BVerwG Urteil v. - 4 A 3/15

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord des Landes Rheinland-Pfalz vom .

2Gegenstand des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb des ca. 13 km langen rheinland-pfälzischen Abschnitts der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel - Dauersberg von der Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Nordrhein-Westfalen zur Umspannanlage Dauersberg (Haupttrasse) und des ca. 2,7 km langen Abschnitts der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Pkt. M. - E. vom Pkt. M. bis zur Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Nordrhein-Westfalen (Abzweig) sowie die Anpassung bestehender Leitungen und die im Laufe des Verfahrens von der Beigeladenen eingebrachten Planänderungen. Die Energieleitung ist Teil der als Vorhaben Nr. 19 ("Neubau Höchstspannungsleitung Kruckel - Dauersberg, Nennspannung 380 kV") im Bedarfsplan des Energieleitungsausbaugesetzes aufgeführten Höchstspannungsleitung.

3Der Neubau der Hauptleitung erfolgt weitestgehend in den vorhandenen Trassenräumen der seit dem Jahre 1935 betriebenen 220-kV-Freileitungen und den seit dem Jahre 1924 betriebenen, in Abschnitten parallel verlaufenden 110-kV-Freileitungen, die aufgrund ihres Alters zurückgebaut werden sollen. Die Stromkreise der 110-kV-Freileitungen sollen auf dem Mastgestänge der neuen Hauptleitung mitgeführt werden. Als Folgemaßnahme dieses Netzausbaus ist auch die Umspannanlage (UA) E. in der Stadt S. in Nordrhein-Westfalen als wichtiger Einspeisepunkt vom Stromübertragungsnetz ins Stromverteilnetz mit einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung anzubinden. Hierfür soll eine neue 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen dem Pkt. M. und der UA E. (Abzweig) errichtet werden. Auch der Abzweig soll im Trassenraum bestehender 110-kV- und 220-kV-Leitungen errichtet werden und im gesamten rheinland-pfälzischen Abschnitt zwei 110-kV-Stromkreise mitführen. Die bestehenden 110-kV- und 220-kV-Freileitungen sollen im Gegenzug demontiert werden. Nach vollständiger Inbetriebnahme der 380-kV-Freileitungen ist vorgesehen, dass die Masten der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Siegburg - Dauersberg zwischen der Landesgrenze Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz und der Umspannanlage Dauersberg abgebaut werden.

4Die Klägerin ist eine Gemeinde im Landkreis A. im Nordosten des Landes Rheinland-Pfalz und gehört zur Verbandsgemeinde K.. Sie liegt in direkter südlicher Nachbarschaft zur Klägerin des Verfahrens BVerwG 4 A 4.15; durch ihr Gemeindegebiet verläuft die Haupttrasse. Die Klägerin hatte sich im Planfeststellungsverfahren über die Verbandsgemeinde K. beteiligt und unter anderem Alternativen zum Verlauf der geplanten Leitung eingebracht.

5Gegen den Planfeststellungsbeschluss hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Sie hält die Entscheidung für rechtswidrig, weil der Planfeststellungsbeschluss die Planungsalternative "kleinräumige Verschwenkung M./B. (C2)" nur unzureichend berücksichtigt habe und die Schutzstreifenausweisung teilweise nicht nachvollziehbar sei. Auch verletze der Beschluss das kommunale Selbstverwaltungsrecht sowie ihr Eigentumsrecht. Schließlich seien die Anforderungen des Immissionsschutzes (Lärm) sowie das Gebot der Rücksichtnahme (erdrückende Wirkung der Strommasten) nicht beachtet worden.

6Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom zum Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel - Dauersberg, Abschnitt Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Nordrhein-Westfalen bis Dauersberg und zum Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Pkt. M. - E., Abschnitt Pkt. M. - Landesgrenze Rheinland-Pfalz/Nordrhein-Westfalen, sowie zur Anpassung bestehender Freileitungen aufzuheben.

7Beklagter und Beigeladene beantragen,

die Klage abzuweisen.

8Sie verteidigen den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss.

Gründe

9Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln, die zu seiner Aufhebung oder - als Minus hierzu - zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen.

10A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 19 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Kruckel - Dauersberg mit einer Nennspannung von 380 kV ist.

11Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden ( 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134>). Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot gerechter Abwägung (§ 43 Satz 3 EnWG in der am geltenden Fassung - EnWG a.F.) ihrer eigenen Belange ( 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 19 m.w.N.). Darüber hinaus ergibt sich die Klagebefugnis aus einer möglichen Beeinträchtigung des durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrechts; auch dessen Verletzung kann - auf der Grundlage des klägerischen Vortrages - nicht offensichtlich ausgeschlossen werden.

12B. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an Fehlern, die Rechte der Klägerin verletzen. Er verstößt weder gegen zwingendes Recht (I.) noch erweist er sich zu Lasten der Klägerin als abwägungsfehlerhaft (II.).

13Eine Gemeinde kann sich im Rechtsstreit gegen einen Planfeststellungsbeschluss auf das aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgende gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, insbesondere in der Form der gemeindlichen Planungshoheit, und ihr zivilrechtlich geschütztes Eigentum berufen. Diese Rechte vermitteln ihr keinen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.>, vom - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 25 und vom - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 23; Beschlüsse vom - 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Gemeinde nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist ( - BVerfGE 61, 82 <100 f.>; siehe auch 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.>). Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auch nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger, wie z.B. Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen oder des Naturschutzes, geltend zu machen (stRspr, vgl. etwa 9 A 8.15 - KommJur 2016, 397 Rn. 14).

14I. Zwingende Rechtsvorschriften, auf die sich die Klägerin berufen kann, sind nicht verletzt, insbesondere erzeugt das planfestgestellte Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG.

15Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Als nicht genehmigungsbedürftige Anlage (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV) ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

16Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet ( 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 64). Einen Eingriff in ihr Eigentum kann die Klägerin nur rügen, wenn Nutzer oder Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10). Das ist nicht der Fall.

17Die Einhaltung der Grenzwerte nach der 26. BImSchV zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Soweit sie sich gegen die Beurteilung der von der Höchstspannungsfreileitung verursachten sogenannten Koronageräusche im Planfeststellungsbeschluss (S. 112 f.) wendet, vermag sie hiermit nicht durchzudringen, weil ihr Vortrag unsubstantiiert ist. Die Klägerin legt nicht dar, dass an in ihrem Eigentum stehenden und schutzbedürftigen Grundstücken die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nicht eingehalten werden können. Dass die Klägerin Eigentümerin der Wohngebäude in der R.Straße 27 bis 33 ist, behauptet sie selbst nicht. Damit ist auch für die Berücksichtigung etwaiger Lärmbelastungen unter Vorsorgegesichtspunkten im Rahmen der Abwägung kein Raum.

18II. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der nach § 43 Satz 3 EnWG a.F. gebotenen Abwägung, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind und die beantragte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Beschlusses zur Folge haben (vgl. § 43 Satz 6 EnWG a.F. i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG).

19Nach § 43 Satz 3 EnWG a.F. sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: Urteil vom - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>) verlangt das Abwägungsgebot, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.

20Hierfür kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses an (stRspr, vgl. etwa 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <283> und vom - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 m.w.N.; Beschluss vom - 7 B 18.12 - juris Rn. 27).

211. Die Abwägung räumlicher Trassenalternativen lässt einen Abwägungsfehler nicht erkennen.

22Die Klägerin wendet sich gegen den planfestgestellten Leitungsverlauf der Haupttrasse. Sie hält die kleinräumige Verschwenkung im Bereich M./B. (sogenannte Variante C2) für vorzugswürdig.

23Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten ist ungeachtet hierbei zu beachtender, rechtlich zwingender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung (§ 43 Satz 3 EnWG a.F.). Sie ist gerichtlicher Kontrolle nur begrenzt auf erhebliche Abwägungsmängel hin (§ 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG) zugänglich. Nach ständiger Rechtsprechung handelt eine Planfeststellungsbehörde nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre (vgl. etwa 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> und vom - 4 A 12.98 - NVwZ 2000, 555 <556> = juris Rn. 32). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei gar von Erwägungen einer "besseren" Planung leiten zu lassen ( 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <10>). Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (vgl. etwa a.a.O. S. 11; Beschluss vom - 7 NB 3.95 - BVerwGE 101, 166 <173 f.>), oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist ( 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 55). Läuft eine Variante auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden ( 9 A 16.12 - BVerwGE 146, 254 Rn. 85 m.w.N.). Trassenvarianten, die sich auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, können schon in einem früheren Verfahrensstadium oder auf vorangegangenen Planungsebenen ausgeschieden werden (stRspr, vgl. etwa a.a.O. S. 249 f. und vom - 9 A 11.03 - NVwZ 2004, 1486 <1490> m.w.N. - insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 121, 72; Beschlüsse vom - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 S. 91 f. und vom - 4 B 70.02 - NuR 2004, 520 <521> = juris Rn. 15). Ernsthaft in Betracht kommende Trassenalternativen müssen allerdings untersucht und im Verhältnis zueinander gewichtet werden (vgl. etwa 7 NB 2.88 - BVerwGE 81, 128 <136 f.> m.w.N.); die Bevorzugung einer bestimmten Lösung darf nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht.

24a) Gemessen hieran lässt die Alternativenprüfung des Beklagten Bewertungsfehler nicht erkennen.

25Die Klägerin trägt vor, die Planfeststellungsbehörde habe den Gesichtspunkt der "Vorbelastung" für ihre Entscheidung immer wieder bemüht, dabei aber übersehen, dass dieser Belang für die Antragstrasse nicht ins Feld geführt werden könne, da die vorhandenen Leitungen entfernt werden sollen. Es handele sich somit um eine Neubebauung. Dieser auf das Vorliegen eines Bewertungsfehlers zielende Vortrag greift nicht durch.

26Zutreffend ist allerdings, dass die plangegebene Vorbelastung der Klägerin und ihrer Belange mit dem planfestgestellten Rückbau der Bestandsleitungen entfällt und ihr deswegen im Rahmen der Abwägung nicht entgegengehalten werden kann. Das schließt indes wegen der Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke (vgl. hierzu etwa 7 C 26.92 - BVerwGE 94, 1 <4>) die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung durch die Bestandstrassen nicht aus. Denn Bau- und Nutzungsverhalten der betroffenen Grundstückseigentümer haben sich ebenso wie die Verkehrsanschauung und der Verkehrswert auf das Vorhandensein der Bestandstrasse eingestellt. Die dadurch bewirkte tatsächliche Gebietsprägung entfällt nicht durch die Veränderung der rechtlichen Situation. Deswegen ist die Planfeststellungsbehörde nicht gehindert, bei der Variantenauswahl an diesen noch fortdauernden Umstand anzuknüpfen, und es ist nicht zu beanstanden, dass sich in der energieleitungsrechtlichen Praxis entsprechende Trassierungsvorgaben herausgebildet haben (siehe jetzt z.B. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NABEG). Hierzu gehören das sogenannte Bündelungsgebot, wonach mehrere lineare Infrastrukturen, z.B. Straßen, Schienenwege oder Energieleitungen, möglichst parallel zu führen sind, und das Gebot der Nutzung bestehender Trassen, wonach der Ausbau des Netzes unter Nutzung vorhandener Trassenräume grundsätzlich Vorrang hat vor dem Neubau von Leitungen auf neuen Trassen (vgl. Leidinger, DVBl 2013, 949 <950 f.>). Denn eine vollkommene Neutrassierung würde Konflikte nur verlagern, neue Konflikte schaffen und, da Einwirkungen der bisherigen Trasse in Natur und Landschaft auch nach deren Abbau zumindest eine geraume Zeit fortwirken, in gewissem Umfang verdoppeln ( 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 30 und Gerichtsbescheid vom - 7 A 7.10 - juris Rn. 17). Diese Trassierungsvorgaben sind im Rahmen der Abwägung mit dem ihnen im konkreten Fall zukommenden Gewicht zu berücksichtigen, genießen aber nicht per se Vorrang vor anderen öffentlichen oder privaten Belangen. Sie gelten zudem nicht einschränkungslos. Ist die zusätzliche Belastung durch die Änderung der Nutzung einer bestehenden Trasse erheblich größer als die Neubelastung durch eine bislang nicht genutzte Trasse, greifen sie ebenso wenig wie im Fall, dass die zu erwartenden Einwirkungen rechtswidrige Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen ( 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <356 f.> = juris Rn. 47 und Beschluss vom a.a.O. Rn. 38).

27Im Gemeindegebiet der Klägerin bestehen bereits seit 1924 bzw. 1935 Hochspannungsleitungen (110 kV und 220 kV). Nach den von der Beigeladenen eingereichten Plänen soll das Vorhaben im Trassenraum dieser Hochspannungsleitungen errichtet werden; die alten Leitungen werden zurückgebaut bzw. auf dem Mastgestänge der neuen Leitung mitgenommen. Da - wie bereits ausgeführt - die planfestgestellte Höchstspannungsleitung den Anforderungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG genügt, ist es nicht zu beanstanden, dass der Planfeststellungsbeschluss eine tatsächliche Vorbelastung im Rahmen der Abwägungsentscheidung als schutzmindernd berücksichtigt (BVerwG, Beschlüsse vom - 7 VR 13.12 - ER 2013, 119 <122> = juris Rn. 21 und vom - 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 57 m.w.N.).

28b) Die Wahl der Haupttrasse ist nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil der Planfeststellungsbeschluss sie der kleinräumigen Variante C2 vorgezogen hat.

29Die bereits im Raumordnungsverfahren geprüfte Trasse C2 sieht vor, dass im Bereich zwischen Mast Nr. 505 und Mast Nr. 511 der Abstand der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung unter anderem zum Siedlungsbereich der Klägerin auf 90 bis 100 m durch Verschiebung der Leitung nach Westen vergrößert wird. Der Planfeststellungsbeschluss setzt sich mit dieser alternativen Trassenführung auseinander und lehnt sie ab (PFB S. 69 f.). Die Alternativtrasse sei zwar in Bezug auf das Schutzgut Mensch vorzugswürdig. Beide Trassen machten aber eine Schutzstreifenerweiterung nach Westen hin erforderlich, was die Inanspruchnahme zusätzlicher Waldflächen (mittelalter Birken-/Eichenmischwald, Eichenmischwald und Eichen-/Buchenmischwald) zur Folge habe. Bei der Antragstrasse würden ca. 10 % weniger Flächen in Anspruch genommen als bei der Variante. Damit erweise sich die Antragstrasse in Bezug auf die Schutzgüter Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt als günstiger. Das gelte auch hinsichtlich eines Konflikts durch den möglichen Verlust von Höhlenbäumen sowie eines Horstbaumes. Andererseits nehme die Variante weniger Kleingehölze in Anspruch. In der Abwägung zwischen der siedlungsferneren Variante C2 und der Antragstrasse werde letztere bevorzugt, weil die im Umfeld der Antragstrasse liegenden Grundstücke aufgrund der "Vorbelastung" durch die bestehenden Leitungen (110-kV-Freileitung Betzdorf - Kreuztal und 220-kV-Leitung Koepchenwerk - Kelsterbach) in ihrer Schutzwürdigkeit gemindert seien und die Vorsorgewerte der 26. BImSchV sicher eingehalten würden.

30Die Klägerin rügt die Berücksichtigung einer "Vorbelastung" durch die bestehenden Leitungen im Planfeststellungsbeschluss. Weiter führt sie aus, die Nichtberücksichtigung der Trasse C2 stehe im Widerspruch zum Raumordnerischen Prüfergebnis vom . Dort sei der Beklagte selbst davon ausgegangen, dass diese Trasse vorzugswürdig sei und sich aufdränge. Eine Verlegung der Antragstrasse würde zudem für den Siedlungsbereich der Klägerin eine große Entlastung bringen. Die Trasse C2 dränge sich daher auf.

31Ein Abwägungsfehler ist damit nicht dargelegt. Die Planfeststellungsbehörde ist davon ausgegangen, dass sich die Vor- und Nachteile der beantragten Trasse und der Variante C2 die Waage halten, also keine dieser beiden Trassen eindeutig vorzugswürdig ist. Diese Einschätzung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Für die Antragstrasse hat sie sich letztlich entschieden, weil diese im Trassenraum der bereits vorhandenen 110-kV-/220-kV-Hochspannungsleitungen verlaufen wird. Auch das ist nicht zu beanstanden, weil im Rahmen der Abwägung das Gebot der Nutzung vorhandener Trassen berücksichtigt werden konnte und auch den Ausschlag für die eine und gegen die andere Trassenalternative geben kann.

32Aus der raumordnungsrechtlichen Entscheidung vom folgt nichts anderes. Diese stuft zwar die Variante C2 als vorzugswürdig ein, weil sie zu einer merkbaren Verbesserung der Wohnqualität führe und dabei dem raumordnerischen Bündelungsprinzip nicht widerspreche, sofern die 110-kV-Ebene vollständig mitgeführt werde. Daher sei in der späteren Detailplanung zu prüfen, inwieweit diese Verschwenkung stellenweise - unter Beachtung naturschutzrechtlicher und forstwirtschaftlicher Belange - auch noch über 50 m hinaus möglich sei. Nach dem Ergebnis der Raumordnerischen Prüfung dränge sich eine Leitungsmodifizierung im Sinne der Variante C2 auf. Allerdings handelt es sich bei dieser Entscheidung um ein sonstiges Erfordernis der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG, das gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ROG (nur) den Rang eines Abwägungsbelangs besitzt. Die Planfeststellungsbehörde war daher nicht gezwungen, die Variante C2 planfestzustellen. Mit ihrer sachlich begründeten Entscheidung gegen die Variante C2 zum Schutz von Tieren, Pflanzen und biologischer Vielfalt hält sie sich im Rahmen ihres Abwägungsspielraums.

332. Die Festlegung der Schutzstreifen erweist sich gleichfalls als abwägungsfehlerfrei.

34Der Planfeststellungsbeschluss führt aus, dass die Breite der Schutzstreifen im Wesentlichen vom Masttyp, der aufliegenden Beseilung, den eingesetzten Isolatorketten, dem Mastabstand und von der Nutzung der umliegenden Grundstücke (z.B. Gebäude oder Wald) abhängig sei. Der Waldschutzstreifen werde nach der Reliefierung des Geländes und der angrenzenden forstlichen Nutzung (Baumarten) berechnet (PFB S. 152, 197 f., 211).

35Die Klägerin hält dem entgegen, der Planfeststellungsbeschluss gehe lediglich von einer "Aufweitung" bzw. "Verbreiterung" der durch die Antragstrasse ausgelösten Schutzstreifen aus. Das sei unzutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, dass der Rückbau einer Bestandstrasse zum Erlöschen etwa bestehender Dienstbarkeiten führe. Daher müssten auch die durch das planfestgestellte Vorhaben ausgelösten Schutzstreifen in ihrer Gesamtheit zu Lasten der Antragstrasse im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Auch seien Verlauf und Breite der Schutzstreifen nicht nachvollziehbar. Das ergebe sich aus dem abrupten Versprung des Schutzstreifens vor dem bebauten Grundstück R.Straße 25 südöstlich von Mast Nr. 509; gleiches gelte für die Versprünge östlich und westlich von Mast Nr. 510. Unklar sei darüber hinaus, aus welchen Gründen die auf der Höhe von Mast Nr. 508 nach Osten und Westen unterschiedlich breit ausfallenden Schutzstreifen gerechtfertigt seien. Nach Osten hin besitze der Schutzstreifen eine einheitliche Breite von 43 m, während er in westlicher Richtung von 40 m auf ca. 43 m verspringe.

36Ein Abwägungsfehler wird hiermit nicht aufgezeigt. Zutreffend ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Senats der Rückbau einer Bestandsleitung - auch wenn in der Trasse eine neue Leitung errichtet werden soll - zum Erlöschen einer bestehenden Dienstbarkeit für einen Schutzstreifen führt ( 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 27). Für die neue Leitung sind daher gegebenenfalls neue Dienstbarkeiten zu bestellen. Der Entscheidung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass mit dem Erlöschen einer Dienstbarkeit auch die faktische Vorbelastung eines Grundstücks mit einem Schutzstreifen zugunsten der bestehenden Energieleitung unberücksichtigt bleiben müsste. Mit Blick auf die oben genannten Trassierungsvorgaben wäre eine solche Annahme auch fernliegend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Ausweisung von Schutzstreifen zugunsten einer neuen Leitung auf den bisher ausgewiesenen Schutzstreifen aufsetzt und nur dort zu einer neuen Belastung führt, wo bisher keine Schutzstreifen ausgewiesen waren oder vorhandene Schutzstreifen aufgeweitet werden müssen. Der Ansatz des Planfeststellungsbeschlusses, nur die Folgen einer "Schutzstreifenaufweitung/-verbreiterung" zu prüfen, begegnet daher keinen Bedenken.

37Da die Klägerin nur die Ausweisung von Schutzstreifen auf ihren Grundstücken rügen kann, aber nicht dargelegt hat, dass in ihrem Eigentum stehende Grundstücke von einer vermeintlich "willkürlichen" Schutzstreifenausweisung betroffen sind, kann offen bleiben, ob die Festlegung der Schutzstreifen im Einzelnen den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

383. Der Planfeststellungsbeschluss weist auch mit Blick auf die gemeindliche Planungshoheit (a) und das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin (b) keinen Abwägungsfehler auf.

39a) Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 43 Satz 3 EnWG a.F. einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn ein Vorhaben der Fachplanung eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden ( 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95 <106> und vom - 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 35 m.w.N.). Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden ( 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394>). Derartige Beeinträchtigungen legt die Klägerin nicht dar. Das gilt insbesondere für den Bereich des Bebauungsplans "Auf dem Härdtchen" (Gebiet um die R.Straße). Das erneut angebrachte Argument, die "Vorbelastung" durch die Bestandsleitungen habe nicht berücksichtigt werden dürfen, verfängt aus den bereits dargestellten Gründen auch hier nicht. Der Einwand der "Durchschneidung" der Gebiete kann - aufgrund des Verlaufs der Leitung - ersichtlich nur das Industriegebiet Brachbach meinen. Hier verkennt die Klägerin jedoch, dass nicht die neue Leitung dieses Baugebiet "durchschneidet", sondern dass das Industriegebiet in Ansehung der bestehenden 110-kV-/220-kV-Leitungen von ihr in die Leitungen und die Schutzstreifen hinein geplant wurde; die neue Trasse nutzt lediglich den Trassenraum der alten Leitungen und ersetzt diese weitestgehend. Dass hierdurch kommunale Einrichtungen der Klägerin beeinträchtigt werden könnten, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

40b) Mit ihrem Einwand, von der planfestgestellten Höchstspannungsleitung sei das Gemeindegebiet nicht nur geringfügig betroffen, dem Vorhaben komme ortsbildprägende Wirkung zu und die "Vorbelastung" des Ortsbildes durch die bestehende Leitung habe der Beklagte nicht berücksichtigen dürfen, vermag die Klägerin einen Abwägungsfehler ebenfalls nicht zu begründen. Der Sache nach macht sie damit eine Beeinträchtigung ihres Selbstgestaltungsrechts geltend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erwachsen aus diesem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden Recht Abwehransprüche aber allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken ( 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 36).

41Hinsichtlich der Haupttrasse zwischen Mast Nr. 508 und 510 fehlt es bereits an einer solchen Ortsbildbeeinträchtigung. Zwar weisen die geplanten Masten Höhen zwischen 57,50 m (Mast Nr. 509) und 66,50 m (Mast Nr. 510) über Erdoberkante auf; sie sind damit erheblich höher als die Masten der Bestandsleitungen. Da die Neubautrasse aber am Ortsrand von B. in der Bestandstrasse verläuft, das Ortsbild dort mithin bereits vorgeschädigt ist und der Abstand zur Wohnbebauung gegenüber den Bestandsleitungen erhöht wurde, kann gleichwohl nicht von einer das Ortsbild entscheidend prägenden Wirkung ausgegangen werden.

42Zwischen Mast Nr. 510 (66,50 m) und Mast Nr. 511 (72,50 m) überspannt die Leitung Grundstücke im Industriegebiet von B.. Eine ortsbildprägende Wirkung kann der planfestgestellten Trasse in diesem Bereich nicht abgesprochen werden. Zwar ist das Ortsbild auch hier durch die Bestandstrassen vorgeschädigt. Allerdings wird durch die wesentlich höheren Masten der neuen Leitung die Ortsbildbeeinträchtigung nicht unerheblich verstärkt und zwar selbst dann, wenn der komplette Rückbau der Bestandsleitungen mitberücksichtigt wird. Ob diese zusätzlichen Auswirkungen auf das Ortsbild genügen, um von einer nachhaltigen Einwirkung auf das Gemeindegebiet im Sinne der Rechtsprechung ausgehen zu müssen, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn aus der Abwägungserheblichkeit folgt nicht, dass sich der Belang in der Abwägung tatsächlich durchsetzt. Er kann überwunden werden, da es der Planfeststellungsbehörde im Rahmen des Abwägungsgebots unter dem Vorbehalt der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unbenommen bleibt, gegenläufigen Belangen den Vorrang einzuräumen (vgl. 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 36 m.w.N.). So liegen die Dinge hier. Die Planfeststellungsbehörde hat die mit der Erhöhung der Masten einhergehende Beeinträchtigung des Ortsbildes gesehen, sie bewertet, ihr aber angesichts der bestehenden Vorschädigung des Ortsbildes durch die Bestandstrasse und der Nachteile, die mit einer Neutrassierung und den damit einhergehenden neuen Belastungen verbunden sind, nicht den Vorrang eingeräumt. Das lässt einen Abwägungsfehler nicht erkennen. Die Klägerin übersieht zudem, dass selbst im Falle der von ihr bevorzugten Variante C2 eine Überspannung von gewerblich genutzten Grundstücken erfolgen würde, eine vergleichbare Beeinträchtigung des Ortsbildes damit auch in diesem Fall bestünde.

434. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt auch das Grundeigentum der Klägerin rechtsfehlerfrei.

44Wird fremdes Grundeigentum durch eine hoheitliche Planung betroffen, indem es entweder unmittelbar überplant wird oder als Nachbargrundstück nachteilige Wirkungen von dem beabsichtigten Vorhaben zu erwarten hat, so ist dieser Umstand grundsätzlich als privater Belang in die planerische Abwägung einzubeziehen, es sei denn, die Betroffenheit ist objektiv geringfügig oder nicht schutzwürdig (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 N 1.78, 4 N 2-4.79 - BVerwGE 59, 87 <101 ff.> und vom - 7 B 98.88 - Buchholz 451.22 AbfG Nr. 28 S. 13 f. = juris Rn. 4 m.w.N.). Diese Grundsätze sind auch für Grundstücke in gemeindlichem Eigentum maßgebend ( 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101>) ungeachtet des Umstandes, dass Gemeinden sich nicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums durch Art. 14 GG berufen können ( - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).

45Die Klägerin ist der Meinung, der Eingriff in ihr Eigentum sei nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Einen Abwägungsfehler zeigt sie nicht auf. Es wurde bereits ausgeführt, dass weder die Trassenwahl noch die Schutzstreifenausweisung abwägungsfehlerhaft erfolgt ist. Der von der Klägerin vermissten konkret-individuellen Abwägung ihrer Eigentumsbetroffenheit bedurfte es nicht. Sie ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn es an Anhaltspunkten für eine besondere Schutzbedürftigkeit des Eigentums fehlt. So liegt es hier. Bei den von der Klägerin angeführten und von der planfestgestellten Leitung betroffenen klägerischen Grundstücke handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen, Wald, Brachflächen, Wegeflächen und Straßen bzw. Wiesen oder Grünflächen (siehe Anlage 1 zum Schriftsatz vom ). Dass diese Flächen besonders schutzbedürftig sind, ist nicht ersichtlich (siehe hierzu etwa 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.>). Das gilt auch für die von der Klägerin in den Vordergrund gestellte und für den Mast Nr. 510 in Anspruch genommene Fläche Flur ... Flurstück 594/11, die sie selbst als "Erschließungsstraße-Wendeanlage, Grünfläche" bezeichnet. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung oder auf andere zulässige Weise rechtzeitig etwaige Betroffenheiten ihres Eigentums in das Planfeststellungsverfahren einzubringen (vgl. 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <103>). Daran fehlt es.

465. Die Klägerin legt nicht dar, dass das planfestgestellte Vorhaben zu ihren Lasten gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

47Nach § 38 Satz 1 BauGB sind auf Planfeststellungsverfahren für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung die §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden, wenn die Gemeinde beteiligt wird (Halbsatz 1); städtebauliche Belange sind zu berücksichtigen (Halbsatz 2), d.h. entsprechend dem ihnen zukommenden Gewicht in die fachplanerische Abwägung einzustellen (stRspr, vgl. 4 C 51.83 - BVerwGE 74, 124 <132 f.> und vom - 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 37; Beschluss vom - 4 B 73.06 - Buchholz 406.11 § 38 BauGB Nr. 15 Rn. 6). Folglich waren die §§ 29 ff. BauGB und damit auch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme hier nur im Rahmen der Abwägung nach § 43 Satz 3 EnWG a.F. zu berücksichtigen, da die planfestgestellte Energieleitung als Bestandteil der als Vorhaben Nr. 19 im Bedarfsplan des Energieleitungsausbaugesetzes aufgeführten Höchstspannungsleitung bundesweite und damit überörtliche Bedeutung besitzt und die Klägerin im Verfahren beteiligt wurde.

48Dem trägt der Planfeststellungsbeschluss Rechnung. Eine erdrückende Wirkung der geplanten Masten hat er verneint (vgl. PFB S. 134 f.). Dass diese Einschätzung fehlerhaft ist, zeigt die Klägerin nicht auf. Sie wendet sich allein gegen die Annahme der Planfeststellungsbehörde, dass die Rechtsprechung zur erdrückenden Wirkung von Windenergieanlagen nicht auf die verfahrensgegenständlichen Masten der Höchstspannungsfreileitung übertragen werden könne. Mit der weiteren Begründung, wonach auch unter Berücksichtigung der lichtdurchlässigen Bauweise der Stahlgittermasten und einer als mittelgradig einzustufenden visuellen Einwirkungsintensität des Vorhabens auf das Wohnumfeld sowie aufgrund der bestehenden Vorbelastung durch die vorhandenen 110-kV- und 220-kV-Leitungen eine erdrückende Wirkung durch die geplanten Masten sowie eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ausscheide, setzt sie sich nicht auseinander.

49C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:151216U4A3.15.0

Fundstelle(n):
YAAAG-39763