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OFD Niedersachsen - S 7200 - 174 - St 172

Entgelt bei der Beförderung Schwerbehinderter, im Ausbildungsverkehr und bei der Schülerbeförderung

1. Unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr

Erstattungen der öffentlichen Hand gemäß § 142 und § 148 SGB IX an die Verkehrsunternehmen (VU) für die durch unentgeltliche Beförderungen schwerbehinderter Menschen entstandenen Fahrgeldausfälle sind als Entgelte von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) für die Leistungen der VU an die begünstigten Personen anzusehen und unterliegen der Umsatzsteuer.

2. Ausgleichszahlungen im Ausbildungsverkehr

2.1 Rechtslage seit 1990

Nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ist das Land verpflichtet, für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 Nr. 2 PBefG auf Antrag einen Ausgleich zu gewähren, wenn und soweit der Ertrag aus den Beförderungsentgelten zur Deckung der Kosten nicht ausreicht. Der Ausgleich beträgt 50 % des sich im Ausbildungsverkehr ergebenden oder pauschal ermittelten Verlustes.

2.2 Rechtslage ab 2006

Ab dem Jahr 2006 schließt die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) als (beliehene) niedersächsische Ausgleichsbehörde öffentlich-rechtliche Verträge über die Abgeltung der Ausgleichsansprüche nach § 45a PBefG mit den im Ausbildungsverkehr tätigen VU. Dabei werden die Ausgleichszahlungen nach einem vereinfachten Verfahren ermittelt, nach dem der für das Basisjahr 2005 ermittelte Ausgleichsbetrag auch in den Folgejahren, jeweils gekürzt um einen gleichmäßig ansteigenden Abzugsbetrag, ausgezahlt wird. Danach erhalten die VU für 2006 95 %, für 2007 94 %, für 2008 93 % usw. des für 2005 gewährten Ausgleichsbetrages. Ändert sich der Umfang des Ausbildungsverkehrs gegenüber dem Basisjahr, kann der Ausgleichsbetrag angepasst werden. Mit Abschluss des Vertrages verzichten die VU auf die Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche aus § 45a PBefG.

Entsprechende Ausgleichszahlungen werden auf Antrag nach § 6a des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) für die Beförderung von Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs gezahlt.

2.3. Rechtslage ab 2017

Durch Änderung des Niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes (NNVG) werden die bislang geltenden Bundesregelungen in § 45a PBefG und § 6a AEG mit Wirkung vom durch landesrechtliche Regelungen ersetzt. Die Verantwortung und Abwicklung der Ausgleichszahlungen an die VU wird in die Hände der kommunalen Aufgabenträger für den ÖPNV gelegt. Nach § 7a NNVG 2017 obliegt es dem kommunalen Aufgabenträger, für eine ausreichende Verkehrsbedienung im straßengebundenen Ausbildungsverkehr zu sorgen. In diesem Rahmen hat er zu gewährleisten, dass die Tarife für Zeitfahrausweise im Ausbildungsverkehr um mindestens 25 % gegenüber den vergleichbaren Tarifen im Nichtausbildungsverkehr ermäßigt sind. Auf welche Art und Weise der kommunale Aufgabenträger die in § 7a NNVG 2017 beschriebenen Ziele erreicht, ist ihm nach dieser Norm freigestellt.

Nach § 7a Abs. 2 NNVG 2017 gewährt das Land den kommunalen Aufgabenträgern eine Finanzhilfe, deren Höhe sich nach den bislang an die VU ausgezahlten Zuwendungen bemisst. Aus dieser Finanzhilfe hat der kommunale Aufgabenträger zunächst seine Verlustausgleichszahlungen an die VU zu finanzieren. Die verbleibende Finanzhilfe kann der kommunale Aufgabenträger für andere verkehrswirtschaftliche Aufgaben einsetzen (§ 7a Abs. 3 NNVG 2017).

§ 7d NNVG 2017 überträgt den Regelungsinhalt des § 7a Abs. 1 und 4 NNVG 2017 auf den schienengebundenen ÖPNV.

Die Zuwendungen nach Tz. 2.1 bis 2.3 an die VU sind echte, nicht steuerbare Zuschüsse. Sie stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einzelnen Beförderungsleistungen, sondern dienen der Förderung der VU und sollen allgemein eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV gewährleisten. Mit den o. g. Zuwendungen soll der durch einen Preis-Kosten-Vergleich ermittelte Verlust der VU ausgeglichen werden.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass in § 7a Abs. 1 NNVG 2017 eine pauschale 25 %ige Ermäßigung der Tarife im Ausbildungsverkehr vorgesehen ist. Denn diese Verpflichtung richtet sich allein an den kommunalen Aufgabenträger. Dieser hat in seinem Zuständigkeitsbereich für eine hinreichende Begünstigung des Ausbildungsverkehrs zu sorgen, um eine ausreichende Verkehrsbedienung im Ausbildungsverkehr sicherzustellen. Eine Begünstigung des Auszubildenden, die nach Abschn. 10.2. Abs. 4 S. 2 UStAE für ein Entgelt von dritter Seite sprechen würde, lässt sich daraus nicht herleiten.

Treffen die kommunalen Aufgabenträger bei der Umsetzung der neuen Rechtsnormen allerdings steuerschädliche Vereinbarungen mit den VU, indem sie z. B. eine Berechnung der Zuwendungen auf Basis eines Preis-Preis-Vergleichs vorsehen, dienen diese Ausgleichszahlungen der Preisauffüllung und unterliegen als Entgelt von dritter Seite der Umsatzsteuer. Dies gilt, obwohl das NNVG eine andere Intention verfolgt. Denn selbst gesetzwidriges oder sogar verbotenes Handeln schließt eine Besteuerung nicht aus (§ 40 AO).

3. Zuwendungen der Schulträger für Schülerbeförderungen

Nach § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) sind Träger der Schülerbeförderung die Landkreise und kreisfreien Städte. Die Zahlungen der Schulträger erfolgen allgemein nach zwei Modellen:

  1. Die Landkreise bzw. kreisfreien Städte erstatten die den Schülern aus dem Erwerb der tariflich verbilligten Zeitfahrausweise des Ausbildungsverkehrs entstandenen Kosten, soweit diese die jeweils festgelegten Eigenanteile übersteigen. Die VU vereinnahmen somit den tariflichen Preis der Zeitfahrkarte, der in voller Höhe der Umsatzsteuer unterliegt.

    Die Zahlungen der Gebietskörperschaften an die Schüler stellen kein Entgelt im umsatzsteuerrechtlichen Sinne dar.

  2. Aufgrund vertraglicher Vereinbarungen der Landkreise und kreisfreien Städte mit den jeweiligen VU können Schüler bei Vorlage eines entsprechenden Ausweises einen verbilligten Fahrausweis erwerben.

    Die Gebietskörperschaften zahlen dann an die VU den Differenzbetrag zu den tariflichen Zeitfahrausweisen, der als Entgelt von dritter Seite der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.

4. Steuersatz

Die Beförderungsleistung der VU ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.

Beförderungen von Schülern zum Schwimmunterricht, die zu festgelegten Zeiten von und zu festgelegten Orten durchgeführt werden, sind als genehmigungsfreier Linienverkehr anzusehen (vgl. §§ 42, 43 PBefG, Abschn. 12.13 Abs. 5 S. 4, S. 5 Nr. 4 und S. 6 UStAE). Die hierfür von den Gebietskörperschaften gezahlten Beträge stellen umsatzsteuerrechtlich Entgelte für von den VU gegenüber dem Schulträger erbrachte Beförderungsleistungen dar, die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können.

Beförderungen im Rahmen besonderer Schulveranstaltungen (z. B. Klassenfahrten) ohne regelmäßige Fahrzeiten und -strecken stellen keinen Linienverkehr, sondern dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Gelegenheitsverkehr dar.

Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Zuwendungen und Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen im ÖPNV vgl. USt-Kartei ND § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG S 7100 Karte 27.

OFD Niedersachsen v. - S 7200 - 174 - St 172

Fundstelle(n):
UR 2017 S. 287 Nr. 7
UStB 2017 S. 83 Nr. 3
LAAAG-36166