Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Die 1970 geborene gelähmte Tochter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ist zu 100 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Sie lebt im Haushalt ihrer Mutter. Der von dieser seit 1993 getrennt lebende Kläger wurde 1997 von der Kindesmutter geschieden. Die Trennung hatte er der Familienkasse seines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers (Beklagter und Revisionsbeklagter —Beklagter—) mit Fragebogen vom mitgeteilt. Weiter hatte er im Formular vom erklärt, dass seine Tochter keine Einkünfte erziele. Die Tochter hat jedoch eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen, die ab 1994 in Höhe von 1 148 DM monatlich ausbezahlt wurde.
Als der Beklagte dies —nach Änderung des Kindergeldrechts— erfuhr, hob er die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom ab auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum Januar 1996 bis Juli 1997 in Höhe von 3 280 DM zurück; einen Betrag von 660 DM —entsprechend drei monatlichen Kindergeldbeträgen für 1997— hatte er bereits vom Arbeitsentgelt des Klägers einbehalten. Mit Anwaltschreiben mahnte der Kläger die Zahlung des einbehaltenen Betrages bis zum an. Mit der am erhobenen Klage wandte sich der Kläger sinngemäß gegen den Aufhebungsbescheid hinsichtlich des Zeitraums Januar 1996 bis Juli 1997 und beantragte Zahlung der einbehaltenen 660 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem .
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1237 veröffentlichten Gründen ab: Soweit Zahlung begehrt werde, sei die Klage unzulässig, da kein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erwirkt worden sei, im Übrigen sei sie unbegründet.
Mit der hiergegen erhobenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 70 Abs. 2 und § 74 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie von § 37 Abs. 2 und § 218 Abs. 2 AO 1977. Er verfolgt sein Klagebegehren weiter und beantragt wiederum, die Hinzuziehung seiner Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist sowohl hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens als auch hinsichtlich des Zahlungsantrags begründet.
1. Der erkennende Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob dem Kläger Kindergeld materiell-rechtlich zustand (vgl. zum Kindergeldanspruch für ein behindertes, nicht in einem Heim untergebrachtes Kind: , BFHE 189, 442, 444 ff., BStBl II 2000, 72; zum vorrangig Berechtigten bei getrennt lebenden Eltern: , BFHE 187, 559, 561, BStBl II 1999, 231), da der Beklagte nicht befugt war, die Kindergeldfestsetzung für den streitigen Zeitraum Januar 1996 bis Juli 1997 zu ändern.
a) § 70 Abs. 2 EStG gibt keine Rechtsgrundlage für den streitigen Aufhebungsbescheid (a.A. Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes —DA-FamEStG— 78.1 Abs. 4 Buchst. b und Abs. 7, BStBl I 1996, 723, 819).
aa) Aufgrund des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) wird das Kindergeld seit dem regelmäßig (vgl. § 62 EStG) nicht mehr als Sozialleistung, sondern als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) gezahlt. Dieser Systemwechsel machte Übergangsvorschriften für die nach altem Recht erfolgten Kindergeldfestsetzungen erforderlich. Deshalb bestimmt § 78 Abs. 1 EStG, dass Kindergeld, welches bis zum nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährt wurde, als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/1558, S. 162) sollte damit sichergestellt werden, ”daß bisher gewährtes Kindergeld grundsätzlich ohne neue Antragstellung und Festsetzung weiterhin gezahlt werden kann”. Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, dass ohne diese —inzwischen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom (BGBl I, 402) wegen Bedeutungslosigkeit aufgrund des Zeitablaufs (BTDrucks 14/23, S. 190) wieder aufgehobene— Übergangsvorschrift in jedem Einzelfall Neufestsetzungen durch die Verwaltung hätten erfolgen müssen. Letzteres hat sich dadurch erübrigt, dass das Kindergeld zum Systemwechsel, also zum , kraft Gesetzes als Steuervergütung festgesetzt gilt.
bb) Unabhängig davon, ob mit der herrschenden Meinung (, EFG 1998, 669; DA-FamEStG 70.4.2 Abs. 1 Satz 2, BStBl I 1998, 389, 465; Seewald/Felix in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 70 Rn. C 8) auch eine Rechtsänderung als Änderung i.S. des § 70 Abs. 2 EStG anzusehen ist, scheitert eine Anwendung dieser Vorschrift jedenfalls daran, dass sie nur eine Änderung der Verhältnisse nach Ergehen des zu ändernden Bescheids berücksichtigt (vgl. Seewald/Felix, a.a.O., § 70 Rn. C 7). Der zu ändernde Bescheid ist aber die gleichzeitig mit der Änderung der Rechtslage aufgrund des JStG 1996 durch § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG unterstellte Neufestsetzung des Kindergeldes.
b) § 173 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 6 AO 1977 kommt als Rechtsgrundlage für den streitigen Aufhebungsbescheid schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Beklagten bereits vor 1996 die Tatsache bekannt war, dass der Kläger die Tochter nicht in seinem Haushalt aufgenommen hatte.
c) Ob die Neufestsetzung zum gemäß § 70 Abs. 3 EStG mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids folgenden Monat (§ 70 Abs. 3 Satz 2 EStG), hier also ab Oktober 1997 aufgehoben werden konnte, kann dahinstehen, da nur der Zeitraum bis Juli 1997 streitig ist.
2. Die Revision ist auch hinsichtlich des Zahlungsantrags begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
a) Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz ist die Klage auf Zahlung des bereits einbehaltenen Kindergeldbetrages zulässig.
Vorliegend wird nämlich nicht über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gestritten (dazu allgemein , BFHE 189, 331, BStBl II 1999, 751). Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die vom Beklagten vorgenommene Aufrechnung mit einem —wie oben ausgeführt wurde— materiell-rechtlich nicht bestehenden Rückforderungsanspruch. Er macht also einen Anspruch auf nicht ausbezahltes Entgelt aus dem Dienstverhältnis mit dem Beklagten geltend. Die Problematik der Zulässigkeit einer öffentlich-rechtlichen Leistungsklage stellt sich deshalb nicht.
Das Revisionsgericht ist an einer Sachentscheidung nicht deswegen gehindert, weil für die vorliegende Zahlungsklage der Rechtsweg zu den Finanzgerichten (§ 33 FGO) nicht eröffnet ist.
Denn das Rechtsmittelgericht hat wegen § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine unzutreffende Bejahung des Rechtswegs durch die Vorinstanz hinzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Vorinstanz die Klage wegen Fehlens einer anderen Sachentscheidungsvoraussetzung als unzulässig abgewiesen hat (vgl. , BFH/NV 1998, 424).
b) Der Zahlungsantrag ist auch begründet.
Die Aufrechnung des Beklagten geht ins Leere, da ihm keine Gegenforderung wegen Rückzahlung von Kindergeld zusteht. Wegen der Mahnung des Klägers war der Beklagte jedenfalls am in Verzug (§ 284 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), so dass die Forderung des Klägers mit 4 v.H. zu verzinsen ist (§ 288 Satz 1 BGB).
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher die Vorinstanz (, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 21 Nr. 1
DStRE 2000 S. 1031 Nr. 19
JAAAA-65910