der gesetzliche Vertreter lediglich irrtümlich fehlerhaft angegeben wird, sich - auch durch das Revisionsgericht (, BGHZ 4, 328, 335, vom - VIII ZR 208/79, WM 1981, 46, 47 und vom - VI ZR 279/96, NJW 1998, 1496, 1497) - das Gemeinte ermitteln lässt (vgl. , WM 1986, 1411, 1412; Gehle, MDR 2011, 957 f.; auch Musielak/Voit/Weth, ZPO, 13. Aufl., § 51 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 37. Aufl., § 51 Rn. 7) und die Zustellung der Klageschrift tatsächlich an den richtigen gesetzlichen Vertreter bewirkt wird. In diesem Fall ist die Klage zulässig erhoben und entsteht das Prozessrechtsverhältnis zu dem ordnungsgemäß gesetzlich vertretenen Beklagten.

18So verhält es sich hier. Bei der Angabe des Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten als ihres gesetzlichen Vertreters in der Klageschrift handelte es sich offensichtlich um eine versehentliche Falschbezeichnung, mit der keine positive Aussage über die gesellschaftsrechtlichen Vertretungsverhältnisse und insbesondere über die Reichweite des § 39 Abs. 1 Satz 1 GenG getroffen werden sollte. Entsprechend hat die Geschäftsstelle des Landgerichts, die die Zustellung der Klageschrift nach § 166 Abs. 2, §§ 168, 170 ZPO zu bewirken hatte, die Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters ausgelegt und die Zustellung an den (nicht notwendig namentlich zu benennenden, vgl. , WM 1993, 1818, 1821) Vorstand der Beklagten als deren gesetzlichen Vertreter bewirkt, so dass das Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten wirksam zustande gekommen ist. Dass die unrichtige, aber offenbar fehlerhafte Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters sowohl in die Berufungsschrift als auch in die Entscheidungen der Vorinstanzen übergegangen ist, ändert daran nichts.

192. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht aber davon ausgegangen, die Feststellungsklage sei zulässig, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben sei. Das trifft nicht zu. Der Kläger kann und muss vielmehr vorrangig insgesamt (und nicht nur die Vorfälligkeitsentschädigung betreffend) mit der Leistungsklage gegen die Beklagte vorgehen (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 13 ff.). Da nicht feststeht, die Parteien seien sich - die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt - über die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche einig, das Berufungsgericht vielmehr im Gegenteil den Standpunkt des Klägers zu dem von ihm geforderten Nutzungsersatz als streitig referiert und die Revision unter anderem mit dem Hinweis darauf zugelassen hat, es bedürfe grundsätzlicher Ausführungen "zur Höhe des von der Bank geschuldeten Nutzungsersatzes bei Immobiliardarlehen", liegt eine Ausnahme vom Vorrang der Leistungsklage, wie sie Gegenstand des Senatsurteils vom (XI ZR 183/15, n.n.v. Rn. 16) war, nicht vor.

203. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Überprüfung überdies nicht stand, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 8.853,72 € nebst Zinsen verurteilt hat. Das Berufungsgericht hat die rechtlichen Maßgaben verkannt, unter denen nach den Senatsurteilen vom (XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 38 ff. und XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 33 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ) sowie vom (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 29 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ) die Verwirkung des Widerrufsrechts steht.

21a) Richtig hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angenommen, dem Kläger habe ursprünglich ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zugestanden, über das die Beklagte ihn gemäß § 355 BGB in der zwischen dem und dem geltenden Fassung (künftig: a.F.) habe belehren müssen.

22b) Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht gesehen, die Widerrufsbelehrungen der Beklagten hätten den Kläger nicht hinreichend deutlich über die Voraussetzungen seines Widerrufsrechts unterrichtet.

23aa) Allerdings belehrte die Beklagte, was das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, hinreichend deutlich über die Länge der Widerrufsfrist. Mittels der hier erkennbar an den Verbraucher gerichteten (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 19) Fußnote im Anschluss an die Angabe "zwei Wochen (einem Monat)" machte die Beklagte ausreichend klar, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhing. Dabei orientierte sie sich zulässig am Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. Zugleich machte sie das Gemeinte durch die ausdrückliche Benennung der Vorschrift deutlich (Senatsurteil vom - XI ZR 434/15, WM 2017, 427 Rn. 19). Der Zusatz in der Fußnote "bzw. werden kann" war nicht geeignet, den Hinweis zu verunklaren (a.A. , juris Rn. 16; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom - 24 U 151/15, juris Rn. 42; , juris Rn. 40 ff.; OLG Zweibrücken, Urteile vom - 7 U 119/15, juris Rn. 91 ff. und - 7 U 133/15, juris Rn. 85 ff.). Eine so gestaltete Sammelbelehrung - hier: für die ursprüngliche und die Nachbelehrung - ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 51 f.; Senatsbeschluss vom - XI ZR 66/16, juris Rn. 11).

24bb) Das Berufungsgericht hat indessen zutreffend erkannt, dass die Beklagte mittels der Wendung "der schriftliche Vertragsantrag" nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte, dass Bedingung für das Anlaufen der Widerrufsfrist die Vertragserklärung des Klägers war (Senatsurteil vom - XI ZR 381/16, n.n.v. Rn. 13 ff. mwN). Auf die Umstände der Erteilung der Belehrung kommt es, wie der Senat zuletzt mit Senatsurteil vom (aaO Rn. 16 ff.) klargestellt hat, nicht an. Die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung kommt der Beklagten nicht zugute. Die Abweichungen der Belehrungen gegenüber der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem und dem geltenden Fassung gingen über das Maß hinaus, das der Senat als für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlich angesehen hat (Senatsurteil vom - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 20 ff.).

25c) Schließlich hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 28) erkannt, dass die auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auch noch nach dessen vorzeitiger Beendigung widerrufen werden kann.

26d) Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand halten dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts.

27Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (, WM 2016, 1835 Rn. 40 und - XI ZR 564/15, WM 2016, 1930 Rn. 37, jeweils mwN). Die Bewertung des Tatrichters kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (vgl. , aaO Rn. 18 und - XI ZR 564/15, aaO Rn. 43 mwN). Nach diesen Maßstäben liegt hier ein revisionsrechtlich relevanter Rechtsfehler vor.

28Wie der Senat mit Urteilen vom (XI ZR 501/15, WM 2016, 1835 Rn. 41) und vom (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295 Rn. 30) ausgeführt hat, ist bei beendeten Verträgen bei der Bewertung, ob der Verbraucher das Widerrufsrecht verwirkt hat, mit zu berücksichtigen, ob die Parteien auf Wunsch des Verbrauchers den Darlehensvertrag einverständlich beendet haben. Diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung der für und gegen eine Verwirkung des Widerrufsrechts sprechenden Umstände zwar erwähnt, aber als unmaßgeblich außer Acht gelassen.

294. Das Berufungsurteil unterliegt schließlich der Aufhebung, soweit das Berufungsgericht dem Kläger auf seine Berufung vorgerichtlich verauslagte Anwaltskosten zuerkannt hat. Wie der Senat mit Senatsurteil vom (XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 27 ff.) näher ausgeführt hat, setzt eine Erstattung solcher Kosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens voraus, dass der Kläger seinerseits die von ihm nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB geschuldete Leistung in einer den Annahmeverzug der Beklagten begründenden Weise angeboten hat. Das war hier nicht der Fall.

III.

30Soweit das Berufungsgericht Anwaltskosten zuerkannt hat, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung zurückweisen, weil dem Kläger auch unter keinem sonstigen Gesichtspunkt, insbesondere nicht dem des Schadensersatzes wegen einer Verletzung der Pflicht zur richtigen Belehrung über sein Widerrufsrecht, ein Anspruch zusteht. Der Zahlungsantrag ist daher abweisungsreif (Senatsurteil vom - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 37 mwN). Im Übrigen ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung verwehrt.

311. Nicht abweisungsreif ist der Feststellungsantrag.

32a) Der Senat kann auf die Revision der Beklagten die Feststellungsklage nicht als unzulässig abweisen. Denn das Berufungsgericht hätte, wenn es die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags erkannt hätte, auf diese Tatsache hinweisen müssen. In solchen Fällen muss, sofern dies - wie hier - noch möglich ist, dem Kläger durch Zurückverweisung der Sache Gelegenheit gegeben werden, eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Umstellung vorzunehmen (Senatsurteil vom - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 39).

33b) Der Senat kann aber auch nicht auf die Unbegründetheit der Feststellungsklage erkennen. Freilich ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Ein Feststellungsbegehren, das das Berufungsgericht für zulässig erachtet hat, kann bei tatsächlich fehlendem Feststellungsinteresse in der Revisionsinstanz aus sachlichen Gründen abgewiesen werden (Senatsurteil vom - XI ZR 467/15, n.n.v. Rn. 41 mwN). Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist die Klage indessen nicht in der Sache abweisungsreif, weil nicht feststeht, dass der Kläger sein Widerrufsrecht verwirkt hat.

342. Aus denselben Gründen ist die Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht abweisungsreif, weil nicht feststeht, ob sich aufgrund des Widerrufs des Klägers die Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben.

IV.

35Der Senat weist deshalb die Sache in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang an das Berufungsgericht zurück, § 563 Abs. 1 ZPO, damit es dem Kläger Gelegenheit zur Anpassung seiner Klageanträge gibt und die zur Frage der Verwirkung des Widerrufsrechts erforderlichen Feststellungen nachholt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:140317UXIZR442.16.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1026 Nr. 19
NJW-RR 2017 S. 812 Nr. 13
WM 2017 S. 849 Nr. 18
ZIP 2017 S. 36 Nr. 18
ZIP 2017 S. 958 Nr. 20
YAAAG-43524