Beschwer bei sog. Nullbescheid; Bankenprivileg für Konzernfinanzierungsgesellschaft
Leitsatz
1. Wegen der Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) löst auch eine Messbetragsfestsetzung von Null (sog. Nullbescheid) eine Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) aus.
2. Auch Konzernfinanzierungsgesellschaften können Kreditinstitute i.S. des § 1 KWG sein und die Voraussetzungen des sog. Bankenprivilegs (§ 19 Abs. 1 GewStDV) erfüllen.
Gesetze: FGO § 40 Abs. 2; GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a; GewStDV § 19 Abs. 1, 2; KWG § 1; KWG § 2;
Instanzenzug: (EFG 2016, 133),
Tatbestand
A.
1 Streitig ist, ob bei der Ermittlung des Gewerbeertrags eine Hinzurechnung von Zinsen (§ 8 Nr. 1 Buchst. a des Gewerbesteuergesetzes —GewStG—) unter Anwendung des § 19 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) —beide in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung— ausgeschlossen ist.
2 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, gehört zu einer Unternehmensgruppe und nimmt dort die Funktion einer Finanzierungsgesellschaft wahr. Das in ihrem Jahresabschluss zum ausgewiesene Anlagevermögen setzt sich im Wesentlichen aus unternehmensgruppenintern gewährten Darlehen zusammen; Verbindlichkeiten bestehen im Wesentlichen gegenüber einem Kreditinstitut und gegenüber F, der hinter der Unternehmensgruppe stehenden Person. Im Streitjahr erzielte die Klägerin aus den Darlehensforderungen Zinseinnahmen in Höhe von 133.703 €; sie hatte Zinsaufwendungen in Höhe von 167.358 € (Jahresfehlbetrag: 19.728 €).
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) setzte den Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 0 € fest (Gewerbeertrag: - 2.891 €), indem er zu dem von der Klägerin erklärten Gewerbeertrag (- 19.730 €) nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG 16.839 € hinzurechnete; dies entspricht einem Viertel der Entgelte für Schulden in Gestalt von Zinsaufwendungen der Klägerin, abgerundet auf den vollen Euro-Betrag, abzüglich des Freibetrags von 100.000 €. Der Einspruch, mit dem die Klägerin auf § 19 Abs. 1 GewStDV verwies, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Hamburg gab der dagegen gerichteten Klage statt (Urteil vom 6 K 285/13, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2016, 133).
4 Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
B.
6 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass zur Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterbleibt.
7 I. Das FG hat die Klage unter Hinweis auf § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG zu Recht als zulässig erachtet. Die Klägerin konnte wegen der durch diese Regelung ausgelösten Wirkung auf den Bescheid zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum (§ 10a Satz 6 GewStG) geltend machen, durch den Gewerbesteuermessbescheid i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ungeachtet des Umstands, dass er auf 0 € lautet, in ihren Rechten verletzt zu sein.
8 Zwar fehlt es für die Anfechtung eines auf Null lautenden Steuerbescheids (Entsprechendes gilt für einen Messbescheid) regelmäßig an der für die Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Beschwer (ständige Rechtsprechung, z.B. Bundesfinanzhof —BFH—, Beschluss vom X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, m.w.N.); dies gilt aber nicht, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (z.B. , BFHE 221, 102, BStBl II 2009, 7), etwa weil der zugrunde gelegte Gewinn eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für andere Bescheide bildet (z.B. , BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421; vom I R 7/11, BFHE 235, 273, BStBl II 2014, 616; s.a. , BFH/NV 2011, 423). Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend als erfüllt angesehen, da die der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen inhaltlich für den (Verlust-)Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfalten.
9 Nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (ebenso wie nach § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums) die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung sowie § 42 FGO gelten entsprechend. Damit ist der (negative) Gewerbeertrag für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den Schluss des Erhebungszeitraums (hier: auf den ) im Sinne einer „inhaltlichen Bindung“ maßgebend (z.B. —zu § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG— , BFH/NV 2015, 812; vom IX R 31/15, BFHE 255, 1). Da auf dieser Grundlage eine eigenständige Prüfung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nicht mehr stattfindet, folgt daraus eine sachliche Beschwer, die den Steuerpflichtigen auch bei Vorliegen eines Nullbescheids zur Anfechtung berechtigt (z.B. —zu § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG— Heuermann in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10d Rz D 93; Hallerbach in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 43, 127 f.; Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 227; Schmidt/Heinicke, EStG, 35. Aufl., § 10d Rz 36 f.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 55; Meyer/Ball, Deutsches Steuerrecht 2011, 345, 346; s.a. Der Betrieb —DB— 2016, 2447).
10 Diesem Ergebnis steht § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG nicht entgegen. Nach dieser Regelung dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 2 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe des festzusetzenden Steuermessbetrags unterbleibt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
11 II. Die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung der bei der Gewinnermittlung abgesetzten Entgelte für Schulden nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG sind nicht erfüllt. Die bei der Klägerin angefallenen Entgelte werden auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV bei der Berechnung nicht angesetzt. Damit ergibt sich ohne die streitige Hinzurechnung ein Gewerbeverlust von 19.730 € als Gegenstand des angefochtenen Bescheids und zugleich als Grundlage für den gesondert festzustellenden vortragsfähigen Gewerbeverlust.
12 1. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Entgelte für Schulden wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 € übersteigt. Dies bezieht sich auf die Zinsaufwendungen der Klägerin (167.358 €), die —ohne dass die Berechnung streitig ist— nach Abzug des Freibetrags mit einem Viertel (16.839 €) eine Hinzurechnung auslösen können.
13 2. Eine Hinzurechnung ist allerdings nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 GewStDV (sog. Bankenprivileg) im Streitfall ausgeschlossen; das FG hat die Voraussetzungen dieser auf der Grundlage des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG ergangenen Regelung zu Recht als erfüllt angesehen.
14 a) Gemäß § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG wird die Bundesregierung —im Einklang mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes —GG— (vgl. , BVerfGE 42, 374)— ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über die Beschränkung der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG). Der aufgrund dieser Ermächtigungsnorm erlassene § 19 GewStDV erfasst nach seinem Wortlaut in Abs. 1 Satz 1 Kreditinstitute i.S. des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz —KWG—). Bei solchen Kreditinstituten sind nur Entgelte für Schulden und den Entgelten gleichgestellte Beträge anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz bestimmter zum Anlagevermögen gehörender Wirtschaftsgüter und bestimmter Beteiligungen das Eigenkapital überschreitet.
15 Der Begünstigung des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG liegt der Gedanke zugrunde, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und dass deshalb das Passiv- und Aktivgeschäft artmäßig in etwa übereinstimmen (Senatsurteil vom I R 23/02, BFH/NV 2003, 653; , BFH/NV 1987, 391; beide m.w.N.). Der Verordnungsgeber wollte der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen und den Umstand berücksichtigen, dass bei Banken der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 42, 374). Grundvoraussetzung für die Annahme eines „Kreditinstituts“ i.S. des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG muss deshalb sein, dass es sich um ein im Wesentlichen am Geld- und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handelt. Hieraus ist im Sinne einer Negativabgrenzung abzuleiten, dass jedenfalls Unternehmen, die nur deshalb vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (seit : Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht —BaFin—) als dem Kreditwesengesetz unterstellt angesehen werden, weil sie neben ihrem Warengeschäft in minimalem Umfang auch einige Bankgeschäfte betreiben, nicht als Kreditinstitute i.S. von § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG angesehen werden können (so BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 391).
16 b) § 19 GewStDV ist nach seinem Wortlaut auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin anzuwenden.
17 aa) Kreditinstitute sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bankgeschäfte sind u.a. Kreditgeschäfte in Gestalt der Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG).
18 Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, dass die Klägerin verzinsliche Darlehen an verschiedene Gesellschaften innerhalb der Unternehmensgruppe ausgereicht hat (Stand zum : 2.978.945 €). Daraus hat das FG —in Übereinstimmung mit den Beteiligten— abgeleitet, dass sie Bankgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 KWG gewerbsmäßig betrieben hat, da die Geschäfte auf gewisse Dauer angelegt waren und mit Blick auf eine Marktüblichkeit der Zinssätze eine Gewinnerzielungsabsicht bestand. Dies lässt keine Rechtsfehler erkennen.
19 bb) Soweit das FG angenommen hat, die Zuordnung der Klägerin zum persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 KWG werde nicht berührt, da sie bislang keine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde gemäß § 32 KWG beantragt habe, ist der Vorinstanz gleichfalls zuzustimmen. Dies gilt unabhängig davon, dass das Betreiben von Bankgeschäften ohne einschlägige Erlaubnis einen Straftatbestand (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) erfüllen kann (s. Senatsurteil in BFH/NV 2003, 653, m.w.N.; s.a. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 8 Nr. 1a Rz 93a; Köster in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Buchst. a Rz 196a; Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 5. Aufl., § 1 Rz 12).
20 cc) Das FG hat darüber hinaus ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass der persönliche Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 GewStDV i.V.m. § 1 Abs. 1 KWG nicht durch die Frage berührt wird, ob das betroffene Unternehmen nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 KWG nicht als Kreditinstitut gilt. Zwar „gelten“ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG Unternehmen, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben, nicht als Kreditinstitut (sog. Konzernprivileg). Das FG hat den Streit der Beteiligten, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Norm erfüllt sind, aber zu Recht unentschieden gelassen. Denn auch wenn der Tatbestand erfüllt wäre, würde dies nicht hindern, die Klägerin als Kreditinstitut i.S. des § 19 Abs. 1 GewStDV zu qualifizieren (so im Ergebnis auch Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 93; Schmid/ Stoll, Betriebs-Berater —BB— 2005, 582, 583 f.). Dem steht das Senatsurteil in BFH/NV 2003, 653 nicht entgegen (so aber Linkermann, EFG 2016, 138); soweit der Senat dort auf § 2 Abs. 1 (Satz 2) Nr. 7 KWG eingegangen war, war dies nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat ausdrücklich auf den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm verwiesen, der in den damaligen Streitjahren noch nicht eröffnet war (s.a. Gosch, BFH/PR 2003, 144).
21 Dass § 2 KWG den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 GewStDV nicht „sperrt“, folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 GewStDV. Dieser nimmt ausschließlich auf § 1 Abs. 1 KWG und nicht auch auf § 2 KWG Bezug (s. insoweit bereits Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; Gosch, BFH/PR 2003, 144). Darüber hinaus hat das FG zutreffend auf den Zweck jener Regelung verwiesen: Die in § 2 KWG angeführten Institute und Unternehmen unterstehen nicht der Aufsicht durch die BaFin und sind von der Erlaubnispflicht gemäß § 32 KWG ausgenommen (Fischer/Müller in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O., § 32 Rz 22). Diese begünstigende Wirkung der Regelung würde aber im gewissen Sinne konterkariert, wenn zugleich damit —als Rückausnahme zu § 19 GewStDV— die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden wieder eröffnet würde. Jedenfalls hätte der Verordnungsgeber eine solche Konsequenz durch eindeutige Ausgestaltung des Tatbestands ausdrücklich anordnen müssen, wie er im Übrigen in § 19 Abs. 4 GewStDV für Finanzdienstleistungsinstitute auf diverse Regelungen des § 2 KWG Bezug genommen hat. Nicht zuletzt ist darauf zu verweisen, dass sich § 19 GewStDV in der bis zum Erhebungszeitraum 1989 geltenden Fassung tatbestandlich auf „Unternehmen, für die die Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen gelten“ mit der Folge bezog, dass der persönliche Anwendungsbereich nur für solche Unternehmen eröffnet war, die tatsächlich in ihrer Tätigkeit entsprechenden Regelungen unterworfen waren (s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; , EFG 2002, 778 [als Vorinstanz zum Senatsurteil in BFH/NV 2003, 653]). Auch wenn nicht ersichtlich ist, dass der Verordnungsgeber mit der neuen Fassung des Tatbestands den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung „bewusst“ ausweiten wollte (s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457 mit Hinweis auf BTDrucks 11/2157, S. 176), hat er diese Möglichkeit dennoch eröffnet. Dass § 19 Abs. 2 Satz 1 GewStDV —als Anwendungsvoraussetzung für § 19 Abs. 1 GewStDV— auf „Monatsausweise i.S. § 25 KWG“ verweist (s.a. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457), steht dem nicht entgegen, da die „Überwiegensprüfung“ auch alternativ auf der Grundlage „entsprechender Statistiken“ stattfinden kann.
22 c) Das FG hat ferner zu Recht eine vom Wortlaut des § 19 Abs. 1 GewStDV abweichende (einschränkende) Auslegung, die Konzernfinanzierungsgesellschaften aus dem Tatbestand ausnimmt (dafür Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1a Rz 93a; wohl auch Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457; dagegen Blümich/ Hofmeister, § 8 GewStG Rz 93; Schmid/Stoll, BB 2005, 582, 584), abgelehnt. Insbesondere widerstreitet diese Ansicht nicht dem der Ermächtigungsgrundlage (§ 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG) zugrunde liegenden Regelungszweck (s. dazu oben zu a). Denn wenn es darum geht, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlaufstellen des Geld- und Kreditverkehrs sind (Passiv- und Aktivgeschäft mithin in etwa übereinstimmen) und dass mit Blick auf einen typischerweise großen Fremdmitteleinsatz die Hinzurechnung von Entgelten für Schulden eingeschränkt werden soll, ist diese Wirtschaftsform nach den Feststellungen des FG auch bei der Klägerin erfüllt: Die Klägerin hat im Streitjahr nach diesen Feststellungen keine Geschäfte außer der Ausreichung von Darlehen an verbundene Unternehmen und der Aufnahme von Darlehen bei einer Bank und bei F zu deren Finanzierung getätigt. Auch wenn der Verordnungsgeber der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen wollte, liegt der Anknüpfungspunkt im hohen Fremdmitteleinsatz und einer Art „Durchlaufsituation“ bei der Kreditgewährung, also bei Merkmalen, die auch von der Klägerin erfüllt wurden. Der Umfang der Teilnahme am öffentlichen Geld- und Kreditgeschäft ist kein trennscharfes Abgrenzungskriterium; Gleiches gilt für die Frage danach, ob die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens ein gesamtwirtschaftliches Risiko darstellen würde (Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, a.a.O., § 2 Rz 29). Auch dies wird sich insbesondere bei Finanzierungsgesellschaften von Großkonzernen nicht immer zweifelsfrei beantworten lassen.
23 Die Ansicht des Senats begründet keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Möglichkeit einer Ausgliederung der Finanzierungsaufgabe zur Erledigung in einem selbständigen Unternehmen diskriminiert solche Unternehmen nicht, die diese Möglichkeit nicht nutzen. Demgemäß ist auch nicht darauf einzugehen, dass sich nach Äußerungen im Schrifttum gerade größere Unternehmensgruppen der im internationalen Vergleich unüblichen Hinzurechnung von Entgelten für Schulden durch Gründung einer ausländischen Konzernfinanzierungsgesellschaft entzogen haben (s. Pyszka/Brauer, DB 2002, 2456, 2457 [dort Fußnote 10]).
24 d) Die Anwendung des § 19 Abs. 1 GewStDV ist im Streitfall auch nicht durch das Nachweiserfordernis in § 19 Abs. 2 GewStDV ausgeschlossen. Den Feststellungen des FG lässt sich mit Blick auf einen formalen Nachweis der „Überwiegensprüfung“ jener Regelung (durch sog. Monatsausweise nach § 25 KWG [s. dazu § 25 Abs. 1 Satz 1 KWG], evtl. auch durch „entsprechende Statistiken“ [Terminus erwähnt in § 25 Abs. 1 Satz 3 KWG]) nichts entnehmen. Das FG hat allerdings festgestellt, dass die Klägerin ausschließlich die begünstigten „Bankgeschäfte“ betrieben hat. Wenn damit zweifelsfrei feststeht, dass die Klägerin die materiellen Voraussetzungen erfüllt, muss dies nicht noch gesondert nachgewiesen werden (s. zum Nachweiserfordernis des § 50d Abs. 8 EStG das Senatsurteil vom I R 27/11, BFHE 236, 327, dort Rz 12).
25 e) Nach der Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV sind im Streitfall für die Anwendung des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG keine Entgelte für Schulden anzusetzen.
26 Bei Kreditinstituten i.S. des § 1 Abs. 1 KWG sind nur Entgelte für Schulden anzusetzen, die dem Betrag der Schulden entsprechen, um den der Ansatz der zum Anlagevermögen gehörenden Grundstücke, Gebäude, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Schiffe, Anteile an Kreditinstituten und sonstigen Unternehmen sowie der Forderungen aus Vermögenseinlagen als stiller Gesellschafter und aus Genussrechten das Eigenkapital überschreitet; hierunter fallen nicht Gegenstände, über die Leasingverträge abgeschlossen worden sind (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV). Da sich nach den Feststellungen des FG im Anlagevermögen der Klägerin auf den keine Wirtschaftsgüter dieser Art befanden, ist der Schuldenhöchstbetrag mit 0 € anzusetzen. Dem steht —wie das FG zutreffend ausführt— nicht entgegen, dass die Klägerin in ihrer Bilanz auf diesen Stichtag einen nicht gedeckten Fehlbetrag von 166.042 € ausweist.
27 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2016:U.061216.IR79.15.0
Fundstelle(n):
BStBl 2019 II Seite 173
AO-StB 2017 S. 140 Nr. 5
BFH/NV 2017 S. 851 Nr. 6
BFH/PR 2017 S. 232 Nr. 7
BStBl II 2019 S. 173 Nr. 5
DB 2017 S. 6 Nr. 14
DB 2017 S. 824 Nr. 15
DStR 2017 S. 774 Nr. 14
DStRE 2017 S. 572 Nr. 9
FR 2017 S. 935 Nr. 19
GmbH-StB 2017 S. 208 Nr. 7
GmbHR 2017 S. 658 Nr. 12
HFR 2017 S. 420 Nr. 5
KÖSDI 2017 S. 20270 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2017 S. 1068
StB 2017 S. 124 Nr. 5
StBp 2017 S. 185 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2017 S. 406
Ubg 2017 S. 279 Nr. 5
TAAAG-41816