Gründe
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist in Nordrhein-Westfalen als medizinischer Fußpfleger tätig. Er hatte von der niedersächsischen Bezirksregierung in Braunschweig die staatliche Anerkennung als medizinischer Fußpfleger auf der Grundlage eines Runderlasses des niedersächsischen Sozialministers erhalten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) besteuerte die Umsätze des Klägers aus dieser Tätigkeit für das Streitjahr 1986. Das FA sah die Umsätze nicht als steuerfrei nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 an, weil der Kläger als Fußpfleger keine heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübe; denn in Nordrhein-Westfalen sei —anders als in Niedersachsen— eine Regelung über die Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung von medizinischen Fußpflegern nicht vorhanden.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 5 K 368/87 U ab, weil der Kläger als Fußpfleger keine nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 steuerbefreite ”ähnliche heilberufliche Tätigkeit” ausgeübt habe. Es sei keine Vergleichbarkeit mit den anerkannten Heilhilfsberufen gegeben, weil es keine Regelungen über die Berufsausbildung und die Berufsausübung gebe. In Nordrhein-Westfalen könne ein Fußpfleger ohne eine staatliche Erlaubnis tätig sein. Deshalb sei auch die Anerkennung in Niedersachsen ohne Bedeutung.
Die gegen die finanzgerichtliche Entscheidung erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der Bundesfinanzhof (BFH) zurück (, BFH/NV 1993, 334), weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe; denn die Vorentscheidung entspreche gefestigten Grundsätzen zur Auslegung von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 und zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Der dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerde des Klägers gab das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) statt. Es stellte durch Beschluss vom 2 BvR 1820/92 fest, der Kläger sei durch das Urteil des FG und durch den Beschluss des BFH in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt worden. Zur Begründung führte das BVerfG u.a. aus, das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verbiete es, die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 allein deshalb abzulehnen, weil in Nordrhein-Westfalen keine berufsrechtliche Regelung für medizinische Fußpfleger bestehe. Die berufsrechtliche Regelung sei kein eigenständiger Differenzierungsgrund, von dessen Vorliegen die Ähnlichkeit mit einer ”heilberuflichen Tätigkeit” i.S. des § 4 Nr. 14 UStG 1980 allein abhängen könne. Das BVerfG hob den Beschluss des BFH auf und wies die Sache an den BFH zurück.
2. Nach der Aufhebung des Beschlusses des Senats in BFH/NV 1993, 334 und der Zurückverweisung des Verfahrens durch das BVerfG ist über die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erneut zu entscheiden.
Die Revision ist wegen nachträglich vorhandener Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
a) Der Kläger hatte Beschwerde form- und fristgemäß erhoben und einen Zulassungsgrund —grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)— ordnungsgemäß dargelegt.
Unter diesen Umständen (vgl. , BFH/NV 1995, 808) ist die Revision zuzulassen, wenn die angegriffene finanzgerichtliche Entscheidung in einem tragenden Grund von einer Entscheidung des BVerfG oder BFH abweicht, die ein Beschwerdeführer bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht kennen konnte (vgl. , BFHE 119, 380, BStBl II 1976, 684). Zwar ist dadurch nachträglich die ursprünglich geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung entfallen. Bei einer nachträglich eingetretenen Divergenz besteht aber —ebenso wie bei einer Grundsatzrevision— ein Bedürfnis, durch Zulassung der Revision die Rechtseinheit wiederherzustellen (vgl. , BVerfGE 99, 216, 245, BStBl II 1999, 182; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 18, m.w.N.). Dem steht § 115 Abs. 2 FGO auch nicht entgegen, weil die Divergenzrevision ein besonders geregelter Fall der Grundsatzrevision ist.
b) Im Streitfall ist dem Kläger der Zugang zur Revision aufgrund der Entscheidung des (Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 494) eröffnet. In dieser Entscheidung hatte das BVerfG dargelegt, dass die Beurteilung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 für eine ”ähnliche heilberufliche Tätigkeit” nicht allein von einer unterschiedlichen berufsrechtlichen Regelung gegenüber einem in der Vorschrift ausdrücklich bezeichneten Katalogberuf abhängig gemacht werden dürfe.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 957 Nr. 8
HAAAA-65753