Nur was verwickelt ist, kann sich auch weiterentwickeln
Die Geschichte der Verlustverrechnung – ein bewegter Lebenslauf
Die Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts zum Verlustabzug beim Anteilseignerwechsel können auf einen ebenso langen wie abwechslungsreichen Werdegang zurückblicken. Zur Verhinderung der ungerechtfertigten Nutzung und des Handels mit Verlustvorträgen hatte der Gesetzgeber im Jahr 1990 mit § 8 Abs. 4 KStG (a. F.) die sog. Mantelkaufregelung eingeführt. Damit sollte sichergestellt werden, dass nicht ausgeglichene Verluste nur dann mit steuerlicher Wirkung genutzt werden können, wenn die wirtschaftliche Identität der die Verluste erlittenen Körperschaft trotz Beteiligungswechsels gewahrt bleibt. Mit dem Argument, die Regelung sei zu „kompliziert und gestaltungsanfällig“ – so die Gesetzesbegründung –, wurde die Vorschrift im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 gestrichen und durch § 8c KStG ersetzt. Für die Körperschaften wurde die Verlustnutzung bei einem Anteilseignerwechsel fortan erheblich erschwert. Wegen ihrer verschärften Anforderungen wurde die Regelung in der Literatur als reine „Verlustvernichtungsvorschrift“ kritisiert, die weit über das ursprüngliche Ziel der Vermeidung des Handels mit Verlustmänteln hinausgehe. Nach einigen Nachbesserungsaktionen, welche die scharfen Wirkungen abmildern sollten – so zum Beispiel die Einfügung der Konzern- sowie der Stille-Reserven-Klausel – hat der Gesetzgeber jetzt mit einem neuen § 8d KStG, eingeführt mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften“ einen weiteren Versuch unternommen, die überbordenden Rechtsfolgen der Verlustwegfallregelung des § 8c KStG einzudämmen.
Ziel des § 8d KStG ist es, eine wirtschaftlich sinnvolle Neuaufnahme von Anteilseignern nicht durch steuerliche Hemmnisse zu erschweren und dadurch die Kapitalausstattung von Unternehmen zu verbessern. Profitieren sollen insbesondere die sog. Start-ups – wie beispielsweise junge Technologieunternehmen –, die bislang von der Verlustverrechnungsbeschränkung besonders betroffen waren. Denn aufgrund der zu Beginn ihrer Unternehmenstätigkeit hohen Entwicklungskosten bei gleichzeitig geringen Umsätzen, drohten hier die Anlaufverluste im Falle eines schädlichen Beteiligungswechsels unterzugehen, was potenzielle Investoren abschreckt. Zukünftig nun können – unter bestimmten Voraussetzungen – nicht genutzte Verluste trotz eines qualifizierten Anteilseignerwechsels weiterhin genutzt werden. Welche Voraussetzungen dies sind und wie die Antragstellung des neuen fortführungsgebundenen Verlustvortrags vonstatten geht, erläutern Dörr/Reisich/Plum auf im ersten Teil ihrer umfassenden Darstellung zum neuen § 8d KStG. Mit der Frage, ob mit der Neuausrichtung der Verlustverrechnung bei Körperschaften nun langfristig ein erfolgversprechendes Konzept gefunden wurde oder ob auch nach dieser Gesetzesänderung noch Bedarf für eine Weiterentwicklung besteht, setzen sich Dörr/Reisich/Plum dann in Teil 2 (in NWB 8/2017) auseinander.
Beste Grüße
Claudia Kehrein
Fundstelle(n):
NWB 2017 Seite 473
NWB PAAAG-37099