Jugendstrafe: Anforderungen an die Urteilsfeststellungen zu schädlichen Neigungen eines Jugendlichen
Gesetze: § 17 Abs 2 JGG
Instanzenzug: Az: 2060 Js 22501/15 jug - 2 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub zu der Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrecht-liche Prüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
32. Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat dagegen keinen Bestand. Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit 20 Jahre und zwei Monate alten Angeklagten zwar rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewandt (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG). Indes hat es die Annahme, die Verhängung der Jugendstrafe sei wegen der beim Angeklagten vorhandenen schädlichen Neigungen erforderlich (§ 17 Abs. 2 JGG), nicht rechtsfehlerfrei begründet.
4Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2013, 287).
5Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Soweit das Landgericht darauf abstellt, der Angeklagte habe in Kenntnis des Umstandes, dass einem anderen unter Verwendung einer Waffe sein Eigentum abgenommen werden sollte, nicht gezögert, die Ausführung eines Verbrechens durch die Mittäter zu fördern, betrifft dies überwiegend das objektive Tatunrecht und ist deshalb für das Vorliegen schädlicher Neigungen weitgehend unergiebig. Darüber hinaus nimmt das Landgericht insoweit nicht in den Blick, dass der Angeklagte zunächst nicht in den Tatplan eingeweiht war, bei Antritt der Fahrt lediglich davon ausging, es gehe um den Erwerb von Drogen, und erst unterwegs erfuhr, dass die von ihm chauffierten Tatbeteiligten den Drogenhändler überfallen und ausrauben wollten.
6Außerdem ergibt die Argumentation des Landgerichts, die das Vorliegen schädlicher Neigungen letztlich allein der Begehung der Tat entnimmt, nicht, ob nach seiner Auffassung bei dem bis dahin unbestraften Angeklagten bereits vor der Tat schädliche Neigungen bestanden haben. Zuletzt ist die von der Jugendkammer behauptete fehlende Distanzierung des Angeklagten von der Tat, mit der sie ihre Annahme begründet, dass die Persönlichkeitsmängel des Angeklagten auch zum Urteilszeitpunkt noch vorlagen, durch die Feststellungen nicht belegt. Gegen diese Annahme spricht vielmehr, dass der Angeklagte unmittelbar nach seiner Festnahme ein umfassendes Geständnis abgelegt hat.
7Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:040516B3STR78.16.0
Fundstelle(n):
BAAAG-36327