Wer den Schaden hat, ...
Ein streitanfälliger Nebenschauplatz und eine Kompetenzüberschreitung
Kaum eine Entwicklung in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung hat im letzten Jahr so viel Aufmerksamkeit erregt wie die Entscheidungen zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Nachdem vom Europäischen Gerichtshof klargestellt wurde, dass eine Rechnung mit Wirkung für die Vergangenheit korrigiert werden kann, hat der Bundesfinanzhof schneller als erwartet eine Kehrtwende vollzogen und sich dem Urteil aus Luxemburg angeschlossen. Infolge der Rechtsprechungsänderung wirkt eine Berichtigung nun auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde. Damit hat auch ein streitanfälliger Nebenschauplatz an Bedeutung verloren: denn bislang drohte nicht nur die Rückforderung des Vorsteuerbetrags, sondern – und das machte die Sache besonders teuer – zusätzlich eine Zinsforderung des Finanzamts in Höhe von 6 % pro Jahr.
Gleichwohl müssen Eingangsrechnungen weiterhin kritisch geprüft werden, denn im Detail bleiben auch nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs noch einige Fragen offen (s. hierzu bereits Trinks, NWB 2/2017 S. 86). Probleme ergeben sich immer dann, wenn der Rechnungsempfänger nicht sofort erkennt, dass ihm keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt, sondern in der Annahme, diese entspreche den gesetzlichen Anforderungen, den Vorsteuerabzug vornimmt. Während der leistende Unternehmer regelmäßig zeitnah bereit sein wird, fehlerhafte, noch nicht bezahlte Rechnungen auf Wunsch des Kunden zu ändern, führen erst später im Rahmen einer Außenprüfung erkannte Fehler in der Regel zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand sowohl für den Rechnungsempfänger als auch für den -aussteller. Denn ist der Rechnungsaussteller zu diesem Zeitpunkt nicht mehr greifbar, hilft die Änderung der Rechtsprechung wenig, da niemand mehr da ist, der eine korrigierte Rechnung erlässt. Der Leistungsempfänger bleibt in diesen Fällen „auf seinem Schaden sitzen“. Praktische Hinweise zur Vorgehensweise bei einer Rechnungsberichtigung gibt Sikorski auf .
Zum Schaden für die in eine Krise geratenen und in Sanierungsverhandlungen stehenden Unternehmen hat der Bundesfinanzhof auf seiner Jahrespressekonferenz in der letzten Woche den Beschluss der Großen Senats präsentiert, mit dem er den sog. Sanierungserlass gekippt hat. Dass Sanierungsgewinne der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterliegen sollen, habe der Gesetzgeber im Jahr 1997 ausdrücklich durch die Abschaffung der bis dahin geltenden gesetzlichen Steuerbefreiung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. zu verstehen gegeben, so die Begründung. Mit seinem Erlass, welcher die Sanierungsgewinne von der Besteuerung freistellt, habe das Bundesfinanzministerium somit seine Kompetenz überschritten. Eine Kommentierung der Entscheidung von Bolik lesen Sie auf Seite 552.
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 545
NWB TAAAG-37734